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März 2013

Im Falle einer fehlenden schriftlichen Überlieferung ist die Kunstgeschichte oftmals die einzige Wissenschaft, eine historische Bildquelle zu datieren. Dementsprechend kunsthistorisch wurde unser 1887 bei einem Münchner Antiquitätenhändler erworbenes Temperagemälde bislang auf die Zeit um 1480 eingeordnet, was nicht nur der auffällige spätgotische Baldachin über dem Haupt des Heiligen Petrus nahelegt. Weiterhin ist aus der Kunstsicherungskartei des Georgianums über unsere Ganzkörperdarstellung des ersten Bischofs von Rom, der als Attribute Schlüssel und Buch in Händen hält, bekannt, dass sie eine von insgesamt vier Heiligendarstellungen eines Flügelaltars war. Dieser Altar zeigte auf den übrigen drei Flügelbildern einen gekreuzigten Simon Petrus, sowie einen lebenden und einen enthaupteten Heiligen Paulus.

Spätgotisches Temperagemälde des Heiligen Petrus

Auf welchem Weg unser Gemälde in den Münchner Antiquitätenhandel gelangt ist wissen wir nicht. Vielleicht ist es als Säkularisationsgut zu betrachten, das gut 80 Jahre nach der Aufhebung vieler bayerischer Klöster im Antiquitätenhandel wieder aufgetaucht ist. In jedem Fall wäre die Suche nach einer dazugehörigen schriftlichen Überlieferung schwierig. Deshalb soll hier neben der Kunstgeschichte für eine chronologische Einordnung, die Heraldik für Anhaltspunkte zur Provenienz des Gemäldes herangezogen werden. Soweit bekannt, ist bislang nicht versucht worden, das im unteren rechten Eck des Tafelbildes aufgemalte Stifterwappen mit Hilfe der historischen Grundwissenschaft der Heraldik zu bestimmen.

Wann immer von Wappen die Rede ist bedarf es auch einer Wappenbeschreibung, einer sogenannten Blasonierung. Die heraldischen Anhaltspunkte verteilen sich in unserem Fall dabei auf zwei Wappendarstellungen: erstens auf ein Vollwappen mit Helm, etwas schwach gezeichneten Helmdecken und der Helmzier, sowie zweitens auf einen kleineren Schild, der als Nebenwappen heraldisch rechts über dem Vollwappen zu schweben scheint. Das Vollwappen zeigt im geteilten Halbrundschild von schwarz und gold, oben in schwarz eine liegende goldene Zange, unten gold. Darüber der für den Adel charakteristische Bügel- oder Spangenhelm im Halbprofil mit einer zweiseitigen blattförmig ausgeschnittenen Helmdecke, einer vierzinkigen Helmkrone und als Helmzier einem bärtigen Männerrumpf im offenen Flug, letzterer mit der Schildfigur belegt. Die heraldisch rechts darüber schwebende spätgotische Renntartsche zeigt in Silber ein schwarzes Balkenkreuz.

Zwei Wappendarstellungen des Stifters

Im Sinne der Heraldik als Wappenkunde sollen nun die beiden Wappen gelesen werden. Bei dem größeren Vollwappen handelt es sich um das Familienwappen des heute erloschenen Adelsgeschlechts derer von Zenger aus der Gegend der heutigen Oberpfalz. Die Schildfigur ist hierbei ein schönes Beispiel für ein sogenanntes redendes Wappen, das durch die deutliche Zangendarstellung ein Auffinden des Familiennamens in Siebmachers Wappenbuch enorm erleichtert. Da es in der Familie der Zenger verschiedene Linien bzw. Stämme gab (laut Hund neun, laut Hüttner drei), wollen wir einen genaueren Blick auf die Helmzier respektive das Helmkleinod werfen. Ursprünglich als individuelle Persönlichkeitszeichen verwendet, wurden diese Helmkleinode ab dem Spätmittelalter auch vererbt. Heute können sie oftmals wertvolle Hinweise auf die verschiedenen Linien eines wappenführenden Geschlechts liefern. Laut Wiguleus Hund führten die Zenger als Helmkleinod unter anderem einen Becher; Hüttner hingegen spricht für eine Helmzier des Zengerwappens von einem schwarz und weiß gefleckten Rüden mit vorgeschlagener Zunge. Nun mutet die Helmzier unseres Familienwappens eher wie ein bärtiger Männerkopf auf armlosem Rumpf an. Wenn die Helmzier nicht etwa durch Übermalungen derart stark verändert wurde, ist eine Herkunft von einem Rüden oder Bracken nur schwerlich anzunehmen. Wir kommen auf diesem Weg also leider nicht weiter.

Bleibt noch der rechts über dem Familienwappen frei schwebende Wappenschild. Das Wappen mit dem randständigen schwarzen Kreuz in Silber wurde in der Spätgotik unter anderem vom Erzbistum Köln und der Reichsabtei Fulda geführt; aber auch der Deutsche Orden bediente sich dieses alten Heroldsbildes. Vor allem die Kombination von größerem Familienwappen und kleinerem Ordensschild als Nebenwappen findet sich in der Heraldik des Deutschen Ordens immer wieder, unter anderem auf einigen der bekannten Aufschwörschilde in der alten Deutschordenskirche St. Jakob in Nürnberg. Der Deutschordensschild den wir auf dem Petrusgemälde finden, dürfte der eines einfachen Ordensritters sein. Vor allem die Tatsache, dass das Deutschordenswappen dem Familienwappen nicht aufgelegt ist, weist auf eine Person aus der Familie der Zenger hin die dem Ordo Teutonicus als einfacher Ritter – oder als einfache Ordensschwester – angehörte.

