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Februar 2011

Erwerb von Flugschriften zur Landtagsfrage bei der Universitätsbibliothek und bei Paul Hupfauer, um 1800, Archiv der Ludwig-Maximilians-Universität, X-V-3 und Bibliothek des Herzoglichen Georgianums, 8º Hist. prof. 5(4

Die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert war eine Umbruchszeit, insbesondere im Kurfürstentum Bayern unter dem Reformminister Maximilian Joseph von Montgelas (1799–1817). Um das „neue System“, also das Prinzip vom Staatsabsolutismus, durchzusetzen, strebte Montgelas von Anfang an die Abschaffung der Landstände (Adel, Bürger und Prälaten) an; die Landschaft beanspruchte nämlich ein weitgehendes Mitspracherecht in allen, das Kurfürstentum betreffenden Angelegenheiten und war darüber hinaus der größte Gerichts- und Grundherr in Bayern. Die Landstände dachten jedoch nicht daran, auf ihre althergebrachten Rechte zu verzichten, beanspruchten vielmehr für sich allein das Recht, das Kurfürstentum nach innen und außen zu repräsentieren. Als Zugeständnis an die öffentliche Meinung schaffte die Regierung die Zensur ab mit der Folge, dass eine Vielzahl von meist anonymen Flugschriften den Markt überschwemmte. Hierunter fanden sich Werke, die der Landschaft in altständischer oder reformständischer Couleur das Wort redeten, dann Schriften, welche die Position der Regierung vertraten, und schließlich demokratisch-republikanische Veröffentlichungen, diese allerdings in der Minderheit. Die Flugschriften waren eine nicht zu unterschätzende Waffe in den Händen der Landstände, insbesondere ab 1800 bei der Ventilierung der Frage, ob man – nach über 130 Jahren – wieder einen Landtag einberufen sollte; nach Ende des letzten bayerischen Landtages 1669 hatten die Stände einen Ausschuss, die sog. „Landschaftsverordnung“, mit der Führung ihrer Geschäfte betraut. Die Regierung hintertrieb jedoch mit Erfolg die Einberufung eines Landtags, nicht zuletzt eingedenk der Folgen, die das Zusammentreten der Generalstände in Frankreich gehabt hatte.

In Ingolstadt bzw. Landshut, wohin die bayerische Landesuniversität 1800 verlegt worden war, wurden diese Flugschriften begierig zur Kenntnis genommen und eigens für die Universitätsbibliothek erworben. Verantwortlich für den Erwerb war der als Universitätsbibliothekar wirkende pensionierte Propst von Beuerberg Paul Hupfauer (1747–1808). Durch einen Zufall haben sich im Archiv der Ludwig-Maximilians-Universität München die von Hupfauer eigenhändig geführten Zugangsbücher erhalten. Sie erlauben einerseits Rückschlüsse darauf, ob die Bibliothek bei ihrer Bücherbeschaffung auf der Höhe ihrer Zeit war, andererseits auf die Preise, zu denen jene Flugschriften gehandelt wurden. Vom generellen Zuschnitt würde man aus heutiger Sicht anspruchsvolle juristische Traktate erwarten. Tatsächlich stößt der Leser aber auch auf Satirisches, womit man breitere Volksschichten ansprechen wollte, etwa im Zuge der geplanten Errichtung einer Süddeutschen Republik. Ob es sich bei einer Flugschrift um eine Satire handelte, konnte anhand des Titels nicht immer einwandfrei entschieden werden. Selten fällt die Entscheidung so leicht wie im folgenden Fall: „Glaubwürdiger Bericht des berühmten Arztes Dr. Schlendrian über die bedenklichen Krankheitsumstände der baierischen Landschaftsverordnung. Schwäbingen. 1802. [Format:] 8. [Quittung:] N. X. 78. [Preis:] 12 x.“ Schwieriger gestaltet sich die Entscheidung im nächsten Fall: „Bittliche Vorstellung der Gemeinde Höhenlinden in Baiern an die hochlöbliche Landschaft“, erschienen in der Reihe „Präliminarien eines neuen Landtages in Baiern. 7te Lieferung. 1801. 8. N. XI. 3. 9 x.“ Zwei namentlich genannte Vertreter der Gemeinde Hohenlinden (Lorenz Ehrlich und Ignaz Schwarz) treten am 30. April 1801 mit der Bitte an die Stände heran, die Universität von Landshut nach Hohenlinden zu verlegen als Entschädigung für die Verheerungen in Folge der Schlacht von Hohenlinden am 3. Dezember 1800. Hier kann nur aus zeitgenössischen Quellen der Rückschluss gezogen werden, dass die Bitte der Hohenlindener reine Fiktion ist. Paul Hupfauer sammelte die Flugschriften nicht nur für die Universitätsbibliothek, sondern parallel auch für seine Privatbibliothek, von der sich Teile in der Universität und im Georgianum erhalten haben. Die Hupfauer’schen Sammelbände mit teilweise ansonsten nicht nachweisbaren Kleinschriften stellen eine kulturgeschichtliche Kostbarkeit dar, die es wert wäre, in ihrer Zusammensetzung genauer untersucht zu werden. Hupfauer plante übrigens selbst eine Flugschrift zur Landtagsfrage, kam aber bedauerlicherweise über die entsprechende Materialsammlung nicht hinaus.

CS

Zugangsbücher

Zugangsschriften          Zugangsbücher          Zugangsbücher

Bittliche Vorstellung der Gemeinde Hohenlinden

Bittliche Vorstellung der Gemeinde Hohenlinden          Bittliche Vorstellung der Gemeinde Hohenlinden          Bittliche Vorstellung der Gemeinde Hohenlinden

Zum Flugschriftenkampf:

Jutta Seitz, Die landständische Verordnung in Bayern im Übergang von der altständischen Repräsentation zum modernen Staat (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 62), Göttingen 1999

Zu Hupfauer:

Michael Schaich, Ein Chorherr im Dienste der Säkularisation. Paul Hupfauer und das Ende der bayerischen Klosterbibliotheken 1802/03, in: Rainer A. Müller (Hg.), Kloster und Bibliothek. Zur Geschichte des Bibliothekswesens der Augustiner-Chorherren in der Frühen Neuzeit (Publikationen der Akademie der Augustiner-Chorherren von Windesheim 2), Paring 2000, 217–292

Zur Universitätsbibliothek:

Ladislaus Buzas, Geschichte der Universitätsbibliothek München, Wiesbaden 1972

Zur Georgianumsbibliothek:

Claudius Stein, Die Bibliothek des Herzoglichen Georgianums, in: Manfred Weitlauff – Claudius Stein (Hg.), Das Herzogliche Georgianum in München. Strukturelle Untersuchungen zu seiner historischen und gegenwärtigen Gestalt (Münchener Theologische Zeitschrift 2010/4), St. Ottilien 2010, 362–379

Zur Bittlichen Vorstellung der Gemeinde Hohenlinden:

Cornelia Oelwein, Universitätsstadt Hohenlinden?, in: Land um den Ebersberger Forst 7 (2004) 67–75 


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