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Handschriften allgemein

Direktor Schmid kümmerte sich im Zuge der geschilderten Archivarbeiten auch um eine angemessene Aufbewahrung und Erschließung des Handschriftenbestandes; dazu berichtet er: „Im Jahre 1881 suchte ich die wenigen Handschriften des Georgianums zusammen u[nd]. führte ein neues Fach ein Manuscripta (Ms) 8º, 4º, fol.“ – „2 Kästen für Manuscripte waren bis 1884 offene Gestelle ohne Rückwand u[nd]. Thüren für die Mappen des Archivs. Um die Actenstücke gegen Sonne u[nd]. Staub mehr zu sichern, ließ ich Rückwand u[nd]. Thüren anbringen; allein die Fächer waren bei Thüren zu wenig tief u[nd]. daher verwendete ich diese Kästen für Manuscripte u[nd]. ließ für das Archiv 2 neue liefern u[nd]. zerlegbare Kästen anfertigen.“ Wie angedeutet befindet sich der Handschriftenbestand heute nicht in der Bibliothek, sondern im Archiv, wie auch im Georgianum nach Möglichkeit eine Scheidung des gedruckten Materials (für Bibliothek) und des handschriftlichen Materials (für Archiv) eingeführt ist. Bei den Handschriften ist ebenso wie bei den Nachlässen auf die meistenteils verheerenden Schäden während des Zweiten Weltkrieges hinzuweisen. Der Handschriftenkatalog erlaubt eine exakte Quantifizierung der Verluste: 160 Handschriften 1939 gegen 120 Handschriften 2009, wobei zu bedenken ist, daß zwischenzeitlich entsprechendes Material zugeführt wurde.

Die wertvollsten Manuskripte rühren von Johann Adam Möhler her. Möhler gilt den einen als „wohl der bedeutendste und einflußreichste Theologe des katholischen Deutschlands im 19. Jahrhundert“, den anderen als „Kirchenvater der Moderne“. Nach Möhlers Tod 1838 bestand ein reges Interesse an den gedruckten Zeugnissen seines Geistes. Das Hauptaugenmerk mußte sich aber auf die hinterlassenen Papiere des Meisters selbst richten, deren Schicksal hier wenigstens in Umrissen gezeichnet werden soll. Nach Möhlers letztwilliger Verfügung fielen Manuskripte und Briefe an seinen Freund Direktor Georg Friedrich Wiedemann. Bei der bald einsetzenden regen Geschäftigkeit, mit der Ungedrucktes unter die Presse gebracht wurde, hielt sich Wiedemann auffallend zurück. Er selbst legte mit großer Wahrscheinlichkeit nur eine Artikelfolge vor „Geschichte Jesu und der Apostel“ und „Geschichte der christlichen Verfolgungen“. Großzügig überließ er aber Manuskripte jenen Freunden Möhlers, welche die Absicht äußerten, eine Edition in Angriff zu nehmen, namentlich Ignaz von Döllinger und Franz Xaver Reithmayr. Daß Wiedemann ein auffallend geringes Interesse an einer Auswertung der Papiere seines verstorbenen Freundes hatte, wurde bereits vermerkt. Diese Zurückhaltung nahm später bedenkliche Formen an. Wiedemann scheint in keiner Weise auf einer Rückgabe der Manuskripte, die er ausgeliehen hatte, bestanden zu haben. Dies gilt auch für solche Texte, bei denen sich die Edition verzögerte oder überhaupt nicht zustande kam. Schlimmer noch: Wiedemann scheint sich überhaupt nicht mehr um die Handschriften gekümmert zu haben. „Diese Möhler’schen Schriften kamen in den Besitz des H[ochwürdigen]. H[er]r[n] Directors Wiedemann; wurden von Letzterm (wie es scheint) an das Georgianum überlassen u[nd]. auf Ersuchen des H[ochwürdigen]. H[er]r[n] Directors Thumann 1860 von Dr. Stenglein durchgesehen. 1865 lagen sie zerstreut im Archive umher, weil nicht alle Bände mit Spagat zusammengebunden waren.“ – „Sie lagen unter einem Wuste von Maculaturpapier auf dem Boden des Archivs u[nd]. wurden von mir [Andreas Schmid] 1866 gesondert u[nd]. geordnet.“

Der Bamberger Bibliothekar Michael Stenglein, der Möhler noch persönlich gekannt hatte, fertigte über seinen Aufenthalt im Georgianum 1860 folgenden Bericht an, und zwar in Unkenntnis der an Döllinger und Reithmayr überlassenen Manuskripte: „Mit Ausnahme des Kirchenrechts ist Alles hier Vorgefundene bereits gedruckt. NB Die genaue Durchsicht der vorliegenden M[anu]s[kripte]. Möhlers zeigt thatsächlich, daß ein großer Theil, wo nicht der größte, des schriftlichen Nachlasses seiner gelehrten Ausarbeitungen zurückbehalten worden ist, a) so alle kirchengeschichtlichen Hefte, b) alle exegetischen Arbeiten, z. B. Römerbrief, den Reithmayr edirte oder vielmehr amplificirte, c) die Paulinischen Briefe ad Philippenses, Ephesier, Colosser (von dem Möhler 1835 u[nd]. [18]36 Vorträge hielt), d) namentlich die ausgezeichnete Antrittsrede 1835 über katholische Schriftauslegung (die ich selbst mit anhörte) und vieles Andere vermißt wird.“ Außerdem bemerkte Stenglein auf dem ersten Bogen der „Einheit“: „Manuskript zur Schrift Möhlers: Einheit in der Kirche, geordnet aus vielen zerstreuten und untereinandergeworfenen Bogen von Dr. Stenglein.“

