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Januar 2015

Fotos der Rektoratsübergabe an Professor Albert Rehm, 1930

(UAM, D-II-32, Bd. 10)

Bildliche Dokumentationen universitärer Feierlichkeiten sind bis weit in die Nachkriegszeit eine Seltenheit. In besonderem Maß gilt dies für die Festivitäten anlässlich der Rektoratsübergaben, die meist zum Jahresende, teilweise aber auch erst zu Beginn des neuen Jahres stattzufinden pflegten. Eine Ausnahme bildet die Rektoratsübergabe von dem Kirchenrechtler Eduard Eichmann (Rektor Studienjahr 1929/30) auf den Altphilologen Albert Rehm (Rektor Studienjahr 1930/31) in der Großen Aula der Universität München am 29. November 1930. Die Foto-Gesellschaft „Atlantic“ war nämlich so freundlich, dem Rektorat zwei „Belegexemplare“ von Bildern der genannten Feierlichkeit zu überlassen:

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Die Besetzung der Großen Aula auf den beiden Fotos ist als klassisch zu bezeichnen, also in der Apsis im Talar das Professorium, in dessen Mitte der Redner ans Pult trat, davor – wie im englischen Unterhaus – auf einem Tisch ruhend die zwei Zepter der Philosophischen Fakultät und der Fakultäten für Theologie, Jura und Medizin, unter und auf der Empore die Korps- und Verbindungsstudenten, auf den restlichen Plätzen die Festgäste. Im Lehrkörper sind in der ersten Reihe zu erkennen von links die Theologen Joseph Sickenberger, Eduard Weigl, Martin Grabmann und Johannes Zellinger. Schwieriger fällt die Identifizierung der Ehrengäste in den ersten Reihen des Parketts. Hier kann ein Zeitungsartikel in den „Münchner Neuesten Nachrichten“ weiterhelfen, der an Honoratioren nennt: „Nuntius Vasallo di Torre-Grossa und Ministerpräsident Dr. Held, ihnen schlossen sich u. a. an die Minister Dr. Goldenberger, Gürtner und Dr. Schmelzle, die Prinzen Ludwig Ferdinand und Alfons, Landtagspräsident Stang, Präsident Staatsrat Dr. Dandl, Staatsrat Dr. Deybeck, Staatssekretär Neumayer, der württembergische Gesandte v. Moser, Regierungspräsident Staatsrat v. Knözinger, Präsident v. Jahn des Reichsfinanzhofes, der Rektor der Technischen Hochschule Dr. Ossanna, der Präsident der Akademie der bildenden Künste Dr. Bestelmeyer, Stadtkommandant Oberst Frhr. Pechmann, Oberbürgermeister Dr. Scharnagl, Geh. Rat. Dr. Küfner, Mitglieder des evangel. Landeskirchenrats, Präsident Singer des Amtsgerichts München I, Geheimrat Dr. Oskar v. Miller, Polizeioberst Pirner […].“

Die Rektoratsantrittsrede von Albert Rehm schenkt folgenden Aspekten des Themas „Neuhumanismus einst und jetzt“ Beachtung: Ausgehend von der Frage nach der Lebensnähe der wissenschaftlichen Arbeit, wie sie auf der Hochschule gepflegt wird, betont der neue Rektor, dass das Studium der Antike, auch unter dem Gesichtspunkt der Vorbildung der künftigen Lehrer am Gymnasium, seine besondere Bedeutung, die rechte Lebensnähe nur gewinnt, wenn es gepflegt wird in der Überzeugung, dass es sich um ein Lehrgut handelt, das in der gegenwärtigen Bildung lebendig zu wirken hat, mit anderen Worten, wenn man der griechisch-römischen Welt in humanistischer Gesinnung gegenübersteht. Die Bewegung in dieser Richtung, meist bezeichnet als „erneuerter Humanismus“, ist noch während des Ersten Weltkrieges in scharfer Abgrenzung gegen andere Betrachtungsweisen aufgekommen und hat aktuell durch programmatische Erklärungen, besonders einen altsprachlichen Normallehrplan, klare Richtlinien erhalten, sodass sie mit früheren verwandten Erscheinungen verglichen und ihr in der gesamten geistigen gegenwärtigen Lage ihre Stelle angewiesen werden kann. In ersterer Hinsicht springt ihre Geistesverwandtschaft mit dem Neuhumanismus um 1830 in die Augen, als dessen Theoretiker Wilhelm von Humboldt zu gelten hat; der Ähnlichkeit in der Grundstimmung entspricht allerdings durchaus nicht etwa eine solche in der Beurteilung des Einzelnen. Die wissenschaftliche Einzelarbeit seit 100 Jahren, die Schärfung des geschichtlichen Blickes für literarische und staatliche Verhältnisse haben das Bild von der Antike gründlich verändert, aber ihr Bildungswert ist aktuell vielleicht noch höher einzuschätzen als um 1830. Nach einem Blick auf die Folgerungen, die sich aus dieser Einstellung für Universität und Gymnasium ergeben, bringt Rehm eine knappe Auseinandersetzung mit den widerstrebenden oder innerlich verwandten Mächten der Gegenwart, Materialismus und Utilitarismus, naturwissenschaftlicher, deutscher und modern-fremdsprachlicher Bildung, endlich mit den Strömungen, die die christlich-religiöse Welt bewegen. Die Rede klingt aus in dem Gedanken, dass der erneuerte Humanismus die Antike als einen neu geformten Baustein einzufügen habe in das wiedererstehende Gebäude der Geisteskultur.

CS

Antrittsrede des neuen Rektors der Universität Geheimrat Rehm, in: Münchner Neueste Nachrichten, 30.11.1930, Nr. 326

Matthias Memmel und Gabriele Wimböck (Hg.), Die Herren der Kette. Rektorenporträts an der LMU. Eine Sonderausstellung der UniGalerie erarbeitet von Studierenden des Instituts für Kunstgeschichte in Zusammenarbeit mit dem Universitätsarchiv der LMU, München 2011

Albert Rehm, Neuhumanismus einst und jetzt (Münchener Universitätsreden 22), München 1931

Richard Schumak (Hg.), Neubeginn nach dem Dritten Reich – Die Wiederaufnahme wissenschaftlichen Arbeitens an der Ludwig-Maximilians-Universität und der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Tagebuchaufzeichnungen des Altphilologen Albert Rehm 1945 bis 1946 (Studien zur Zeitgeschichte 73), Hamburg 2009


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