Universitätsarchiv
print

Links und Funktionen

Navigationspfad


Inhaltsbereich

Nachlässe

Nicht sämtliche neun Nachlässe, die dem Herzoglichen Georgianum seit 1838 anvertraut wurden, liegen noch heute in dem Umfang vor, wie man sie seinerzeit dem Georgianum übergeben hatte. In erster Linie ist hier auf die meistenteils verheerenden Schäden während des Zweiten Weltkrieges hinzuweisen. Daneben gilt es allerdings, auf mindestens eine bewußte Vernichtung von Nachlaßgut unmittelbar nach dem Tod des Urhebers aufmerksam zu machen. Der Nachlaß des Professors für Dogmatik bzw. Apologetik Alois Schmid wurde 1910 nach dem Willen des Verstorbenen von seinem Bruder, Direktor Andreas Schmid, verbrannt. Die Autobiographie von Direktor Valentin Thalhofer wurde 1892 von seinem Nachfolger übrigens nur purgiert dem Druck übergeben.

Von folgenden Nachlässen soll hier die Rede sein: Prof. Dr. Franz Xaver Reithmayr 1872, Direktor Prof. Dr. Valentin Thalhofer 1891, Prof. Dr. Joseph Bach 1901, Prof. Dr. Alois Schmid 1910 und Direktor Prof. Dr. Andreas Schmid 1911. Gelangte ein Nachlaß an das Herzogliche Georgianum, schied man ihn dort, wenn auch nicht immer treffend, in eigentlichen Nachlaß und Handschriften im klassischen und weiteren Sinne. Bei den Nachlässen blieb die Mehrheit des Materials fast immer unverzeichnet, im Falle der Repertorisierung wurde es im Archiv eingereiht, über die Manuskripte informierte regulär der Handschriftenkatalog.

Der Nachlaß Reithmayr „wurde nach dem Tode Dr. Reithmayrs von dem Haupterben – Rentbeamten in Ebersberg, bei welchem Reithmayr vielfach die Ferien zubrachte – mit den Manuscripten Dr. Reithmayrs H[er]r[n] Director Dr. Thalhofer überlassen“. Unter den Handschriften befand sich Johann Adam Möhlers „Patrologie, oder christliche Literärgeschichte“ und sein „Commentar zum Briefe an die Römer“, wovon Franz Xaver Reithmayr Ausgaben veranstaltet hatte. Nicht erhalten hingegen ist Reithmayrs umfangreicher Briefwechsel, aus dem Thalhofer in seinem Nachruf fortlaufend zitierte. Besonders bedauerlich ist der Verlust der Korrespondenz zwischen dem Bischof von Speyer Nikolaus Weis und Franz Xaver Reithmayr, die nach Thalhofer mehrere hundert Stücke zählte.

„Nach dem Testament des H[ochwürdigsten]. H[er]r[n] Dompropsts Dr. Thalhofer 9. Nov[ember]. 1890 gehören sämmtliche Handschriften mir [Andreas Schmid]; angedeutet ist, ich könne sie dem Georgianum überlassen. Diesem Winke komme ich gerne nach.“ Wie im Nachlaß Reithmayr so befanden sich auch im Nachlaß Thalhofer zahlreiche Bischofsbriefe. Der Briefwechsel zwischen dem Bischof von Augsburg Pankraz Dinkel sowie dem Bischof von Speyer Daniel Bonifaz Haneberg und Valentin Thalhofer ist glücklicherweise vollständig bzw. teilweise erhalten. Allerdings ist die Korrespondenz zwischen dem Erzbischof von Bamberg Michael Deinlein und Valentin Thalhofer abgängig. Die Konzilsbriefe von Pankraz Dinkel wurden (ebenso wie drei Hanebergbriefe) kürzlich im Nachlaß von Eduard Weigl entdeckt. Ob er sie zum Zwecke der Publikation als Konvolut separierte oder um sie den Blicken anderer Benutzer zu entziehen – gehörte Dinkel doch zur Minorität auf dem Ersten Vatikanischen Konzil! –, muß offen bleiben. Anzunehmen ist die erstgenannte Variante, da Weigl in kirchenpolitischen Fragen eine eher freimütige Haltung an den Tag zu legen pflegte. Jedenfalls fehlen die Konzilsbriefe in der von Walter Dürig veranstalteten Ausgabe und werden demnächst, zusammen mit weiteren bislang übersehenen Dinkelbriefen, ediert.

