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April 2010

Reitersiegel Herzog Heinrichs XVI. von Bayern-Landshut von 1449 September 8

 

(Archiv der Ludwig-Maximilians-Universität, J-092)

 

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Da die mittelalterlichen Urkundenbestände des Universitätsarchivs keine Originale von Königen und Kaisern überliefern, zählen zu den repräsentativsten Siegelurkunden des Archivs besonders jene Stücke, die von den bayerischen Herzögen ausgestellt wurden. Das vorliegende Stück ist ein rundes, ungefärbtes braunes Wachssiegel des Landshuter Herzogs Heinrich XVI., der nach dem Tod seines Vetters Ludwig VII. des Gebarteten im Jahr 1447 das Teilherzogtum Bayern-Ingolstadt an sich ziehen konnte. Das an weiß-blauen Schnüren – wahrscheinlich aus Wolle – angehängte Reitersiegel ist dank der Verwendung einer nicht luftdicht abschließenden und später separat beigelegten Stoffhülle ziemlich gut erhalten und kaum berieben. Die Verwendung der bayerischen Landesfarben für die Siegelschnüre darf in Analogie zu jenen schwarz-gelben Schnüren gesehen werden, die seit Kaiser Karl IV. (1355–1378) für die Siegelbefestigung in der Reichskanzlei Verwendung fanden.

 

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Abbildung 1: Siegel des Herzogs Heinrich XVI. von Bayern-Landshut aus dem Jahr 1449.

 

Das Siegelfeld zeigt im gerauteten und mit vegetabilem Ornament geschmückten Dreizehnpass Heinrich XVI. im Stechzeug auf einem nach (heraldisch) links springenden und mit einer Pferdedecke versehenen Pferd. Der reitende Pfalzgraf und Herzog hält in seiner Linken einen dreieckigen, pfalz-bayerischen Wappenschild, während er in seiner Rechten die Lanze führt. Auch heute noch gut zu erkennen ist sein ihn schützender Helm in Form eines für das 15. Jahrhundert typischen Stechhelms, der mit Helmdecke und Helmzier ausgestattet ist. Helmzier, Fahnenlanze und Hinterläufe des Tieres ragen in die einzeilige Umschrift, die in gotischer Minuskel ausgeführt ist, die durch zwei Linien von Siegelfeld und Siegelrand abgegrenzt wird und wohl auf Höhe des Pferdekopfes beginnt:

 

Sigillum : henrici : comitis : palatini : reni : et : ducis : Bavarie [multitorum?]

 

Sollte die leider etwas beriebene und daher unsichere Buchstabenfolge, die etwas abgegrenzt oben mittig angebracht ist, tatsächlich mit „multitorum“ aufzulösen sein, wäre das insofern interessant, als sich dann Heinrich XVI. als Landesherr von vielen bayerischen Landesteilen titulieren würde. Dies ließe etwa auch an die Intitulatio der bayerischen Herzöge des 16. Jahrhunderts denken, die sich mit dem Titel Utriusque Bavariae Dux schmücken konnten.

 

Zu einer Bewertung des Siegels muss neben dem Siegel selbst auch die in der Urkunde niedergeschriebene Siegelankündigung berücksichtigt werden:

 

Des alles an warem urkunde ewiger gedachtnuss und ganczer beleiblikait geben wir
unnser eg[e]n[ann]t[e]n Stifte den unnsern brief mit unnser furstlichen anhangnnden
Mayiestat fur unns all unnser erben und nachkomen

 

Die Siegelankündigung spricht demnach von einer fürstlichen, anhängenden Majestät. Die Tatsache, dass das Wort „Siegel“ in dieser Ankündigung gar nicht auftaucht, zeigt das mittelalterliche Verständnis eines landesherrlichen Siegels, in welchem der Siegler selbst gegenwärtig wurde. Mit „Mayiestat“ darf folgerichtig das Siegel als Majestätssiegel angesprochen werden und man darf annehmen, dass sich Herzog Heinrich auf Grund seines kurfürstlichen Titels eines Pfalzgrafen bei Rhein erlauben konnte, sein Siegel als solches zu bezeichnen. Wie wir wissen, siegelte Heinrich XVI. bereits seit dem Jahr 1397, zunächst nur mit seinem Sekretsiegel, seit 1401 als Mitsiegler mit einem eigenen Hauptsiegel und schließlich seit 1404 allein und unabhängig als regierender Herzog. Das ausgewählte Reitersiegel aus seinem letzten Lebensjahr kann in Folge dessen als Höhepunkt der Siegelführung des Ersten der drei Reichen Herzöge von Bayern-Landshut gelten.

 

Von insgesamt drei Originalurkunden Heinrichs des Reichen im Universitätsarchiv, die alle von 1449 September 8 datieren, ist das vorliegende Reitersiegel zweifellos das prächtigste Siegel. Obwohl auch für spätere Wittelsbacher noch Reitersiegel belegt sind – etwa für Herzog Ludwig X. (1514–1545) – war die große Zeit dieses einst für Landesherrn charakteristischen Siegeltypus’ im 15. Jahrhundert bereits vorbei. Während Reitersiegel seit dem 11. Jahrhundert nachweisbar sind, erlebten sie vor allem im 13. Jahrhundert unter den hohen Adeligen eine Blütezeit. Schon im 15. Jahrhundert werden sie selten, ehe sie im 16. Jahrhundert nur noch in Ausnahmefällen zu finden sind.

 

Siegel Ludwigs X.
Abbildung 2 (aus: Erich Kittel, Siegel, S. 257): Siegel Herzog Ludwigs X. aus dem Jahr 1516 als Beispiel eines späten Reitersiegels.

 

Literaturauswahl:

- Karin KALTWASSER: Herzog und Adel in Bayern-Landshut unter Heinrich XVI. dem Reichen (1393–1450), Regensburg 2004. Besonders S. 81, 94.

- Bernhard GLASAUER: Herzog Heinrich XVI. (1393–1450) der Reiche von Bayern-Landshut. Territorialpolitik zwischen Dynastie und Reich, München 2009.

- Erich KITTEL, Siegel (= Bibliothek für Kunst- und Antiquitätenfreunde XI), Braunschweig 1970. Besonders S. 246–258.

 


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