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November 2014

Benedikt Stattler, Katholische Staatistik oder GlückseligkeitsLehre für katholische Staaten und ihre Regenten (6 Bde.)

UAM, NL-068 (Huber, Georg)

Durch einen glücklichen Zufall konnte das Universitätsarchiv München vor einigen Monaten den Nachlass des Münchener Stadtschulrates und Honorarprofessors für Klassische Philologie und Didaktik der alten Sprachen, Dr. Anton Fingerle (1912–1976), einwerben. Der Nachlass Fingerle (UAM, NL-071) beinhaltet nicht nur von diesem herrührende Dokumente, sondern auch Teile von Nachlässen katholischer Gelehrter wie Joseph Schnitzer (UAM, NL-069) oder Georg Huber (NL-068), die Fingerle seinen Sammlungen einverleiben konnte.

Der Priester des Erzbistums München und Freising Georg Huber (1869–1944) promovierte 1903 in München mit der Arbeit „Benedikt Stattler und sein Anti-Kant“ zum Dr. phil. Befreundet mit historischen Theologen wie Joseph Schnitzer und Georg Pfeilschifter erhielt er ein Stipendium, mit dessen Hilfe er 1904 an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin ohne Behinderung folgende Fächer belegen: Philosophie, Pädagogik, Psychologie, Religionsphilosophie, Ethik, impressionistische Kunst. Zu seinen Lehrern gehörten so bekannte Männer der protestantisch-deutschen Universitätskultur wie Dilthey und Paulsen oder der evangelische Theologe und Religionsphilosoph Pfleiderer. Huber kehre hochbefriedigt nach Bayern zurück, berichtete seinem Erzbischof von seinen Studien und wirkte weiterhin segensreich als Landpfarrer von Grassau im Chiemgau. Huber war übrigens Kurskollege und häufiger Diskussionspartner des 1988 seliggesprochenen Kaspar Stanggassinger (1871–1899) und interessierte sich schon während seiner Studienzeit für Philosophie. Sein Lehrer war der Deutinger-Schüler Heinrich Hayd (1829–1891). Der Nachlass Huber zeichnet sich aus zum einen durch mehrere unveröffentlichte und teilweise mehrhundertseitige Manuskripte von Werken Hubers, beispielsweise zu Heinrich Hayd, Georg Hermes und zum Hermesianismus, Anton Koch, Wilhelm Rosenkrantz, Joseph Schnitzer und Benedikt Stattler.

Eine besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem Letztgenannten zu, denn der Nachlass Huber enthält zum anderen die sechs Bände von Stattlers „Katholischer Staatistik oder GlückseligkeitsLehre für katholische Staaten und ihre Regenten“. Hierbei handelt es sich – wie ausdrücklich festgehalten wurde – um dessen nur im Manuskript vorhandenes letztes Werk, das Huber von dem Dominikaner-Pater Albert M. Weiss (1844–1925), Professor für Apologetik an der Universität Freiburg in der Schweiz, erhalten hatte. Die bei dem Ingolstädter, dem 1773 aufgehobenen Jesuiten-Orden angehörenden Theologieprofessor Benedikt Stattler (1728–1797) anzutreffende, sich einer klaren geistesgeschichtlichen Einordnung entziehende und diesen als außergewöhnlich interessanten Repräsentanten einer Übergangszeit ausweisende Verknüpfung einer konservativen, auch auf die Erhaltung seines Ordens abzielenden Grundposition mit einer rationalistisch-aufklärerischen Argumentationsweise war typisch für jenen vielseitigen und produktiven Gelehrten. Stattlers letzte Jahre standen vor allem im Zeichen der Auseinandersetzung mit den von ihm wohl seit 1787 rezipierten Schriften Immanuel Kants (1724-1804). Philosophiegeschichtlich relevanter Höhepunkt seiner Kritik am Kant’schen Rationalismus war der 1788 erschienene „Anti-Kant“. 1796 wurde eine Reihe von Hauptwerken Stattlers auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt. Ohne zur widerrufen, zog sich der von der Rechtmäßigkeit seiner Positionen überzeugte Stattler zutiefst gekränkt ins Privatleben zurück.

Eine Untersuchung des unter diesen Rahmenbedingungen niedergeschriebenen letzten Werkes von Benedikt Stattler erscheint lohnend. Sie hätte sich nicht nur mit den textimmanent dargebotenen Inhalten zu beschäftigen, sondern auch deren philosophie- und theologiegeschichtlichen Ort zu ermitteln. Es wären außerdem die biographischen Rahmenbedingungen und die Verhältnisse im Kurfürstentum Bayern der Aufklärung zu berücksichtigen.

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CS

Quellen und Literatur

UAM, O-I-83p, Promotionsakte Georg Huber

Georg Huber, Benedikt Stattler und sein Anti-Kant, München 1904

Franz Scholz, Benedikt Stattler und die Grundzüge seiner Sittlichkeitslehre unter besonderer Berücksichtigung der Doktrin von der philosophischen Sünde, Freiburg i. B. 1957

Otto Weiß, Der Modernismus in Deutschland. Ein Beitrag zur Theologiegeschichte, Regensburg 1995


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