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Oktober 2017

Caspar Hentz, Pokal in Schiffsform, Augsburg, um 1594

(Ludwig-Maximilians-Universität München, Universitätsarchiv, Kustodie-A)

Der von dem Augsburger Goldschmied Caspar Hentz (1560–1635) geschaffene Trinkpokal war wohl nicht nur als prächtiger Tischaufsatz gedacht, sondern ebenso dazu, in heiterer Runde geleert zu werden. Das kunstvoll gestaltete Gefäß stellt ein Schiff dar, das ein auf einem Delphin reitender Triton über seinen Kopf hochstemmt. Der Schiffskörper präsentiert in feiner Treibarbeit die Welt des Meeres mit Neptun und Amphitrite sowie einer von einem Seeungeheuer getragenen weiteren Meeresgöttin; auch Schmuckdetails wie die Muscheln im Fuß sind diesem Thema zugehörig. Das Schiff, ein Zweimaster, ist mit Kanonen und Pulverfässern bestückt, Soldaten halten Wache, Matrosen klettern behende in der Takelage und halten ganz oben in den Körben Ausschau. Auf Deck geht es an einer Tafel im Heck fröhlich zu: Sechs Zecher – vielleicht feiern sie einen Schlachtsieg – werden von zwei Aufwärtern bedient, ein Musikant sorgt für Stimmung. Bei der Statuette der Fortuna, die den Aufbau über dem Heck bekrönt, handelt es sich um eine im Vergleich zum beschädigten bzw. verlorenen Original größere Figur. Auch die geblähten Segel wurden 1954 im Zuge der Restaurierung des im Zweiten Weltkrieg erheblich beschädigten Originals ersetzt.

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(zum Vergrößern bitte anklicken)

Die Goldschmiedearbeit von Caspar Hentz zählt zu den bedeutendsten Beispielen ihrer Art in Süddeutschland. Sie ist ein Abschiedsgeschenk Erzherzog Ferdinands, des nachmaligen Kaisers Ferdinand II. (reg. 1619–1637), an seine Universität Ingolstadt, an der er von 1590 bis 1594 studiert hatte. Mit dem in dieser Zeit weit verbreiteten Symbol des wehrhaften (Staats-)Schiffs wollte der Erzherzog, hinter dem freilich seine Erzieher und der Habsburger Hof standen, möglicherweise auch der gewandelten Rolle der Universität Ingolstadt Ausdruck verleihen, deren frühhumanistische Anfänge einer streng katholischen Richtung gewichen waren. Die Elemente der Ordenskette des 1430 gegründeten Ritterordens vom Goldenen Vlies auf den Segeln mögen als Hinweis gelesen werden auf die Mitglieder des Ordens als Garanten einer klugen Staatsführung, die sich insbesondere den Schutz der Kirche auf ihre Segel schreiben.

Seit dem Übergang zum 16. Jahrhundert hatten sich die humanistischen Tendenzen der 1472 gegründeten bayerischen Landesuniversität zunehmend deutlicher artikuliert; bis in die ersten Reformationsjahre herrschte ein recht freiheitliches Klima. Dies sollte sich mit dem entschiedenen Verbleiben der bayerischen Herzöge bei der angestammten Konfession ändern, ja, es hat sogar den Anschein, dass die Herzöge erst von der Universität Ingolstadt aus für die auf Entscheidung strebende Zeitlage geschärft wurden. Jedenfalls waren der Ingolstädter Professor Johann Eck, Luthers theologischer Hauptgegner in deutschen Landen, und sein Kreis maßgebend verantwortlich für den Wandel hin zu einer streng katholischen Ausrichtung der Landesuniversität. Eck legte den Grundstein für die altgläubige Hochburg Ingolstadt, aus der im weiteren Verlauf des 16. Jahrhunderts zahlreiche reformkatholische Theologen hervorgingen. Mit Unterstützung des Landesherrn Wilhelm V. führten die Jesuiten die von Johann Eck begründete Linie in drei Wellen (1549–1552, 1556–1573, 1576–1773) fort zu einem Höhepunkt. Ingolstadt wurde zwar nie eine jesuitische Volluniversität wie beispielsweise das benachbarte Dillingen, doch kam die für das philosophische Propädeutikum zuständige Philosophische Fakultät 1585 in die alleinigen Hände der Patres, denen es außerdem gelang, einzelne Lehrstühle in der Theologischen Fakultät zu erobern. Daneben unterhielt die Societas Jesu in Ingolstadt verschiedene Internate und für die Ausbildung der Anfänger ein Gymnasium. Das alle genannten Institutionen bündelnde Kolleg beherbergte aber auch von der Universität getrennte, nur für Ordenszwecke dienende Abteilungen.

Vor diesem Hintergrund hatte sich Ingolstadt als Studienort für Erzherzog Ferdinand, der hier auch auf seine Vettern, die Söhne Herzog Wilhelms V. von Bayern, traf, geradezu angeboten. Insbesondere unter der Obhut der Jesuiten war sichergestellt, dass der Erzherzog eine echt katholische Prägung erhalten und von protestantischen Einflüssen, wie sie in Innerösterreich herrschten, ferngehalten würde.

 

CS

 

Literatur

  • H. Seling, Die Kunst der Augsburger Goldschmiede 1529 bis 1868, 3 Bde., München 1980, Nr. 19/20 (für das Beschauzeichen); ebd. Nr. 1051 (für das Meisterzeichen)
  • L. Seelig, Pokal in Schiffsform, in: R. Baumstark (Hg.), Rom in Bayern. Kunst und Spiritualität der ersten Jesuiten. Katalog zur Ausstellung des Bayerischen Nationalmuseums. München, 30. April bis 20. Juli 1997, München 1997, 343 f., Nr. 48
  • N. Zweigler, Der Schiffspokal von Caspar Hentz in der Ludwig-Maximilians-Universität, 2 Bde., München 1998 (ungedruckte Magisterarbeit)
  • C. Stein, Die Kunstkammer des Augsburger Fürstbischofs Johann Egolph von Knöringen (1573–1575) und ihr Übergang an die Universität Ingolstadt 1573, in: Jahrbuch des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte 50 (2016) 233–306
  • C. Stein, Pokal in Schiffsform, in: P. Wolf u.a. (Hg.), Ritter, Bauern, Lutheraner. Katalog zur Bayerischen Landesausstellung 2017 (Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 66), Augsburg 2017, 286–288

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