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September 2011

Romphotographien von Gioacchino Altobelli

Das Universitätsarchiv München bewahrt ein Konvolut von 49 Photographien aus der frühen Zeit dieses Mediums. Die Abzüge auf Albuminpapier dokumentieren eine Stadt und ihre Umgebung um 1860/70. Obwohl seit den Aufnahmen rund anderthalb Jahrhunderte vergangen sind, fällt die Bestimmung des porträtierten Ortes leicht.

Die drei hier vorgestellten Photographien zeigen querschnittsartig den Interessensschwerpunkt Altobellis, nämlich antike Ruinen, neuzeitliche Bauten und römisches Volksleben.

Das dicht besiedelte und eng bebaute Pantani-Viertel mit dem Velia-Hügel bedeckte bis zu beider Eliminierung unter Benito Mussolini den Bereich der heutigen Kaiserforen. Der seit der Spätantike aufgehäufte Zivilisationsschutt begrub bis zur Faschistischen Ära die Colonnacce, also die beiden vom Nerva-Forum noch erhaltenen Säulen, zu zwei Dritteln. Das einprägsame Motiv wurde oft reproduziert, allerdings mit kleineren Variationen: etwa hinsichtlich der Bäckerei, die sich in der Tempelwand eingenistet hatte und deren Produkte mit gewissem Recht als „antico“ beworben wurden. Links von den Colonnacce steht damals wie heute eine hohe, dicke Tuffmauer, die in der Antike den noblen Bereich der Foren von dem dahinter liegenden berüchtigten Wohnviertel Suburra abtrennte. Das sich heute dort ausbreitende Monti-Viertel erinnert in seiner vom Tourismus wenig berührten Volkstümlichkeit an die antike Suburra.

                                   Colonnacce

Einer der Glanzpunkte des neuzeitlichen Rom ist die Plattform des Quirinal-Hügels mit der Trias Palast, Consulta und Skuderien. Inmitten befanden sich ursprünglich nur die Phidias und Praxitelis zugeschriebenen, stark ergänzten Skulpturen der Rossebändiger (daher auch die italienische Bezeichnung für den Quirinal als Monte Cavallo). Das heutige Ensemble mit Brunnenschale und ägyptischem Obelisk existiert seit Papst Pius VII. (1800–1823) und bildet nach der Porta Pia den anderen fulminanten Schlusspunkt der heutigen Via Venti Settembre. Einer der Nachfolger, Papst Pius IX. (1846–1878), ließ umfangreiche, auch im Bild erkennbare Eingriffe in der Platzgestaltung vornehmen, etwa durch ein allseits gleiches Niveau und durch neue Zugangsrampen. Nach Abschluss der Arbeiten soll er, wenig überzeugt von den Neuerungen, gefragt haben, was es denn kosten würde, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen?    

                                   Rossebändiger

Das römische Volksleben scheint auf die angeblich unterkühlten Bewohner der nordischen Länder immer schon eine besondere Faszination ausgeübt zu haben. Bartolomeo Pinelli, ein Radierer des frühen 19. Jahrhunderts, erlangte mit seinen diesbezüglichen Darstellungen sogar lang anhaltenden Ruhm. Fonds solcher Genreszenen war bevorzugt das vom Viehhandel belebte Forum Boarium am Tiber. Zu den Bestandteilen dieses Forums gehörte beispielsweise der zu Ehren von Septimius Severus errichtete Geldwechslerbogen, an den man später die Kirche San Giorgio in Velabro anbaute. Es ist unschwer zu erkennen, dass die Szene nur für das Objektiv des Photographen aufgeführt wurde: Eine wilde Rauferei von Heranwachsenden hat bereits zwei Schaulustige auf den Plan gerufen. Mitten im Handgemenge ein Mann im weißen Hemd, der einen Stock ergriffen hat und im Begriff ist, damit ordnend einzugreifen.

                                   Geldwechslerbogen

Wie und zu welchem Zeitpunkt die Photographien ins Universitätsarchiv gelangten, ist nicht bekannt. Anders steht es um die Identität des Photographen. Dank eines Stempels, den manche der Objekte aufweisen, kann die Serie dem Atelier von Gioacchino Altobelli (1814–nach 1878) zugeschrieben werden.

Der Lebensweg des Italieners ist durchaus typisch für die Photographen seiner Generation. Zunächst nämlich besuchte Altobelli die Kunstakademie in Rom und war dort als Historien- und Porträtmaler tätig. Bald schwenkte der Künstler jedoch über auf das immer erfolgreichere Medium der Photographie. Zu seinem Repertoire zählten fortan auch Ansichten der Ewigen Stadt als Andenken für Bildungsreisende, wie es unsere Sammlung gewesen sein dürfte.

Altobellis kostbare Photographien gehören zum Kustodiebestand des Universitätsarchivs und sind nicht öffentlich zugänglich. Zwei Exemplare jedoch können derzeit in der kleinen Sonderausstellung „Romreisen und Romandenken vom 17. ins 19. Jahrhundert“ in der Bibliothek des Universitätsarchivs betrachtet werden.

MM/CS

Literatur:

Rott, Herbert W. / Siegert, Dietmar (Hrsg.): Rom 1846-1870. James Anderson und die Maler-Fotografen Sammlung Siegert, München 2005, S. 96-105 et passim.

Dewitz, Bodo von u. a. (Hrsg): Italien. Sehen und Sterben. Photographien der Zeit des Risorgimento (1845-1870), Köln 1994. 


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