Universitätsarchiv
print

Links und Funktionen

Navigationspfad


Inhaltsbereich

Mai 2011

Der Wunsch nach möglichst vielen hochqualifizierten Fachkräften und Akademikern ist gegenwärtig gesellschaftlicher Konsens in der Bundesrepublik. Tatsächlich studieren derzeit so viele junge Menschen an deutschen Universitäten wie noch nie zuvor. In Bayern entfalten nun in diesen Tagen zwei politische Entscheidungen der jüngsten Vergangenheit ihre volle Wirkung. Infolge des doppelten Abiturjahrgangs sowie der Aussetzung der Wehrpflicht werden sich für das Sommersemester 2011 bis zu doppelt so viele Studenten an bayerischen Hochschulen einschreiben wie sonst üblich. Was angesichts der anfangs genannten Prämisse durchaus wünschenswert und für die Zukunft fruchtbringend erscheint, stellt die Universitäten vor immense Herausforderungen. Neben dem entsprechenden Lehrpersonal müssen sie vor allem für ausreichend Räumlichkeiten Sorge tragen, um dem zu erwartenden Zulauf an bildungshungrigen Studenten annähernd gerecht werden zu können. 

Der LMU ist die Konfrontation mit steigenden Studierendenzahlen nicht neu. Versprach der vor exakt 100 Jahren, 1911, eingeweihte Erweiterungsbau des Hauptgebäudes von German Bestelmeyer anfangs hinreichend räumliche Kapazität für lange Zeit zu bieten, so entwickelten sich die Immatrikulationen im Laufe des 20. Jahrhunderts doch in so stark wachsendem Maße, dass Platzmangel an der LMU zur stetig aktuellen Problematik wurde. Unser Stück des Monats Mai, ein Auszug aus einem Protokoll einer Senatssitzung von 1957, thematisiert konkret den akuten Raummangel, der in den späten 1950er Jahren herrschte.

Unter dem Tagesordnungspunkt „Baufragen“ heißt es: „Wie der Prorektor mitteilt, könnten im Schweizer-Haus, im Filmkasino, Alemania-Haus, sowie im Marmorhaus und im Goethesaal für Vorlesungszwecke in den Vormittagsstunden Säle zwischen 200-650 Plätzen angemietet werden. Zur Behebung der Hörsaalnot wäre auch die Errichtung eines scheunenartigen Hörsaalbaues für ca. 800 Hörer zum Preise von ca. 200 000 DM möglich.“ Ob Anmietung von Kinosälen oder Errichtung von Notunterkünften – die aus den Medien geläufigen Lösungsansätze von 2011 sind der LMU schon lange eine Option.

Ein Jahr später, 1958, referierte Rektor Egon Wiberg einem geladenen Hörerkreis seine Sorgen um die räumlichen Notstände. Für die Universität und ihre beengten Verhältnisse fand Wiberg eine eingängige Metapher. Er verglich die Alma mater mit einem Kind, das Ludwig der Reiche einst in jugendlichem Überschwang in die Welt gesetzt habe, inzwischen aber zu einer 500jährigen jungen Dame geworden sei, ihren Kinderkleidern längst entwachsen. Wiberg damals weiter: „Zwar bemüht man sich, durch Auftrennen der Nähte, Einfügen neuer Stoffreste und Aufsetzen von Blenden die üppig wachsenden Formen, die ihre Hüllen an allen Ecken und Enden sprengen, notdürftig zu verdecken und in ein viel zu enges Kleid einzuzwängen. Doch können alle diese Notmaßnahmen nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich der Vater des jungen Mädchens, und das ist heute der Bayerische Staat, dazu durchringen muß, seiner herangereiften Tochter in naher Zukunft einmal ein ganz neues, repräsentatives Gewand anzuschaffen.“

Abdruck der Rede Egon Wibergs

Es waren „Pflegeväter“ wie Wiberg, die es mit ihrem engagierten Einsatz verstanden, das heranwachsende Kind Ludovico-Maximilianea stets auch unter schwierigen Bedingungen neu und passend einzukleiden. Der Blick in die Vergangenheit ermutigt, dass die LMU auch diesmal die anstehenden Herausforderungen zu meistern weiß.

MM

Literatur:

Egon Wiberg: Sorgen eines Rektors, in: Jahrbuch der Ludwig-Maximilians-Universität 1957/58, München 1958, S. 162-172.

Smolka, Wolfgang J.: Expansion und Wiederaufbau 1945-2000, in: Die Ludwig-Maximilians-Universität in Geschichte und Gegenwart, herausgegeben vom Präsidium der Ludwig-Maximilians-Universität München, 3., vollständig neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Haar bei München 2010, S. 150-185.


Servicebereich