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September 2016

Signat König Ludwigs I. mit der Anordnung, die Münchner Ludwig-Maximilians-Universität zu schließen, 9.2.1848 UAM, Selekte

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Im Jahr 1846 tauchte die vorgeblich spanische Tänzerin Lola Montez, die 1820 oder 1821 in dem kleinen irischen Dorf Grange als Elizabeth Rosanna Gilbert auf die Welt gekommen war, in München auf. Sie hatte zu dieser Zeit bereits ein recht bewegtes Leben voller Skandale hinter sich und hoffte, in München am Hof- und Nationaltheater auftreten zu können. Da ihr dies zuerst einmal verwehrt wurde, versuchte sie daraufhin, von Ludwig I. höchstpersönlich die nötige Erlaubnis zu erwirken. Und tatsächlich gelang es ihr, den bayerischen Monarchen während einer Audienz gehörig zu beeindrucken, so daß der König anordnete, daß Lola Montez ihre Künste nun doch – als Pausenprogramm – präsentieren dürfe.

Wie in vielen anderen Städten fiel die Tänzerin in der bayerischen Haupt- und Residenzstadt rasch unangenehm auf, da sie unübersehbar streitlustig war, Ohrfeigen verteilte und sich nicht daran hielt, daß es in München damals verboten war, in der Öffentlichkeit zu rauchen. Zu wirklich ernsten Problemen kam es, als der König es sich in den Kopf setzte, seiner neuen Favoritin einen Adelstitel, genauer den Titel einer Gräfin von Landsfeld, zu verleihen. Jegliche Standeserhöhung ließ sich jedoch nur bewerkstelligen, wenn der Tänzerin zuvor das Indigenat, also das Heimatrecht, zuerkannt worden war – heute würde man im übertragenen Sinne davon sprechen, daß Lola Montez zuerst bayerische Staatsangehörige werden mußte, bevor sie zur Gräfin erhoben werden konnte.

Der bayerische Staatsrat, den der König in dieser Angelegenheit zumindest hören mußte, verweigerte jedoch jegliche Stellungsnahme, auch deswegen, weil die Antragstellerin keinerlei Papiere vorweisen konnte, die ihre eigenen Angaben zur Person glaubwürdig stützten. Zur Überraschung des bayerischen Innenministers verlieh der König der Tänzerin trotzdem das erforderliche Indigenat und erhob sie anschließend zur Gräfin. Daraufhin trat das Ministerium geschlossen zurück!

Diese ministerielle Krise sollte freilich rasch größere Kreise ziehen. Eine öffentliche Parteinahme für Innenminister Carl von Abel an der Münchner Universität beantwortete der König mit der Entlassung eines der beteiligten Profesoren. Doch das brachte nun die Studenten ins Spiel, es kam zu einer ersten Demonstration vor dem Palais der Lola Montez, das ihr der König kurz zuvor geschenkt hatte. Die Erregung der Münchner Öffentlichkeit stieg weiter an, es kam zu neuerlichen Demonstrationen: Dazu trugen einerseits weitere Provokationen von seiten der Tänzerin bei, andererseits wurde die Situation dadurch verschärft, daß sich der größere Teil der Studenten offen gegen die angebliche Spanierin stellte, während sich die Mitglieder der neu gegründeten studentischen Korporation Alemannia, die Lola zu ihrer persönlichen Leibwache erkoren hatte, für die Tänzerin stark machten.

Da der König jedoch nicht die erwähnten Provokationen der Tänzerin und schon gar nicht das eigene Verhalten, sondern die Studenten für diese Unruhen verantwortlich machte, verfügte er am 9. Februar 1848 die Schließung der Universität bis zum darauffolgenden Wintersemester 1849/50 als Strafe und als Mittel zur Beruhigung der Lage. Auswärtige Studenten sollten innerhalb von zwei Tagen München verlassen. Diese Anordnung, die die Einnahmen zahlreicher Einwohner der Stadt empfindlich schmälern mußte – die Studentenschaft stellte für München einen nicht zu vernachlässigenden Wirtschaftsfaktor dar –, rief nun allerdings die Bürger auf den Plan. Mehr als tausend von ihnen versammelten sich im Rathaus, forderten den städtischen Magistrat zum Handeln auf und zogen schließlich vor die Residenz: Sie forderten die Rücknahme der Anordnung vom 9. Februar. Um zumindest sein Gesicht zu wahren, wartete der König, bis der Platz wieder geräumt war, dann gab er schockiert nach: Die Universität sollte bereits zum Sommersemester 1849 wieder geöffnet werden. Doch die Unruhe in der Stadt hielt an, und nur zwei Tage später, am 11. Februar, sah sich Ludwig I., nachdem Reichsräte und Minister lange auf ihn eingeredet hatten, gezwungen, noch weiter zurückzuweichen. Einerseits wurde die Schließung der Universität sofort und komplett aufgehoben, andererseits mußte der König die Ausweisung von Lola Montez aus München verfügen.

Das Ende der Geschichte ist bekannt. Nach dem Sturm auf das Münchner Zeughaus, was der Volksbewaffnung gleichkam, sowie nach weiteren Unruhen in München und in anderen Teilen Bayerns, die auch damit zusammenhingen, daß es rasch Gerüchte gab, Lola Montez sei trotz ihrer Ausweisung wieder nach München zurückgekehrt, fühlte sich der König schließlich derart in die Enge getrieben, daß er den inzwischen überall geäußerten Forderungen nach mehr Bügerrechten und nach mehr politischer Beteiligung der bayerischen Untertanen nachgab. Da dies alles aber seinen Vorstellungen, wie er sein Königreich regieren wollte, diametral entgegenlief, übertrug er am 19. März 1848 die Krone seinem ältesten Sohn Maximilian, einen Tag später, am 20. März, unterzeichnete Ludwig I. seine Abdankungsurkunde. Nur auf diese Weise glaubte er der Zumutung, zu einem reinen „Unterschreibkönig“ degradiert zu werden, entgehen zu können.

Bemerkenswert ist freilich auch, daß nach der Abdankung Ludwigs I. von einigen weiblichen Mitgliedern des Königshauses der Versuch unternommen wurde, zumindest die Loyalität der Münchner Studenten wiederzugewinnen, indem diesen eine von der Königin, von der Herzogin von Leuchtenberg und von Prinzessin Luitpold angefertigte Fahne mit den bayerischen und gleichzeitig den deutschen Nationalfarben überreicht wurde.

 

KW

 

Literatur

Heinz Gollwitzer: Ludwig I. von Bayern. Königtum im Vormärz. Eine politische Biographie; München 21987

Andreas Kraus: Die Regierungszeit Ludwigs I. (1825-1848); in: Alois Schmid (Hrsg.): Handbuch der bayerischen Geschichte, begründet von Max Spindler, Bd. IV: Das Neue Bayern. Von 1800 bis zur Gegenwart, Teilbd. 1: Staat und Politik; München 22003, S. 127-234

Rainer Schmidt: In revolutionärer Unruhe 1830-1848; in: Laetitia Boehm / Johannes Spörl (Hrsg.): Ludwig-Maximilians-Universität Ingolstadt, Landshut, München 1472-1972; Berlin 1972, S. 251-270

Thomas Weidner (Hrsg.): Lola Montez oder eine Revolution in München; München 1998


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