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Graphiksammlung

Die Leistungen Deutingers auf dem Gebiet der Kunsttheorie und Kunstgeschichte, der Ästhetik und Poetik sind zwar in den Rahmen seiner christlichen Philosophie eingebunden, haben jedoch wegen der tiefen Kenntnisse, die er sich durch umfangreiche Studien erworben hatte, eigenständiges Gewicht erlangt. Manche seiner Ansätze, etwa der, die Kunstgeschichte und Ästhetik wieder aus der Anschauung der Werke selbst heraus zu entwickeln, waren zur damaligen Zeit neu. Eine beeindruckende Vorstellung von den empirischen Grundlagen bei Deutinger vermittelt seine 21 296 Nummern umfassende Sammlung von Kunstblättern (Handzeichnungen, Holzschnitte, Kupferstiche, Stahlstiche, Lithographien, Photographien, 16.–19. Jahrhundert). Deutinger wertete zahlreiche gedruckte Kataloge von Kunstsammlungen des In- und Auslandes sowie weitere artistische Veröffentlichungen für seine kunsthistorischen Forschungen aus. Die Tafeln trennte er dabei für die Graphiksammlung heraus und klebte sie auf Papierbogen. Außerdem erwarb er auf seinen ausgedehnten Reisen Einzelblätter in namhaftem Umfang und klebte sie dann ebenfalls auf. Die handschriftlichen Bemerkungen Deutingers führen nicht nur in das jeweilige Kunstwerk ein, sondern enthalten auch seine bei Museumsbesuchen gewonnenen Eindrücke. Deutingers Kunstlehre blieb jedoch in seiner Zeit ohne großen Widerhall und ohne besondere Nachwirkung, wohl deshalb, weil sie als integraler Bestandteil des Werkes eines katholischen Philosophen von der protestantisch dominierten Wissenschaft übersehen wurde.

Als am 14. Januar 1865 Andreas Schmid zum Subregens des Herzoglichen Georgianums ernannt wurde, harrte seiner eine mühselige Aufgabe, die ihn bis zum 3. Mai 1870 in Beschlag nehmen sollte. Am 9. September 1864 war während einer Erholungsreise in die Schweiz der Philosoph und Universitätsprediger Martin Deutinger gestorben. In dem nur wenige Monate vor seinem Tod abgefaßten Testament hatte er wie angedeutet das Georgianum zum Erben seiner Bibliothek und Graphiksammlung bestimmt. In den Herbstferien 1867 katalogisierte Schmid die 1068 Titel umfassende Bibliothek, für den Standortkatalog der 21 296 Nummern zählenden Sammlung von Kunstblättern brauchte er vier Jahre, von 1866 bis 1870. Er erschloß damit dem Georgianum und darüber hinaus der wissenschaftlichen Forschung zwei Sammlungen, die aus ihrem nun schon über 100 Jahre währenden Dornröschenschlaf noch nicht erweckt wurden. Die von Schmid nach dem Standort katalogisierten Mappen umfassen Architektur, Malerei und Plastik, chronologisch geordnet nach Schulen und Meistern. Die Materialsammlung zur Malerei dominiert quantitativ Architektur und Plastik, was aber nicht zu dem Fehlschluß verleiten darf, die letztgenannten künstlerischen Ausdrucksformen seien Deutinger entgangen. Schon an seiner Bibliothek wird deutlich, daß er in seinem ästhetischen Entwurf alle Gebiete der Kunst beachtet hat. Nachdem Andreas Schmid 1877 Direktor geworden war, beauftragte er einzelne seiner Alumnen, den Standortkatalog zur Deutinger’schen Graphiksammlung um einem Zettelkatalog nach Künstlern, Themen und Orten zu ergänzen, der schließlich auf 39 Kapseln anschwoll: „Von 1866–1870 fertigte ich den Standcatalog; allein obige 3 Verzeichnisse würde ich nicht zu Stande bringen, wenn ich noch 20 Jahre Director wäre, da ich oft Monate hindurch kaum 1 Stunde Zeit für mich habe. Nun stellte ich am 22. Dez[ember]. 1884 den Alumnen den Nutzen obiger Cataloge dar u[nd]. fragte, wer 1 Mappe zur Catalogisirung übernehme. [...] Am 24. Dez[ember]. 8 ½ – 9 ½ gab ich Anleitung zur Catalogisirung u[nd]. theilte jedem der obigen Herrn eine Mappe mit. Bestellte 26 000 Zettel [...]. Bis anfangs Februar wurde die Arbeit der Alumnen fertig. Ich dankte öffentlich u[nd]. gab jedem der 50 Herrn einen Lichtdruck vom Georgianum in 4to ex propriis bezahlt [...]. Eine große Arbeit kam so unitis viribus zu Stande; freilich wäre sie besser u[nd]. schneller von Einem gemacht worden, allein wer will sie leisten? Die Schachteln ließ ich mit Deckeln versehen, weil sie doch seltener benützt werden als in der Bibliothek u[nd]. den Staub abhalten.“

 


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