In den Jahren nach der Gelehrtenversammlung von 1863 bemühte sich der Münchener Benediktiner Pius Bonifatius Gams, die noch erhaltenen Quellen zu Möhlers Leben zusammenzutragen. Dabei interessierten ihn vor allem die Briefe und Manuskripte des Meisters. Zunächst wußte er nichts von Möhlers testamentarischem Willen, die Papiere Georg Friedrich Wiedemann zu übergeben. Als er nach dessen Tod 1864 darauf aufmerksam gemacht wurde, erlebte er eine böse Überraschung. Ein Tagebuch Möhlers war ebenso verschwunden wie ein Aufsatz über die Jesuiten mit dem Titel „Sint ut sunt“. Der Münchener Antiquar und Buchhändler Zipperer, der mit der Ordnung, Katalogisierung und Versteigerung der Bibliothek Wiedemanns betraut gewesen war, hatte unter den Papieren desselben nur noch acht Briefe an Möhler aus den Jahren 1822 und 1823 vorgefunden. Zwei weitere Briefe an Möhler aus dem Jahre 1829 scheinen der Aufmerksamkeit Zipperers entgangen zu sein, sie liegen heute im Archiv des Georgianums.

Es dürfte also wohl Direktor Andreas Schmid zu verdanken sein, daß die bei Wiedemann verbliebenen Möhler-Handschriften gerettet und der Bibliothek des Georgianums einverleibt wurden. Das Interesse der Forschung an diesen Manuskripten war in der ersten Zeit aber sehr gering, sieht man einmal von einem Aufsatz Alois Schmids über den geistigen Entwicklungsgang Johann Adam Möhlers von 1897 ab. Mit Ausnahme der Vorlesungen über das Kirchenrecht waren die Arbeiten („Einheit“, „Athanasius“, „Symbolik“ und „Neue Untersuchungen“ sowie die Abhandlung über den Islam) von Möhler selbst oder von Reithmayr („Patrologie“; „Römerbrief“) zum Druck gebracht worden. Bei den zahlreichen Neuauflagen der Möhler’schen Bücher verzichteten Verlage und Herausgeber darauf, die Handschriften in München zu konsultieren. Erst Emil Joseph Vierneisel und Josef Rupert Geiselmann griffen darauf zurück. Vierneisel legte 1925 die „Einheit“ vor, und zwar den „Text der Ur-Ausgabe mit Nachträgen aus den Manuskripten“. 1938 folgten „aus Möhlers handschriftlichem Nachlaß“ eine kurze Abhandlung „von der Seligwerdung der Heiden“ und die von Möhler selbst gestrichene Vorrede zu „Athanasius“. Geiselmann druckte 1940 in der Sammlung „Geist des Christentums und des Katholizismus“ mehrere Texte aus den Handschriften des Georgianums ab. Von der geplanten kritischen Gesamtausgabe, die sich hauptsächlich auf das Material im Georgianum stützte, konnte Geiselmann nur die „Einheit“ und die „Symbolik“ vorlegen.

Das Archiv des Herzoglichen Georgianums verwahrt heute folgende Handschriften von Johann Adam Möhler:

4º 2/1 und 2: Einheit,

4º 3/1 und 2: Athanasius,

4º 4: Symbolik,

4º 5: Neue Untersuchungen,

4º 6: Patrologie,

4º 7/1: Kirchenrecht,

4º 7/2: Abhandlung über den Islam,

4º 11: Römerbrief,

2º 1/1: Kirchengeschichte.

Martin Deutinger d. J., ein ideenreicher Denker von hohem Rang, gestorben 1864, vermachte dem Georgianum seine Bibliothek, seine Graphiksammlung und das Kapital zur Stiftung des „Dr. Martin Deutinger’schen Stipendiums“. Unter den Bänden der Bibliothek fand sich die von Deutinger gefertigte Nachschrift der Vorlesungen über „Philosophie der Offenbarung“ und „Philosophie der gesamten Mythologie“, die Schelling in den Jahren 1833 bis 1836 gehalten hatte. Seit der noch während des Zweiten Weltkrieges oder bald danach erfolgten Ausleihe durch Rudolph Berlinger sind zwei der vier Oktavbände, näherhin die „Philosophie der gesamten Mythologie“ umfassenden, verschollen. Johannes Fellerer konnte Ende der 1930er Jahre während seiner Deutinger-Forschungen in der Bibliothek des Georgianums noch alle vier Bände einsehen.

