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Oktober 2015

Aus: UAM, E-II-1610; Personalakt Adele Hartmann: Einladung zur Antrittsvorlesung von Dr. Adele Hartmann 20. Dezember 1918.

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Das Besondere an dieser Einladungskarte ist weniger die Tatsache, daß es sich im heutigen Sprachgebrauch bei dieser Antritts- eigentlich um die Probevorlesung im Habilitationsverfahren handelt, vielmehr bezeugt diese Karte überhaupt die erste Habilitation einer Frau in Deutschland – an der LMU: Im Sommer 1918 hatte das Fräulein Dr. Adele Hartmann der Medizinischen Fakultät ihre Habilitationsschrift vorgelegt, welche als ausgezeichnet begutachtet worden war. Ebenso beurteilt wurde auch Ihre Vorlesung vom 20. Dezember 1918, wie im Protokoll der Sitzung des Akademischen Senats vom 25. Januar 1919 nachzulesen ist. Deshalb war es auch keine Frage, daß dort dem Antrag der Fakultät auf Ernennung zum Privatdozenten – Verzeihung: zur Privatdozentin! – stattgegeben wurde. Mit Verfügung vom 13.2. 1919 wurde Adele Hartman zur Privatdozentin ernannt und somit zur ersten habilitierten Frau Deutschlands überhaupt.

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Das war ja insgesamt eine sehr bewegte Zeit, die Zeit zwischen Reich und Republik, die Zeit der Revolution. Und so konnte man im „Vorwärts“, dem Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, nur wenig später auch die jubelnde Mitteilung lesen, die Revolution hätte nun endlich aus das geschafft, was „trotz aller Redensarten“ die bisherige „demokratische Universitätsverfassung verhindert“ habe: den Aufstieg auch tüchtiger Frauen zur „schwindelnden Höhe des Universitätslehrers“. Und weil Fräulein Hartmann in der Tat eine tüchtige Frau war, mußte der „Vorwärts“ wiederum wenig später wohl oder übel deren Antwort abdrucken, in der zu lesen war, daß ihre Ernennung zur Privatdozentin durchaus wohl als revolutionär anzusehen sei, sie aber die Arbeit an ihrer Habilitation bereits seit 1915 betrieben habe und das Ergebnis derselben man doch bitte nicht nur als bloße Folge der Revolution betrachten möge!

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Tatsächlich hatte Adele Hartmann diesen großen Erfolg zuvorderst ihrer eigenen zielgerichteten Lebensplanung und Arbeit zu verdanken, wie man sie fast selbstverständlich von der Tochter einer Offiziersfamilie erwarten mochte. Und natürlich war auch der Umstand wichtig, daß an der Münchner Universität seit 1903, also gegenüber anderen Universitäten relativ früh, Frauen zum ordentlichen Studium zugelassen waren. – Am 9. Januar 1881 als älteste Tochter in Neu-Ulm in eine bayerische Offiziersfamilie hineingeboren, erlitt sie zunächst das übliche Schicksal vieler solcher Mädchen: mehrfacher Umzug an die wechselnden Dienststellen des Vaters, und nach dem Besuch der grundlegenden Schulen der Besuch einer Höheren-Töchter-Schule. Im Falle der Adele war dies das Max-Joseph-Stift in München, damals noch am heutigen Kurt-Huber-Platz, also direkt gegenüber der Universität gelegen. 1898 legte sie die Prüfung als Sprachlehrerin ab, den Weg bis zum Abitur allerdings – ihren größten Wunsch - verwehrte ihr der Vater zunächst, so daß sie vorübergehend in England als Erzieherin arbeitete. Wieder zurückgekehrt nach München, konnte sie aus eigenem Entschluß heraus nun endlich – nach vierjähriger Vorbereitung – 1906 die Reifeprüfung als Externe am Ludwigsgymnasium ablegen. Damit war sie ihrem eigentlichen und schon lange verfolgten Lebensziel, einem Medizinstudium, ganz nahe gekommen.

Die Liste ihrer akademischen Lehrer während des nun folgenden Studiums kann man sich so richtig auf der Zunge zergehen lassen: Die Namen von Adolf von Bayer, Leo Grätz, Theodor Lipps, Conrad Röntgen, Johannes Rückert, Otto Frank, Emil Kraepelin oder Siegfried Mollier stehen für eine Universität, welche um die Jahrhundertwende wissenschaftlich in höchster Blüte stand. Im Dezember 1911 hatte sie ihr medizinisches Staatsexamen bestanden, ein Jahr später wurde ihr die Approbation erteilt. Noch während des Studiums hatte sie aufgrund ihrer herausragenden Leistungen eine Stelle als Hilfsassistentin an der Anatomischen Anstalt unter Siegfried Mollier erhalten, bei dem sie 1913 ihre Promotion mit einer Arbeit „Zur Entwicklung der Bindegewebsknochen“ abschloß. Darauf folgte eine lange Zeit als Assistentin, dann „gehobene Assistentin“ an der Anatomie. Die 1915 begonnene Arbeit an ihrer Habilitation positionierte sie im Bereich der morphologischen Forschungen. Die Umstände des Weltkrieges zwangen sie, wie die meisten anderen Frauen auch, im Universitätsbetrieb zahlreiche Aufgaben zu übernehmen, welche bis dahin ihre männlichen Kollegen übernommen hatten. Dennoch fuhr sie hartnäckig auch mit ihren eigenen Arbeiten fort, insgesamt also hatte sie wohl einen gewaltigen Kraftaufwand betrieben, um ihr Habilitationsprojekt zum Erfolg zu führen.

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Adele Hartmann hatte nach dem Erfolg als erste habilitierte Frau allerdings kaum Zeit für Ruhepausen: Sie wuchs rasch in den Betrieb als Universitätslehrerin hinein, hielt ab 1919 mit großer Stetigkeit ihre Vorlesungen und Veranstaltungen ab, forschte und publizierte auch weiterhin. Mit großem Lob ihrer älteren Fachkollegen bedacht, wurde sie 1924 ohne Probleme mit dem Titel und Rang einer außerordentlichen Professorin ausgestattet. Ende der 1920er Jahre hatte sie erstmals mit gesundheitlichen Problemen zu ringen. 1932 wurde Adele Hartmann auf eine Stelle als etatmäßige Konservatorin an der Anatomischen Anstalt gesetzt. Nachdem sie Mitte der 1930er erstmals aus Gesundheitsgründen sich vom Semester-Dienst mußte beurlauben lassen, erlag sie schließlich, erst 56jährig, am 15. Dezember 1937 ihrem Krebsleiden. Eine kleine Straße südlich des Universitäts-Klinikums in Großhadern erinnert noch an sie.

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WS

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Monika Ebert: Zwischen Anerkennung und Ächtung. Medizinerinnen der Ludwig-Maximilians-Universität in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Neustadt/ Aisch 2003, S. 103-116.

Hiltrud Häntzschel/ Hadumod Bußmann: Bedrohlich gescheit. Ein Jahrhundert Frauen in der Wissenschaft in Bayern. München 1997; passim.


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