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Oktober 2011

Photo mit den Verschalungen für die Errichtung der Kuppel und der Kreuzarme

Studierten zu der Zeit, als Friedrich Gärtner das Universitätsgebäude an der Ludwigstraße errichtete, etwa 1350 Studenten an der Ludwig-Maximilians-Universität, waren es um 1900 bereits mehr als dreimal soviel, knapp fünfeinhalbtausend. Auch wenn in den Jahren zuvor einige naturwissenschaftliche Institute ausgelagert worden waren und man noch 1902 den Nordflügel des Gärtnerbaus verlängerte, um weitere Räume zu gewinnen, war der Ursprungsbau, der vor allem von den „Papierwissenschaften“ genutzt wurde, damit deutlich zu klein geworden. Nachdem der bayerische Landtag im Dezember 1905 die erforderlichen Mittel bewilligt hatte, sah sich die Universität in der Lage, für die Summe von 1 ½ Millionen Mark mehrere, an der Amalienstraße gelegene Anwesen anzukaufen. Im Sommer 1906 konnten die Bauarbeiten beginnen. Die Vorplanungen übernahm der Regierungsarchitekt Ludwig von Stempel, den Detailentwurf lieferte German Bestelmeyer (1874–1942), ein Schüler von Friedrich Thiersch. Auch die Bauleitung übernahm der gerade erst 32jährige. Seine größte Herausforderung dürfte gewesen sein, den Neubau in geeigneter Weise an den Altbau anzubinden und zugleich die Bauaufgabe Universität zeitgemäß zu gestalten. Wie ein Längsschnitt durch das Gebäude aus dem Juni 1906 zeigt, bestand die Lösung darin, das alte Treppenhaus aus dem Gärtner-Vorgängerbau als Scharnier zu nutzen und zu einem repräsentativen Lichthof („Zentralhalle“) mit seitlichen Säulenumgängen hin zu öffnen, der die beiden Bauten organisch verband.

 

Längsschnitt

Westlich des Lichthofes fügte er einen neuen großdimensionierten Hörsaal an, das Auditorium maximum, das um die 1000 Besucher faßte und auf dem neuesten technischen Stand war, sowie eine weitere Säulenhalle als Vestibül zur westlichen Eingangsfassade. Der architektonische Gedanke läßt sich im Lichthof gut nachvollziehen. Der weitgespannte Raum (maximale Länge 41 m, Höhe 26 m), der gleichermaßen den Verkehrsstrom der Besucher bündeln wie repräsentativer Nukleus des Gebäudes sein sollte, ist von einem kreuzförmigen Kassettengewölbe überwölbt, an dessen Schnittstelle eine elipsoide Kuppel aus Eisenbeton mit großem Oberlicht sitzt und dessen östlicher tonnengewölber Arm über eine Säulenhalle zum Altbau geführt wird. Die Gestaltung des Gewölbes, aber auch die der Umgänge und Bogenstellungen, erinnert insgesamt an die Formensprache spätantiker Bauten, ohne daß ein konkretes Vorbild zitiert würde. In diese Richtung verwiesen auch Details wie die heute nicht mehr vorhandenen Messingampeln, besonders aber der dezidierte Einsatz dekorativer Gesteinsarten, womit man, einem ausführlichen Bericht der Augsburger Abendzeitung (31.10.1908) nach, dem Prinzip folgte, „das Material als solches zur Wirkung gelangen zu lassen“: Für die Türrahmen, die Wandplattenverkleidungen und die Pfeiler im Erdgeschoß setzte Bestelmeyer grauen Schnöllmarmor aus den Brüchen bei Hallein in Tirol ein. Die Umgänge im ersten Obergeschoß, durch kostspieligeren Materialaufwand als Hauptgeschoß gekennzeichnet, tragen Rundsäulen aus Cipolin-Marmor, deren Kapitäle aus Sterzinger-Marmor gefertigt sind; im Umgang im Treppenhaus sind sie aus statischen Gründen ersetzt durch Säulen aus blauem Treuchtlinger-Marmor mit Kapitälen aus Laaser-Marmor. Außerdem rahmen Portale aus edlem gelben Siena-Marmor die mit Kirschbaumholz eingelegten Türen zu den Hörsälen. Zur künstlerischen Ausgestaltung, die insgesamt einen quasisakralen, jedoch mit mythologischen Inhalten gefüllten Eindruck erweckt, gehören verschiedene Bildmosaiken sowie eine durchgängige Ausstattung mit Bodenmosaiken nach Entwürfen von Wilhelm Köppen. In Parallele zu anderen zeitgenössischen Programmen, etwa der Villa Stuck, dominieren hier antike Motive, wie das von Schlangen und bekrönten Adlern umgebene Medusenhaupt im Zentrum des Lichthofs. Der Lichthof war von den Kriegsschäden besonders betroffen; Teile des Gewölbes und die Arkaden der Südseite waren eingestürzt und lange Zeit nur gesichert. Über die Form ihrer Wiederherstellung war man geteilter Meinung; zunächst wurde eine vereinfachte Version präferiert. Der Landesbaukunstausschuss befand jedoch 1956, daß damit „das Aroma des Ornaments“ fehle, so daß die ursprüngliche Fassung nach den Plänen Bestelmeyers wiederhergestellt wurde.

Gabriele Wimböck


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