Zu seiner großen Freude sah Direktor Andreas Schmid 1893/94 eine eingehende Biographie seines Vorgängers Matthäus Fingerlos, vielleicht des entschiedensten Pastoraltheologen und Seminarregenten der Aufklärungszeit, unter den Händen des „gewandten Historikers“ Theodor Wiedemann entstehen. Sie enthält nach dem Urteil von Direktor Eduard Weigl „viel Überflüssiges, Anekdoten- und Phrasenhaftes in breiter Ausführlichkeit. Immerhin sind viele Angaben brauchbar und geben, soweit sie quellenmäßig belegt werden, entsprechende Winke.“ Bedeutsam sind vor allem einige Briefe von Zeitgenossen Fingerlos’, die Wiedemann in einem heute verschollenen Nachlaß einsehen konnte und die er größtenteils in vollem Wortlaut mitteilte. „Wegen schwerwiegender Mängel“ blieb die Fingerlos-Biographie allerdings ungedruckt. Das Manuskript gelangte an das Herzogliche Georgianum und wurde dort den Handschriften beigesellt. Für seine Studie zum Konflikt zwischen Sailer und Fingerlos entnahm Weigl zwei Drittel des Manuskriptes, die dann in der entsprechenden Materialsammlung beim Nachlaß verblieben, das restliche Drittel wanderte zwischen die Urkundentaschen. Bedauerlicherweise erlangte Heinz Marquart für seine Fingerlos-Biographie nur Kenntnis von diesem restlichen Drittel, das Manuskript wurde erst kürzlich wieder zusammengesetzt.

Im Nachlaß von Eduard Weigl fanden sich aber auch drei Konvolute aus dem Nachlaß des Professors für Neues Testament bzw. Patrologie Otto Bardenhewer, gestorben 1935. Die drei Konvolute beinhalten die Dokumente zu Bardenhewers akademischer Karriere vor seiner Münchener Zeit: in der Hauptsache Berufungsverhandlungen, hervorzuheben dabei die Korrespondenz zwischen Friedrich Althoff und Otto Bardenhewer. Über seinen Amtsvorgänger Otto Bardenhewer berichtet Joseph Sickenberger: „[...] Und das ist möglich, weil Bardenhewer die wertvollsten Materialien zu einer Biographie hinterlassen hat. Er hat zwar die meisten Briefe, die er bekommen hat, vernichtet. Aber die Korrespondenz über wichtige Ereignisse seines Lebens hat er in wohlgeordneten Faszikeln aufgehoben und dabei die Abschriften seiner eigenen Briefe und sonstige erklärende Notizen eingefügt, so daß sich der Schluß nahelegt, Bardenhewer habe damit gerechnet, daß sein Nachlaß von anderen zur Kenntnis genommen und verwertet wird.“

Ein handschriftliches Gebetbuch aus dem späten 18. oder frühen 19. Jahrhundert mit eingebundenen Kupferstichen ist inzwischen ebenso der Gegenstand eines Aufsatzes geworden wie die durchschossenen, mit zahlreichen Änderungen und Ergänzungen versehenen Exemplare der 2. Auflage (für 3. Auflage 1853) und 3. Auflage (für 4. Auflage 1855) von Joseph Pfaffenbergers „Erklärung des heiligen Meßopfers von dem ehrwürdigen Pater Martin von Cochem“.

Allem Anschein nach verfügte die Bibliothek des Herzoglichen Georgianums über eine kleine Sammlung mittelalterlicher Handschriftenbruchstücke. Der Münchener Mediävist Paul Lehmann berichtet hierüber: „Auf Grund bibliotheksgeschichtlicher Erwägungen dehnte ich die planvolle Fragmentenjagd auf die Bibliothek des zuerst für die Artisten der Universität Ingolstadt gestifteten, dann der theologischen Fakultät überwiesenen und im 19. Jahrhundert von Ingolstadt über Landshut nach München verlegten Georgianum aus, noch ehe es im Frühjahr 1939 geschlossen wurde. Der letzte Vorstand Geheimrat Professor Dr. E. Weigl und Subregens Dr. theol. [Rudolf] Hofmann erlaubten und unterstützten mein Nachforschen im Georgianum, ganz besonders aber half mir dabei mein Schüler Dr. Jacob Gabler. Obwohl die Umstände und die mir zur Verfügung stehende Zeit es nicht zuließen, daß ich alle Regale des Georgianums Band für Band durchsah, so waren doch die verhältnismäßig wenigen Stunden der Arbeit in Kälte und Staub für Dr. Gabler und mich ergiebig genug.“ Bei diesen Recherchen kamen acht publikationswürdige Fragmente ans Tageslicht und wurden teils abgelöst, teils in den Fundbänden belassen. Die abgelösten Bruchstücke sind heute allerdings weder in der Bibliothek des Georgianums noch in der Universitätsbibliothek auffindbar, weshalb von einem Kriegverlust auszugehen ist.

 


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