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April 2014

Eine Denkschrift zur Lage der LMU im Jahre 1954 (UAM, Slg-XVI)

„Die Universität ist in Not!“ Neun Jahre nach Kriegsende, im Sommer 1954, versuchte Rektor Nikolaus Köstler mit einer umfangreichen Denkschrift auf die immer noch prekäre Lage der LMU aufmerksam zu machen.

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1954 – das bedeutete nicht nur neun Jahre nach Kriegsende. Das war ein Jahr vor der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik, ein Jahr vor der Aufhebung des Besatzungsstatuts in Westdeutschland. Das war aber auch ein Jahr vor der Anwerbung der ersten Gastarbeiter für die Bundesrepublik im Zuge des enormen Wirtschaftsaufschwungs, heute noch bekannt als die Zeit des „Wirtschschaftswunders“.

In dieser Zeit, vor 60 Jahren also, merkte die Universität München allerdings recht wenig von diesem Aufschwung: rund 1.500 Universitätsmitarbeiter mußten unter z.T. immer noch unzumutbaren Bedingungen Lehre und Forschung bewältigen. Der Zustand von vor 1939 war auch noch nicht annähernd wieder hergestellt, geschweige denn, daß die bereits vor dem Krieg z.T. bestehenden gravierenden Mängel bei der Ausrüstung von Seminaren und Instituten, Laboren und Kliniken verbessert werden konnten. In der Tat hatte der Krieg auch nach seinem Ende die Universität erst einmal vor eine Mammutaufgabe gestellt: Allein der Blick auf die Bausubstanz bei Kriegsende zeigt einen Verlust derselben von 70-80%; viele Einrichtungen waren dabei als Totalschaden zu klassifizieren. Von den Verlusten etwa an Menschen, Bibliotheken, Laborausrüstungen und Geräten ganz zu schweigen.

 

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Das Schicksal des Universitäts-Hauptgebäudes könnte man in diesem Zusammenhang geradezu als symptomatisch für die Gesamtsituation der LMU bezeichnen: 1945 zu fast 80% zerstört, war der Wiederaufbau des Gebäudes 1954 bei weitem noch nicht abgeschlossen. Dennoch hatten in diesem Zentralbau der LMU ein Großteil v.a. der geisteswissenschaftlichen Einrichtungen ihr Zuhause. Ungeachtet dessen waren 1954 noch ganze Teile des Gebäudekomplexes unbenutzbar. Selbst der Haupteingang zum einst repräsentativen Tempel der Wissenschaft war noch verschlossen; einzig einer der ehemaligen Nebeneingänge gewährte den Zugang zwischen Bretterverschlägen.

 

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In der Zeit des Wiederaufbaues rechneten die jeweiligen Rektoren Jahr für Jahr vor, daß es Jahrzehnte dauern würde, allein den Vorkriegsstandard der LMU wieder zu erreichen, sollten die staatlichen Mittel weiterhin so spärlich fließen. Bis zum 31. März 1954 hatte die Universität seit Kriegsende 38 Mio. DM für den Wiederaufbau der universitären Bausubstanz eingesetzt (davon knapp 7 Mio. für das Hauptgebäude). Ganze 220 Millionen wurden zu diesem Zeitpunkt als nötig veranschlagt, allein um den Zustand der Universität von vor Kriegsbeginn wieder herstellen zu können. Neben den knappen Kassen des Staates (gerade Bayern zählte in dieser Zeit noch zu den ärmeren Ländern der jungen Bundesrepublik) war es auch die überbordende Bürokratie, welche ein zügiges Freigeben und Verbauen der vorhandenen Mittel in oft haarsträubender Weise behinderte – auch dagegen wetterte Nikolaus Köstler in seiner Denkschrift.

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Möglicherweise hatte die Denkschrift tatsächlich etwas beigetragen: Vier Jahre später, 1958, konnte endlich auch der heutige der Zentralort unserer Universität, der nun sog. „Lichthof“, feierlich in Verbindung mit einem Gedenken an die Mitglieder der „Weisen Rose“ eingeweiht werden. Und alle Gebäudeteile hatten endlich auch wieder ein Dach…

WS

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Hinweis:

Zur „Biographie“ unseres Universitäts-Hauptgebäudes erscheint im Juni 2014 als Band 6 der Reihe des Universitätsarchivs „Beiträge zur Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität“ der Sammelband „Domus universitatis. Das Hauptgebäude der LMU 1835 – 1911 – 2011“, hgg von Claudius Stein.


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