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September 2014

Elfenbeinkreuz aus der Sammlung Orban

Universitätsarchiv München, Kustodie; seit 2012 als Leihgabe im Herzoglichen Georgianum

Im Rahmen dieses Formats wurde bereits öfter auf die Sammlung Orban eingegangen, zuletzt im Februar 2014. Jene universal ausgerichtete Sammlung, die der Jesuit Ferdinand Orban bis zu seinem Tod 1732 zusammengetragen hatte, war 1773 an die Universität Ingolstadt gefallen. 1800 wurden die Bestände nach Landshut und 1826 nach München umgezogen. 1881 erhielten das Bayerische Nationalmuseum und das Völkerkundemuseum von der Universitätsleitung die damals noch vorhandenen Stücke als Dauerleihgabe. Bei der Universität München verblieben nur wenige Objekte, vorzugsweise Gemälde, aber auch das hier vorgestellte Elfenbeinkreuz. Im Vorfeld der Tagung über die Wissenschaftlichen Sammlungen der Universität Ingolstadt-Landshut-München, die das Universitätsarchiv 2016 als Auftakt zu einer Optimierung des in diesen Sammlungen schlummernden Potentials abhalten wird, wurde versucht, den Kontext dieses Stückes des Monats aufzuhellen.

Die erste Erwähnung des Elfenbeinkreuzes findet sich bei Zacharias Konrad von Uffenbach, und zwar in seinen „Merkwürdigen Reisen durch Niedersachsen, Holland und Engelland“ (Bd. 3, Ulm 1754, S. 738). Orban war zeitweise Beichtvater des Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz, weshalb Uffenbach dessen Sammlung in Düsseldorf besichtigte: „Das vornehmste war wohl ein Cruzifix von Elfenbein über zwey Schuh hoch, und Arms dick, aus einem Stück, wie P. Urbanus behauptete, mir aber unglaublich vorkam, weil man solche Zähne nicht hat. Es war ganz unvergleichlich gemacht, und soll aus der Kayserl. Kunstkammer seyn. Er zeigte mir auch einen Riß von dem Zahn dabey, daraus dieses Stück gemacht worden, welcher, so wie gesagt, unglaublich, dreyzehen Schuh lang war.“ Anhand der Inventare des Kunsthistorischen Museums Wien, in dem die Kaiserliche Kunstkammer aufgegangen ist, ließ sich die Angabe bei Uffenbach nicht verifizieren, dafür kam von dort eine Einschätzung, wonach das Elfenbeinkreuz im Umkreis des bedeutenden Düsseldorfer Bildhauers Gabriel Grupello (1644–1730) anzusiedeln ist und aus der Zeit um 1700 stammen dürfte. Dies passt hervorragend zur angedeuteten Genese der Sammlung Orban. Unabhängig davon ist die bisher vorgeschlagene Datierung in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts bzw. die Zuschreibung an Georg Petel (1601/02–1634) wenig wahrscheinlich.

Bis 1849 befand sich das Elfenbeinkreuz in der Universitätsbibliothek, der bis 1881 im Auftrag der Universitätsleitung die Verwaltung der Sammlung Orban oblag, kam dann jedoch in den Senatssaal, um dort beispielsweise zur Abnahme der Vereidigungen zu dienen. Zu diesem Zweck wurde das Elfenbeinkreuz auf einem altarförmigen Postament montiert. Als 1912/13 die Planungen für ein Universitätsmuseum aufgenommen wurden – tatsächlich ist ein solches bis 2014 nicht zustande gekommen –, gehörte das Elfenbeinkruzifix zu den Stücken, die den künftigen Museumsbestand im Bereich Kostbarkeiten ausmachen sollten; damals befand es sich im Kirchenhistorischen Seminar unter dem kunstliebenden Vorstand, Prof. Dr. Alois Knöpfler. Unklar bis heute ist ein Inventareintrag aus jenen Jahren, wonach am Kreuz „unten“ und „mit Dinte“ geschrieben stand „A. Bonelli“. Diese Beschriftung ist jetzt nicht mehr sichtbar. Anhand der einschlägigen Künstlerlexika konnte auch kein Bildhauer Bonelli, dessen Vorname mit dem Buchstaben A beginnt und der in der Zeit um 1700 lebte, ermittelt werden. Hier besteht also noch Klärungsbedarf im Detail.

Haupttextkl

Das vorgestellte Beispiel hat wieder einmal gezeigt, wie sehr in der Kunstgeschichte archivbasierte Forschungen nötig sind, denn in bestimmten Fällen können Zuschreibungen nur so in eine tragfähige Richtung gehen oder gar am Ende definitive Künstlernamen stehen.

CS

Archivquellen: UAM, D-XX-3; Y-VII-1; Y-VII-5, Bd. 1; Y-VII-5, Bd. 3; Y-VII-6; VA E 36

Literatur

Gisela Koch, Georg Petel (1601/02–1634). Zwei unbekannte Frühwerke aus St. Michael in Hohenschwand im Schwarzwald, Karlsruhe 2010, 85 f.

Ludwig Mödl, Ein Petel-Kruzifix, in: Jahrbuch des Vereins für christliche Kunst in München 23 (2006) 45–49

Georg Petel. 1601/02–1634. Bildhauer im Dreißigjährigen Krieg. Ausstellungskatalog Haus der Kunst München 9.5.–19.8.2007, München/Berlin 2007, Kat.-Nr. 54

Linda Zachmann, Zum elfenbeinernen Kruzifixus des Herzoglichen Georgianums in München, in: Leon Krempel – Ulrich Söding (Hg.), Georg Petel. Neue Forschungen, Berlin 2009, 155–158


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