Der Nachlaß Bach beinhaltet als wertvollstes Stück ein bisher unveröffentlichtes Manuskript über die Erkenntnislehre des Hl. Thomas von Aquin, das Gegenstand zweier Aufsätze geworden ist. Eine vollständige Edition ist darüber hinaus bereits angekündigt.

Über den Nachlaß Andreas Schmid liegt folgende Charakterisierung vor: „Andreas Schmid hat einmal gesagt, die Wissenschaft seines Bruders ginge in die Tiefe, die seine in die Breite. Diese Charakteristik ist doppelt wahr, wenn man die Unzahl von Gegenständen betrachtet, welche er zeit seines Lebens gesammelt hat. Er war ein Sammelgenie und hat in Wirklichkeit alles gesammelt, wenn einem Dinge nur ein Schimmer ideellen Wertes abzusehen war. Gewiß hat ihn seine Lehrmethode auf die Suche nach Anschauungsmaterial geschickt. Aber dieser Sammeltrieb, der gar nicht sattsam genug sich ausleben konnte, war ihm sicherlich angeboren. Das zeigt schon die sorgsame Buchung seiner Jugenderinnerungen, mit der er begonnen, da er von einem Lehrstuhle noch gar nicht träumen konnte. Man weiß nicht, was man mehr bewundern soll, das Interesse, das auf das bunteste Vielerlei sich erstreckte, oder die Zähigkeit, mit der er suchend durch das Leben ging, oder die Genialität, mit welcher er überall etwas zu finden wußte. Man muß die Räume und Winkel des Georgianums, die Hunderte von Mappen und Mäppchen, die Schränke und Behältnisse in allen Größen und Formen, welche seine Schätze bergen, sorglich und liebevoll mustern und durchstöbern, um sich von dem Sammelfleiße dieses Mannes einen Begriff zu bilden. Da trug er an die Tausend verschiedene Medaillen zusammen, Denkmünzen profaner und religiöser Art, Geldsorten, singuläre Rosenkränze und deren Spielarten in außerchristlichen Religionen, Abzeichen religiöser Bruderschaften, Hostien der verschiedenen christlichen Kulte und Hostieneisen, Eulogien und Weihrauchsorten. Das ganze Gebiet der religiösen Ikonographie ist bei ihm in rund 30 000 Exemplaren vertreten und fein säuberlich systematisiert und geordnet. Das schlichteste Bildchen, wie man es dem Kinde in der Schule schenkt, hatte für ihn Wert. Illustrationen in Zeitungsbeilagen, Ornamente und Motive in eingelaufenen Reklamsendungen schnitt er aus und reihte sie an Ort und Stelle ein. In den letzten Jahren, wo die Attaque mit Reklam- und Ansichtssendungen immer unheimlicher anschwillt, klagte er wiederholt, daß er der Sache nimmer Herr werden könne. Und tatsächlich ist er auch nicht fertig geworden. Denn bei seinem Tode harrten noch Hunderte solcher Effekten im buntesten Durcheinander der Sichtung.“ Der Großteil des Schmid’schen Nachlasses, wozu auch ein Tagebuch zählte, und nicht minder bedauerlich der von ihm aufgebauten Sammlungen (sieht man einmal von der Kunstsammlung ab) hat den Zweiten Weltkrieg nicht überstanden.

Schließlich ist auf den Nachlaß von Direktor Prof. Dr. Eduard Weigl hinzuweisen. Nach Weigls Tod 1960 befanden sich Teile des Nachlasses bei Studienprofessor Pemsel in Regensburg (Manuskripte und Materialsammlungen), der sie Weigls Biographen, dem Augsburger Dompropst Albert Vierbach, überließ, und bei Prof. Georg Pfeilschifter-Baumeister (die Akten über den Konflikt mit Kardinal Faulhaber in der Spiritualfrage sowie gleichfalls Manuskripte und Materialsammlungen). Um 1964 kam das gesamte Material an das Georgianum. Der Nachlaß von Eduard Weigl wurde inzwischen provenienzrein aufgestellt. Ausgegliedert wurden dabei etwa zahlreiche ältere Produkte, die Weigl freundlicherweise unter Angabe der Signatur aus dem Archiv entnommen und seiner Materialsammlung zur Geschichte des Georgianums bzw. zum Konflikt zwischen Matthäus Fingerlos und Johann Michael Sailer eingegliedert hatte.

 


Servicebereich