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Dezember 2013

Peter Apian, „Coss oder Algebre“, 1524
Archiv und Sammlungen des Herzoglichen Georgianums, 4° Ms 50

Bei Provenienzforschungen in der Bibliothek des Herzoglichen Georgianums tauchte am Standort 8° Mat.-Nat. 63 Anfang 2013 ein Sammelband unter Koperteinband aus Pergament auf, der auf dem Buchrücken mit „Rechnungsbuch“ bezeichnet war. Aufmerksamkeit erweckte der Sammelband zunächst aufgrund des Besitzvermerkes „Leonhardt Müntzer Ambergensis“ auf dem Titelblatt. Leonhard Müntzer (1538–1588) war Amberger Stadtkämmerer und betätigte sich als solcher als Gelegenheitsdichter und Laientheologe. Über ihn ist jüngst eine Monographie aus der Feder von Manfred Knedlik erschienen.

Titelblatt

Der Sammelband enthält neben dem ersten Werk (Christoph Rudolff, Behend vnnd Hubsch Rechnung durch die kunstreichen regeln Algebre so gemeincklich die Coss genen[n]t werden. Darinnen alles so treülich an tag gegeben, das auch allein auß vleissigem lesen on allen mündtliche[n] vnterricht mag begriffen werden. Hindangesetzt die meinu[n]g aller dere, so bißher vil vngegründten regeln angehangen. Einem jeden liebhaber diser kunst lustig vnd ergetzlich, Straßburg: Cephaleus 1525) noch ein zweites Werk, eine Handschrift auf Papier mit 69 unbezeichneten Blättern, betitelt: „Hie Nachvolgt die 24 Regell die genant werdenn Coss oder Algebre, welchs gemacht hat Mahumet“.

Zweites Werk

Dieses Manuskript erweckte nicht weniger Aufmerksamkeit. Eine Reihe von Untersuchungen nach Umstellung in die Handschriften- und Zimeliensammlung des Herzoglichen Georgianums erbrachte die folgenden Ergebnisse von größter Bedeutsamkeit.

In einem auf Regensburg, den 15. Mai 1524 (Heilig Geists Tag) datierten elfzeiligen Gedicht am Textende verwies der nicht genannte Verfasser darauf, diese Coss unter dem Einfluss Peter Apians vollendet zu haben. Mit Peter Apian (1495 oder 1501–1552) wirkte nach Wanderjahren, die ihn auch in die Reichsstadt Regensburg führten, seit 1526 einer der namhaftesten Mathematiker, Astronomen, Geographen und Kartographen der Zeit an der Universität Ingolstadt. Das Gedicht im Wortlaut: „Damit sey beschlossen / Die Edel und Kunstreuch Coss / Darumb sag wir got lob und er / Der uns hat gebenn disen ler / Das ist fur war geschehen / Da man 1524 Jar that Zellen / Das ich di Kunst volend hab / Ist geschehen an des heiligen geists tag / Petrus Apianus ist sein namen / Der di Kunst zu Regenspurg hat angenommen / got helff uns vor allem Ubel amen.“ (Transkription Albert Kopp, M.A.)

Gedicht

Belegt ist, dass sich unter Peter Apians nicht veröffentlichten und heute verschollenen Werken eine Coss befand. Womöglich kann anhand der Handschrift im Herzoglichen Georgianum Peter Apians Coss in Aufbau und Inhalt rekonstruiert werden. Hierfür sind Untersuchungen der Textgestalt, aber auch des Wasserzeichens notwendig, denn der Standort der Papiermühle lässt Rückschlüsse zu auf den Entstehungsort des Manuskripts.

In den Rechenbeispielen werden nur gängige Orte genannt mit einer Ausnahme, die zudem mit einer Illustration versehen ist: „Des Gumppenpergers Domus“ und „Des Portners Domus“ neben einem Turm („Turris“). Vielleicht verweist diese Ausnahme ebenfalls auf Regensburg. Jedenfalls hielt sich Peter Apian 1522/23 in Regensburg auf. Mit dem Gumppenberger-Haus könnte der Domherrenhof des Ambrosius von Gumppenberg (ca. 1501–1574) gemeint sein. Gumppenberg ist bekannt für seine Autobiographie, insbesondere für den darin enthaltenen Zeitzeugenbericht über den Sacco di Roma von 1527.

Rechenbeispiel

Der Sammelband gelangte 1672 in die Bibliothek des Landshuter Jesuitenkollegs. Zeitweise befand er sich im Besitz von Johann Jakob de Angelis, der 1748 als Disputant der Rechtskunde an der Universität Innsbruck nachgewiesen ist. Schließlich kam der Sammelband 1818 zusammen mit der Bibliothek des inzwischen aufgehobenen Landshuter Jesuitenkollegs ins Herzogliche Georgianum. Dass die Landshuter Jesuiten ausgesprochen naturwissenschaftlich interessiert waren, beweisen etwa weitere Titel von Apian in ihrer Bibliothek. Die hier zu sehenden Ausschnitte zeigen Beispiele zur Errechnung bzw. Messung der Höhe von Türmen. Damit schließt sich der Kreis zu Apians Turm.

Titel von Apian         Titel von Apian

CS

Literatur

Zu Peter Apian

Christoph Schöner, Mathematik und Astronomie an der Universität Ingolstadt im 15. und 16. Jahrhundert (Ludovico Maximilianea 13), Berlin 1994

Karl Röttel (Hg.), Peter Apian. Astronomie, Kosmographie und Mathematik am Beginn der Neuzeit mit Ausstellungskatalog, Buxheim/Eichstätt 1995

Zu Ambrosius von Gumppenberg

Ferdinand Gregorovius, Gumppenbergs Bericht vom Sacco di Roma, in: Ders., Kleine Schriften zur Geschichte und Cultur, Bd. 1, Leipzig 1887, 182– 264

Wilhelm Liebhart, Papst Clemens VII., Ambrosius von Gumppenberg zu Affing und der Sacco di Roma. Ein Zeitzeugenbericht des Massakers in Rom vom 6. Mai 1527, in: Altbayern in Schwaben, Friedberg 2011, 27–44

Zu Leonhard Müntzer

Johannes Laschinger, Leonhard Müntzer (1538–1588). Stadtkämmerer – Gelegenheitsdichter – Theologe, in: 1034 – Amberg 975 Jahre – 2009. Eine Stadt im Zentrum des historisches Nordgaus. Festschrift zum 38. Bayerischen Nordgautag in Amberg, Amberg 2009, 189–198

Manfred Knedlik, Leonhard Müntzer. Ein dichtender Kämmerer der Frühen Neuzeit in Amberg. Eine Edition, Regensburg 2013


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