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Juli 2015

Alltag eines Georgianums-Stipendiaten im späten 18. Jahrhundert

(AHG, II 55 und 59)

Aufgrund der privaten Stiftertätigkeit konnte das Ingolstädter Georgianum neben den elf Stammkollegiaturen im späten 18. Jahrhundert ca. 30 Freiplätze vergeben, darunter auch das Eisengrein-Benz’sche Stipendium, ursprünglich zwei getrennte Stiftungen, die jedoch aufgrund der Geldentwertung zusammengelegt werden mussten und dadurch immerhin 110 Gulden erbrachten. Dabei handelte es sich um ein ausgesprochenes Familienstipendium, d.h. nur in Ausnahmen erlangten dieses nicht mit den Stiftern Verwandte. Seit der Unierung 1781 wechselten sich die Familien Waibling und Welle bei der Präsentation im Vierjahresturnus ab. Bereits 1780 hatte Benedikt von Welle, Hofkammerdirektor des Fürstbischofs von Fulda, eine Expektanz für seine studierenden Söhne zu erlangen versucht, zunächst allerdings vergeblich, „als nicht nur nach der Stiftung nicht allein der Stipendiat den statutis, legibus, et reformationibus, und Ordnungen des Herzogl. Georgianischen collegii bey Tage, und Nacht gemäß zu leben, und den cursum marianum mit anderen Candidaten daselbst zu betten, schuldig ist“, sondern das Stipendium bis auf weiteres auch bereits vergeben war.

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Nachdem sich der ausschließlich klerikale Charakter des Georgianums erst an der Wendezeit um 1800 voll ausprägte, gelang es für 1787/88 doch noch, den 17jährigen Peter von Welle mit dem Stipendium zu versehen, so dass er während des genannten Studienjahres an der Universität Ingolstadt Rechtskunde hören konnte. Über Peter von Welles Vorbildung ist bekannt: Ab 1776 besuchte der Junge die Fuldaer Trivialschule; zudem unterrichteten ihn und seinen Bruder Privatlehrer, denen später Exjesuiten und Benediktiner an die Seite traten. 1782 wurde der Knabe an der Philosophischen Fakultät der Universität Fulda immatrikuliert – eine Vorbedingung zum Eintritt in die „höhere“ Juristische Fakultät –, welches Grundstudium er bis 1787 erst mit dem Grad eines Bakkalars, dann mit dem eines Magisters abschloss. Es war vorgesehen, dass Peter von Welle eine Präbende am Apostelstift in Köln bekommen sollte; bereits 1777 hatte der Junge deshalb die erste Tonsur erhalten und war während des Studiums in Fulda im Seminar untergebracht. Aber 1786 erklärte er seinem Vater, dass er die geistliche Laufbahn nicht einschlagen wolle und sich für eine weltliche entschieden habe, so dass die ihm zustehende Präbende auf den Bruder überging. Besonders aufschlussreich ist das im Institut für Hochschulkunde der Universität Würzburg verwahrte, von der Hand Benedikt von Welles stammende „Verzeichniß Jener Kleidungen, Weiszeuch und anderer Dingen, die ich meinem Sohne Johann Peter Welle mit nach Ingolstadt gegeben; als ich ihn um auf daßiger Universität zu studiren den 25.ten October 1787 dahin habe abreißen laßen“; dieses Verzeichnis wird ausführlich im Aufsatz von Claudia Selheim vorgestellt und analysiert.

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Über das im Georgianum zu genießende Stipendium heißt es darin: „Deine an dem Regententisch zu genießen bekommende Kost, die du keiner Orten in der Stadt besser finden wirst, dein besonderes warmes Zimmer, dein Trunk etc. etc. müßen noch besonders von mir bezahlt werden.“ Dem Studenten standen also zwei Zimmer zur Verfügung, die der Vater mit 24 Gulden extra bezahlen musste. Hinzukamen Kosten für das Bett, das Brennholz, das Licht und die Getränke. – „Damit du nun aber meine väterliche Liebe, die ich zu dir trage, hier im ganzen erkennest, so wittme ich dir zu solch deinem Spielgeld [Taschengeld] wochentlich einen Gulden, den du von dem Herrn Regenten [Joseph Coelestin Haltmayer] in jeder Wochen, niemalen aber mehr, als besagten einen Gulden, abzulangen und zu überkommen hast.“ Schon im Oktober 1788 reiste Peter von Welle nach Heidelberg, um an der dortigen Universität seine juristischen Studien fortzusetzen. Welle war zwar seiner Ausbildung nach Jurist, hegte aber offensichtlich auch schöngeistige Interessen; zumindest hinterließ er eine handschriftliche Biographie des Polyhistors Athanasius Kircher S. J. Mit den Verhältnissen im Georgianum hatte sich Peter von Welle, inzwischen Familienoberhaupt und Finanzrat in Fulda, wie es scheint erst wieder 1806 zu beschäftigen, als er Direktor Matthäus Fingerlos seinen Neffen als künftigen Stipendiaten präsentierte.

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CS

Literatur

Reinhard Heydenreuter, Wohltäter der Wissenschaft. Stiftungen für die Ludwig-Maximilians-Universität München in Geschichte und Gegenwart (LMUniversum 7), München 2009

Heinz Jürgen Real, Die privaten Stipendienstiftungen der Universität Ingolstadt im ersten Jahrhundert ihres Bestehens (Ludovico Maximilianea Forschungen 4), Berlin 1972

Claudia Selheim, „…sobald sich das kleinste Löchlein zeigt, muß man gleich selbige flicken…“. Studentenkleidung im Jahr 1787 und der Umgang mit ihr, in: Sabine Martius – Sybille Ruß (Hg.), Historische Textilien. Beiträge zu ihrer Erhaltung und Erforschung (Veröffentlichung des Instituts für Kunsttechnik und Konservierung im Germanischen Nationalmuseum 6), Nürnberg 2002, 243–258

Peter Welle, Lebensgeschichte des Athanasius Kircher, Manuskript 1812, [120] Blätter (Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main, Ms. germ. qu. 67 d)


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