Aufschwörschild in der Deutschordenskirche St. Jakob in Nürnberg

Dass es sich bei dem Stifter unseres Gemäldes – vielleicht auch des ganzen Flügelaltars – um ein Mitglied des Deutschen Ordens aus der Familie derer von Zenger handelt, dürfte damit feststehen. Zur genaueren Identifikation des Stifters würde man sich an dieser Stelle weitere einschlägige Quellen wünschen. Leider ist aber die Überlieferung gerade zu den einfacheren Deutschordensrittern nicht besonders gut. Die Literatur weiß von mehreren Zengern, die Ordensangehörige des Marien-Hospitals der Deutschen zu Jerusalem waren: am bekanntesten dürfte hierbei ein bei Voigt aufgeführter Ulrich Zenger sein, der von 1403 bis 1422 zunächst Vogt des Samlandes, dann Komtur von Memel, Brandenburg, Balga, Thorn sowie Tuchel und schließlich oberster Marschall des Deutschen Ordens in Preußen war. Voigt erwähnt ferner einen Heinrich (Werner) Zenger, der 1337 bis 1348 als Komtur in Nessau wirkte, sowie bayerische Zenger die dem Deutschen Orden als Söldner-Hauptleute und Söldner im Dreizehnjährigen Krieg von 1454 bis 1466 dienten. Neben Voigt erwähnen sowohl Hund als auch Hüttner einen Sebastian Zenger, der als Deutschordensherr in Preußen zum evangelischen Glauben übergegangen sein soll. Bei Axel Schilling schließlich finden sich für die Zeit zwischen 1371 und 1379 wenigstens Berührungen der Deutschordenskommende Regensburg mit den Zengern als Geschäftspartner. Da es sich bei unserem Stifter jedoch um einen einfacheren Ordensangehörigen handeln dürfte, könnte an die genannten höherrangigen Ritter wohl nur dann zu denken sein, wenn der Entsprechende bereits zu Anfang seines Werdegangs im Orden unser Gemälde gestiftet hat. Vielleicht war unser Stifter aber auch nur ein einfacher Deutschordensritter der in den Quellen bislang nicht aufgetaucht ist.

Anno 1978 konnte der französische Heraldiker Hervé Pinoteau das Kästchen König Ludwigs des Heiligen von Frankreich anhand von 46 Wappendarstellungen auf die Sommermonate des Jahres 1236 datieren. Nachdem für unsere Beobachtungen nicht mehr als zwei Wappen zur Verfügung standen, war eine derartig präzise Einordnung nicht zu erwarten. Immerhin bietet die Bestimmung unserer beiden Wappenschilde Anhaltspunkte für weitere genealogische Untersuchungen.

AK

Literatur

 

  • Reiner Kaczynski (Hrsg.), Kirche, Kunstsammlung und Bibliothek des Herzoglichen Georgianums, Regensburg 1994, S. 55 Nr. 74.
  • Otto Titan von Hefner, Gustav Adelbert Seyler (Hrsgg.), Die Wappen des bayerischen Adels (= J. Siebmacher’s großes Wappenbuch [II.], Band 22), Neustadt an der Aisch 1971, Aus Band VI, 1. Abteilung, Teil 1: Abgestorbene bayerische und fränkisch-nordgauische Adelsgeschlechter, S. 195 und Tafel 196.
  • Franz Hüttner, Johann Ferdinand Huschberg, Das adelige Geschlecht der Zenger (= Separatabdruck Verhandlungen des historischen Vereins für Niederbayern 37), Landshut 1901.
  • Wiguleus Hund, Bayrisch Stammen-Buch II, Von den Fürsten, Graven, Herren auch andern alten Adelichen Bayerischen Geschlechten so die Thurnier besuchet und under dieselben gerechnet worden noch der Zeit im Leben, Ingolstadt 1586, S. 379–398.
  • Franz-Heinz von Hye, Die Heraldik des Deutschen Ordens und ihre Geschichte, in: L’Héraldique religieuse (= Bericht zum X. Internationalen Colloquium für Heraldik), S. 347–365.
  • Johannes Voigt, Namen-Codex der Deutschen Ordens-Beamten. Hochmeister, Landmeister, Großgebietiger, Komthure, Vögte, Pfleger, Hochmeister-Kompane, Kreuzfahrer und Söldner-Hauptleute in Preussen, Königsberg 1843, S. 9, 20, 23, 36, 41, 58, 59, 77, 132.
  • Axel Schilling, St. Gilgen zu Regensburg, Eine Deutschordenskommende im territorialen Spannungsfeld, Regensburg 2005, S. 40–41.
  • Bernhard Demel, Die Deutschordenskommende Gangkofen 1278/79-1805/06, in: Gangkofen und die Deutschordenskommende 1279-1979, Gangkofen 1979, S. 29.
  • Walter Leonhard, Das große Buch der Wappenkunst. Entwicklung, Elemente, Bildmotive, Gestaltung, München 2001.
  • Hervé Pinoteau, La date de la cassette de Saint Louis: été 1236?, in: Hervé Pinoteau, Cinq études d’héraldique et de symbolique étatique, Paris 2006, S. 115–157 (insbesondere um Farbabbildungen vermehrter Nachdruck des Beitrages in den Cahiers d’héraldique 4, Paris 1983, S. 97–130).

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