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November 2012

Erasmus in der Bibliothek des Herzoglichen Georgianums
(BHG, 8° Philolog. 470, jetzt Handschriften- und Zimeliensammlung  8° 40)

Die Bibliothek des Herzoglichen Georgianums (BHG) in München verfügt über etwa 12.000 Titel mit Erscheinungsjahr vor 1800, die bisher nur durch handschriftliche Standortkataloge erschlossen sind, seit 2011 jedoch sukzessive im OPAC der Universitätsbibliothek München (UBM) nachgewiesen werden. Dieser Altbestand setzt sich im Wesentlichen zusammen aus der 1818 annähernd komplett übernommenen Bibliothek des Jesuitenkollegs Landshut und an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert aus Dublettenüberweisungen der Universitätsbibliothek, als diese zusammen mit Hochschule und Georgianum noch in Ingolstadt bzw. Landshut untergebracht war. Der Münchener Mediävist Paul Lehrmann erkannte 1939/40 als erster, dass Forschungen zu Handschriftenfragmenten und Vorbesitzern in der UBM aufgrund der komplementären Bestandsgeschichten immer auch im Georgianum ansetzen müssen und exemplifizierte dies anhand des auf beide Bibliotheken verteilten Büchernachlasses des Ingolstädter Theologen Johann Eck (†1543). Dass bei Dublettenausscheidungen in früheren Zeiten oftmals prominente Vorbesitzer oder handschriftliche Randbemerkungen keine Rolle spielten, vielmehr schlicht das schöner gebundene oder besser erhaltene Exemplar behalten wurde, zeigt jüngst ein herausragender Fund im Georgianum.

Abbildung Buch     Abbildung Buch     Abbildung Korrekturen

Den Grundstock zur Ingolstädter Universitätsbibliothek von 1573 legte der Augsburger Bischof Johann Egolph von Knöringen (†1575), gekennzeichnet jeweils durch die von Jost Amman entworfenen Exlibris in verschiedenen Größen und Ausführungen. Teil dieser Schenkung war der Büchernachlass seines Lehrers, des Humanisten Heinrich Glarean (†1563). Glarean wiederum war gut befreundet mit Erasmus von Rotterdam (†1536) und erzählte ihm – so die Anekdote – von nach Paris gekommenen Griechen, die eine von der gewöhnlichen (also Reuchlin’schen) völlig abweichende Aussprache des Griechischen hätten, wovon er einige Beispiele anführte. Sobald Erasmus diese vernommen, schrieb er seinen Dialog „de recta latini graecique sermonis pronuntiatione“ (Basel: Hieronymus Froben 1528), um für sich selbst die Ehre der Entdeckung zu reklamieren. Auf dem Boden der Tatsachen stehen wir mit der Widmung an Glarean, die Erasmus handschriftlich auf dem Titelblatt eintrug: „D[omino]. Henrico Glareano Eras[mus]. Rot[erodamus]. D[onum]. D[edit]. Correcturo“, also Erasmus von Rotterdam schenkte diese Buch Herrn Heinrich Glarean zur Verbesserung. Dass Glarean diesen Auftrag wörtlich nahm, beweisen die zahlreichen, über den ganzen Band verteilten, für ihn so charakteristischen Randbemerkungen und der vorgebundene einseitige Katalog mit  Schlagwörtern. Glarean verrät uns auch, dass die beiden Gesprächspartner Ursus und Leo niemand anderes sind als er selbst und Erasmus, was so noch nicht bekannt ist. Ein weiterer Eintrag von der Hand des Erasmus am Ende des Buches wurde durch Beschneiden beim Binden verstümmelt. Ein exzeptioneller Fund wie dieser zeigt, wie lohnend es ist, nebenher bei Erschließungsarbeiten im Altbestand Vorbesitzerforschung zu betreiben, zumal das Herzogliche Georgianum in dem bibliographischen Verzeichnis der „Erasmusdrucke des 16. Jahrhunderts in bayerischen Bibliotheken“ (1979) keine Berücksichtigung fand.

Darstellung Erasmus          Darstellung Glarean

CS

Literatur:

Claudius Stein, Die Bibliothek des Herzoglichen Georgianums in München, in: Bibliotheksforum Bayern 2010/1, S. 43–47; auch als Online-Fassung

Claudius Stein, Erasmus in der Bibliothek des Herzoglichen Georgianums, in: Bibliotheksforum Bayern 2012/3, S. 158 f.; auch als Online-Fassung


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