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Dezember 2017

München ruft! – Broschüre der Deutschen Akademischen Auslandsstelle München (1940)

(UAM, St-II-16: Ferienkurse für Ausländer)

Internationalität ist heute eine Selbstverständlichkeit für eine renommierte Universität, auch was die Herkunft der Studierenden angeht. Das gilt – bereits seit dem 19. Jahrhundert – im großen Maße auch für die LMU. Und übrigens auch für eine Zeit, in der man solche Internationalität eher nicht vermuten würde...

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Traditionell zählte die LMU zu den von ausländischen Studierenden am stärksten frequentierten deutschen Hochschulen. Die Herkunftsstatistiken am Ende der jeweiligen Personalverzeichnisse lassen zudem eine hohe Ausdifferenzierung der Einzugsbereiche erkennen. Das spiegelt sich auch wieder in jenem Aktenbestand des UAM, der sich auf das reguläre Studium ausländischer Studenten an der LMU bezieht. Es gibt aber auch ein Aktenkonvolut mit dem Titel „Ferienkurse für Ausländer“. Blättert man in diesem, so fällt einem die hier gezeigte Broschüre in die Hände: in ihr wird die Isarmetropole schlicht als „die Ausländerstadt“ angepriesen. Das Druckwerk stammt aus dem Jahr 1940 – da befindet sich Deutschland bereits im Krieg und eine Vielzahl von Hochschullehrern der LMU in der Emigration! –

Wie an vielen anderen deutschen Hochschulen auch, waren bereits in den 1920er Jahren in München allgemeine Sprachkurse für ausländische Studierende sowie umfassendere Sommerakademien vor allem für ausländische Jung- Akademiker eingerichtet worden. 1926 bot solche Kurse erstmals die „Akademie zur wissenschaftlichen Erforschung des Deutschtums“, kurz „Deutsche Akademie“, in München an, eine Einrichtung, die anfangs nur personell, keineswegs aber institutionell mit der Universität in Verbindung stand und schon bei ihrer Gründung stark völkisch ausgerichtet war. Neben Sprachkursen und Lehrveranstaltungen zur deutschen Kultur im weitesten Sinne umfaßte das Programm auch Lehrwanderungen, Führungen und gesellschaftliche Veranstaltungen.

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Nach 1933 war zwar die Zahl der studierenden Ausländer auch in München kurzzeitig rückläufig, stieg dann aber sehr bald wieder an. Mit 12-15 Prozent aller ausländischen Studierenden im Reich hatte München ohnehin reichlich Potential zu bieten. Die Nationalsozialisten förderten die Kurse ab 1933 zunächst finanziell, griffen aber auch bald inhaltlich bei der Gestaltung der Veranstaltungen ein. Nicht nur der eben erwähnte Wiederanstieg der allgemeinen Studierendenzahlen nach etwa 1934/35, auch zusätzliche Maßnahmen der Nationalsozialisten – wie etwa weitere Stipendien – förderten die Ausländerkurse und führten sie in München zahlenmäßig bis 1939 zu einem Höhepunkt. Die Tätigkeit der akademischen Auslandsstelle in München wurde im Zuge der Gleichschaltung mittlerweile in Personalunion vom Leiter des Außenamtes der Gaustudentenführung München-Oberbayern, Werner Seydlitz, gesteuert. Seydlitz hatte den ungeheuren Wert der angehenden ausländischen Akademiker und künftigen Eliten ihrer Heimatländer für die deutsche Propaganda durchaus erkannt. Auch schon sein Vorgänger in der Leitung der Akademischen Auslandsstelle, Dr. Bauernfeld, hatte sich 1938 aus ähnlichen Beweggründen ausführlich mit einer Nutzung dieser Ressourcen für die nationalsozialistischen Ziele auseinandergesetzt. Seine umfangreiche Denkschrift „Das Auslandshaus München. Die Notwendigkeit der Schaffung eines Hauses für den Ausländer in München“ beschäftigt sich mit der Konzentration aller auf ausländische Studierenden bezogenen Aktivitäten in München im Zusammenwirken der Münchner Hochschulen mit allen einschlägigen Dienststellen unter einem Dach, eben jenem „Auslandshaus“, in dem allen Nationen zusammen wie auch getrennt Raum für eigene Aktivitäten und vor allem natürlich für den Kontakt mit der deutschen Kultur gegeben werden sollte. Als Vorbild nannte Bauernfeld u.a. das in Florenz bestehende „Auslandshaus“, dessen propagandistische Wirksamkeit für das Mussolini-Regime er besonders betonte.

Die Aktenüberlieferung „Ferienkurse für Ausländer“ ermöglicht über die engeren kulturpolitischen Absichten hinaus aber auch einen Blick auf die allgemeine Lage des Ausländerstudiums in München in den späten 1930er Jahren:

Während für die Herkunftsländer aus dem Westen, etwa Frankreich, England, Luxemburg, Schweiz, stark unterschiedlich allerdings die USA, besonders aber für Italien (wohl wegen der Südtirolfrage), die Tendenz zwischen 1931 und 1938 insgesamt nach unten zeigte, war nach 1933 vor allem eine starke Zunahme aus den südamerikanischen Ländern, ganz bedeutend aber aus den südosteuropäischen Ländern zu verzeichnen. Ursächlich für letzteres war u.a. die Tatsache, daß 1936 die Deutschlandstiftung des Mitteleuropäischen Wirtschaftstages zur Vergabe von Studienstipendien im Bereich der technischen, wirtschaftlichen und medizinischen Berufe nur für Bürger der südosteuropäischen Länder gegründet worden war. Der Deutsche Akademische Austauschdienst war beauftragt, diese Stipendien zu vergeben. Bezeichnend für die verstärkte Inanspruchnahme dieser Einrichtung für die wirtschaftlichen Interessen des Reiches ist die ebenfalls 1936 erfolgte Umbildung des Präsidiums des Austauschdienstes: An die Stellen des Leiters des Volksbundes für das Deutschtum im Ausland und des Vorsitzenden des Verbandes der deutschen Hochschulen traten nun die Präsidenten des Werberates der deutschen Wirtschaft und des Mitteleuropäischen Wirtschaftstages. In München trafen gerade diese Neuerungen im internationalen Austausch auf ideale Voraussetzungen, da München sowohl als Stadt wie als akademischer Ort sich traditionell seit dem 19. Jahrhundert als ein Tor zum Südosten Europas sah – und sieht.

 

WS

 

Literatur

  • Joachim Hoffmann (Hg): Der Deutsche Akademische Austauschdienst 1925 bis 1975. Bad Godesberg 1975.
  • Nicole Kramer: „München ruft!“ – Studentenaustausch im Dritten Reich am Beispiel der akademischen Auslandsstelle München, in: Elisabeth Kraus Hg): Die Universität München im Dritten Reich. Aufsätze. Teil I, München 2006, S. 123-180.

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