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August 2011

Urkunde J 172 vom 26. September 1494

Ruprecht, der von 1492 bis 1507 Bischof von Regensburg und außerdem nicht regierender Herzog von Bayern war, bekundet, dass einst – wohl 1450/51 – Nikolaus Cusanus, Priester der römischen Titelkirche San Pietro in Vincoli, Kardinal und Legat des Apostolischen Stuhls für Deutschland, allen Gläubigen, die die Marienkirche in Neuses (Gem. Altmannstein, Lkr. Eichstätt) in der Diözese Regensburg innerhalb eines Jahres an 15 Festtagen andächtig aufsuchen und zur Wiederherstellung, Erhaltung und Instandhaltung der Kirchengebäude und deren Ausstattung etwas spenden, einen (Jubel-)Ablass von jeweils 100 Tagen zugestanden hat, und dass es darüber eine Urkunde gibt, die mit dem Siegel des Apostolischen Legaten besiegelt ist.

Quoniam dudum Reverendissimus pater et dominus dominus Nicolaus miseracione
divina tituli sancti Petri ad Vincula Sacro sancte Romane ecclesie presbyter
Cardinalis Apostolice sedis per Alamaniam legatus ex speciali fervore caritatis
Universis et singulis utriusque sexus Christi fidelibus qui ecclesiam beate marie
virginis in Newsäss nostre diocesis in Nativitatis Circumcisionis Epiphanie
Resurrectionis Ascensionis et corporis domini nostri jesu Christi ac Penthecostes
necnon Nativitatis Purificacionis Anunciacionis Assumpcionisque beate marie virginis
et Nativitatis beati Johannis Baptiste dictorumque Petri et Pauli apostolorum necnon
ipsius ecclesie dedicacionis et patrone festivitatibus Celebritate quoque omni
sanctorum eandem ecclesiam devote visitaverint annuatim et ad reparacionem
conservacionem et manutencionem structurarum et edificiorum necnon Calicum
librorum et aliorum ornamentorum ecclesiasticorum eiusdem ecclesie manus
porrexerint adiutrices concessit Centum dies Indulgenciarum in singulis festivitatibus
huiusmodi prout in litteris patentibus desuper confectis ac Sigillo eiusdem domini
legati appendentibus sigillatis plenius continetur et habetur

Dem guten Beispiel des Nikolaus von Kues folgend, erklärt Bischof Ruprecht, dass nun er selbst, 44 Jahre nach dem Jubelablass von 1450, allen Gläubigen, die die erwähnte Kirche an den genannten Festtagen besuchen, einen Ablass von 40 Tagen für auferlegte Sündenstrafen gewährt.

Diese 40 Tage waren im deutschen Spätmittelalter das übliche Quantum, das Bischöfe als Ablassspender gewähren konnten. Mit der hier vorgestellten Urkunde setzte Bischof Ruprecht sein Ablassgebaren in seiner Diözese fort, denn erst am 12. August des Jahres 1493 oder 1494 stellte der Bischof eine sehr ähnliche Urkunde für das Kloster Mallersdorf (Lkr. Straubing-Bogen) aus, die sich allein hinsichtlich der Spender des 100-tägigen Ablasses in Person von vier Kardinal-Bischöfen, vier Kardinal-Priestern und zwei Kardinal-Diakonen, sowie hinsichtlich des Wallfahrtsziels unterscheidet. In der hier vorgestellten Urkunde gewährt der Bischof:

Nos huiusmodi Indulgencias ratas et gratas habentes et quatenus opus est auctoritate
ordinaria admittentes et approbantes Cum eodem domino legato in tam pio opere
concurrere cupientes Omnibus utriusque sexus Christi fidelibus dictam ecclesiam in
supramencionatis festivitatibus devote visitantibus et ad reparacionem
conservacionem et manutencionem ac alia premissa manus porrigentibus adiutrices
de omnipotentis dei misericordia ac beatorum Petri et pauli apostolorum eius
auctoritate confisi Quadraginta dies de Iniunctis eis penitencys pro vice qualibet in
domino misericorditer relaxamus Praesentibus perpetuis futuris temporibus duraturis

Urkunde J-172

Wie sehr die Marien-Wallfahrt nach Neuses seit dem 14. Jahrhundert lebendig ist, lässt sich auch heute noch am Festtag Mariä Himmelfahrt, dem 15. August erleben, wenn in Neuses Kirchweih gefeiert wird. Ob die Wallfahrer aus dem Ingolstädter Raum, von Südwesten kommend, bereits im Mittelalter im Schatten der nur rund 2 km westlich von Neuses gelegenen und damals noch jungen Bavaria-Buche eine letzte Rast einlegten, darüber schweigt die hier vorgestellte Quelle freilich.

Kirche von außen                     Kircheninneres mit Marienstatue und Wallfahrtskerzen

Kirche von außen         Kircheninneres mit Marienstatue und Wallfahrtskerzen

Es dürfte ein weit verbreiteter „Irrglaube“ sein, dass das Ablasswesen eine dunkle Erscheinung des Mittelalters ist und heute nicht mehr existiert. Nach der derzeit gültigen vierten Auflage des Ablassverzeichnisses Enchiridion indulgentiarum des Jahres 1999 gewährt die Apostolische Pönitentiarie auch heute noch frommen Christen Plenar- und Teilablässe. Wenngleich die Berechnung des Erlasses zeitlicher Sündenstrafen seit der Reform des Ablasswesens durch Papst Paul VI. 1967/68 ohne ein genaues Zeitmaß auskommt, so kann ein moderner Wallfahrer auch heute noch am Titularfest der Marienkirche in Neuses einen Ablass von seinen Sündenstrafen erlangen. Wer sich nicht auf den Weg nach Neuses machen will und trotzdem einen Ablass begehrt, der kann an Ostern oder Weihnachten auch das Fernsehgerät für den Segen Urbi et Orbi einschalten, das Magnificat beten oder andächtig das Kreuzzeichen machen.

Literaturauswahl:

- Monumenta Mallerstorfensia, in: Monumenta Boica, Band XV, München 1787, S. 245–434, hier S. 357–359.

- Nikolaus PAULUS, Geschichte des Ablasses am Ausgang des Mittelalters, Darmstadt 22000, besonders S. 40–44, 160–162, 189–192.

- Enchiridion indulgentiarum, Normae et concessiones, Rom 41999 (zuletzt auf deutsch: Handbuch der Ablässe, Normen und Gewährungen, Bonn 2008).

- Herbert VORGRIMLER, Der Ablass, in: Handbuch der Ablässe, Normen und Gewährungen, Bonn 2008, S. 1–15.

AK


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