November 2009
Brief des Arztes Erich Benjamin (1880-1943) von der Westfront an den Rektor der Universität München, 25. November 1914, UAM, E-II-850
Im November 1914 schickt der jüdische Kinderarzt und frischgebackene Privatdozent an der LMU, Dr. Erich Benjamin, ein Dankschreiben an den Rektor der Münchner Universität. Darin schildert er auch kurz seine Situation als Sanitätsarzt vor Verdun und seine Einschätzung der Lage. Der Brief ist in seinem Personalakt überliefert. Solche Einzelpersonalakten werden zu Tausenden im UAM verwahrt; ihr Inhalt beschränkt sich meist auf Verwaltungsschriftgut, daher sind solche persönlichen Dokumente dort eher selten zu finden. Benjamins zu diesem Zeitpunkt noch geäußerte Vorstellung vom Krieg als großen nationalen Aufbruch spiegelt die zeitgemäße Meinung der überwiegenden Mehrheit des Lehrkörpers der LMU wider.
Benjamin wurde 1916 von der Westfront abgezogen und übernahm danach die Leitung der Kinderklinik der Universität München. 1921 baute er in Ebenhausen ein privates Kindersanatorium auf. V.a. seine Erkenntnisse über die kindliche Neurose (1930: Grundlagen und Entwicklungsgeschichte der kindlichen Neurose) und seine daraus folgernden Anwendungen in der Heilpädagogik machten ihn in der Pädiatrie bekannt und sein Ebenhausener Sanatorium international begehrt. Der Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft machte sein weiteres Wirken, wie auch das der anderen jüdischen Wissenschaftler, unmöglich: 1935 verlor er die Lehrbefugnis, 1937 emigrierte er in die USA, wo er 1943 resigniert in Baltimore starb.
Literaturauswahl zu Erich Benjamin:
- Renate Jäckle: Schicksale jüdischer und "staatsfeindlicher" Ärztinnen und Ärzte nach 1933 in München. Dokumentation, vorgelegt zum 50. Jahrestag des "Erlöschens" der Approbation vom 30. September 1938, München 1988, S. 51-53
- Hans-Michael Körner (Hg.): Große Bayerische Biographische Enzyklopädie, Band 1 A-G, München 2005, S. 143
- Susanne Oechsle: Leben und Werk des jüdischen Wissenschaftlers und Kinderarztes Erich Benjamin * 1880 in Berlin † 1943 in Baltimore, München 2004 (Diss.med.)
