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Geist der Stiftung

Eduard Weigl, Der Stiftungscharakters des Herzoglichen Georgianums

Der ursprüngliche Charakter der Stiftung des Georgianums

Allenthalben ist aus der Stiftungsurkunde (14. Dez. 1494) ersichtlich, daß es Herzog Georg, dem Reichen, bei seiner Stiftung zu tun war um eine höhere theologische Bildung in seinem Lande. Mit besonderer Betonung wird wiederholt von „Gelehrten“ und „Gelehrsamkeit“ gesprochen und vom Nutzen, der von einer höheren theologischen Bildung ausgeht (n. 2, n. 3 der Urkunde). Diese höhere theologische Bildung soll armen, talentierten Schülern durch Freiplätze in dem neuen Kollegium (Georgianum) ermöglicht werden (n. 15, 16, 17). Der jeweils präsentierte Kandidat kann nach vollendetem 16. Lebensjahr ins Georgianum eintreten und 5 Jahre darin verweilen (n. 17, 18). Nicht unwichtig ist, daß der Herzog über sein Stiftungsvorhaben, wie er gleich anfangs der Urkunde vermerkt (n. 3), mit den Bischöfen Sixtus von Freising und Wilhelm von Eichstätt sich beraten hat.

Zunächst wird in der Urkunde auf allgemeine Punkte hingewiesen (n. 2): auf die Bedeutung des christlichen Glaubens, welcher „am maisten durch der Schriftgelehrten Kunst und Lere mit Predigen und Disputacion ausgebreitt und gepflannzt wirdet“, auf den Umstand, daß „Ketzerey und Mißglauben ersteen“, welche „am stattlichsten mit der Schriftgelehrten Kunst widersprochen und ausgerewt werden“, daß „vil Gotzdienst des Gebets und andechtig Gesang … durch die Gelerten vollbracht“ werde, „durch Lere und Kunst wird die menschliche Vernunft erleicht und zu tugenthaft erbern Sitten gewentt … damit die Schriftgelerten auch gemainen Nutz und die Gerechtigkeit wol fürdern mögen.“

Auf solchen Grundsätzen fußend wird die Stiftung gemacht (n. 3), damit arme und dürftige Schüler, die es sonst nicht vermöchten zu bewährter Kunst und Verständnis der heiligen Schrift gefördert werden, zur Bekräftigung des christlichen Glaubens, zu Gunsten des Herzogs, seines Landes und seiner Leute, indem durch der Gelehrten Kunst, Lehre und Predigt mehr Befolgung der Gerechtigkeit und tugendhafter Sitten, mehr Verständnis der heiligen Schrift, der göttlichen Lehre und des christlichen Gottesdienstes bewirkt werde, „damit wir (der Herzog) uns und auch unsere Vorvorderen des Gebets, der Andacht und guter Werke teilhaftig machen“.

Diese Motive sprechen deutlich für den theologischen Zweck der Stiftung. Als weitere Momente kommen in Betracht: Gleich zu Anfang wurde auch eine Kapelle für die Kollegiaten erworben (n. 4). Der Meister (Regens) des Kollegiums soll Baccalaureus der hl. Schrift (theologisches Fach) sein, er soll Priester sein oder innerhalb Jahresfrist die Priesterweihe empfangen und die Messe in der Kapelle für die Kollegiaten lesen (n. 19). Die Kollegiaten werden zu Gebet und Gottesdienst verpflichtet (n. 19), im besonderen ist von Gebet und Gottesdienst und vom täglichen cursus Marianus in n. 22 die Rede.

Eindeutig ist der geistliche Zweck der Stiftung in den zwei Bestimmungen ausgedrückt: Wer von den Kollegiaten Diakon, Subdiakon, Priester oder Benefiziat wäre, ist wie der Regens zum kanonischen Stundengebet verpflichtet, an den Feiertagen noch zum cursus Marianus (n. 22 gegen Schluß). Die Studierenden des Kollegs sollen anfangs die sieben freien Künste (in der artistischen Fakultät) lernen, bis sie Meister werden und so viel Zeit von 5 Jahren Aufenthalt im Kolleg noch bleibt, soll ein jeder in der heiligen Schrift der Theologie studieren (n. 33).

Der klerikale Charakter der herzoglichen Stiftung wird auch aufs klarste bestätigt durch die Tatsachen: In der nachfolgenden Zeit wurden die herzoglichen Freistellen immer als solche angesehen, welche die Verpflichtung zum geistlichen Stand auferlegen. Dies geht aus den Bestimmungen hervor, welche Albrecht V. 1563, Ferdinand Maria 1675 erließen, desgleichen Karl Albert 1727. Die ersten Zustiftungen enthalten immer die Verpflichtung zum geistlichen Stand.

Gemischter Charakter von Zustiftungen von Mitte des 16. Jahrh. (c. 1550) – 1785

Das Georgianum ist nicht blos wittelsbachische Stiftung. Die herzogliche Stiftung war für 11 Freistellen. Bei dem Ansehen, dessen sich diese Stiftung erfreute, erhielt sie im Laufe der Zeit eine Menge Zustiftungen, welche das ursprüngliche Stiftungsgut weit übertrafen. Gegen Ende seiner Stiftungsurkunde (n. 34, 35) forderte der Herzog zu weiteren Stiftungen (Zustiftungen) auf. Zwar hatte er in der Urkunde die Bestimmung getroffen, daß die Studierenden, welche neue Stiftungsfreistellen genießen, völlig gleich den herzoglichen Kollegiaten behandelt werden sollen, nirgends aber wurde ausgesprochen, daß diese den geistlichen Stand ergreifen sollen. Dem neuen Stifterwillen war somit Freiheit gelassen. Erst Mitte des 16. Jahrh. erscheinen, zunächst vereinzelt, Stiftungen mit gemischtem Charakter. So stiftete der Regens des Georgianums Erasmus Wolf (1544–1551) einen Freiplatz ins Georgianum für einen Studenten der hl. Schrift oder der Rechte oder der Arznei. Ja es kam vor, daß ein Domherr von Passau und Probst zu Vilshofen, Michael Benz, 1579 ein Stipendium ins Georgianum stiftete für Studierende aus der Freundschaft des Stifters selbst ohne Rücksicht auf die Konfession, aber mit dem Wunsche, ein Nichtkatholik möge zum katholischen Glauben zurückkehren und zu diesem Zwecke in der katholischen Religion unterrichtet werden. Ähnlich verfügte um dieselbe Zeit der hochberühmte Glaubensverteidiger („mastyx haereticorum“) Martin Eisengrain. Aus diesem Umstande, daß selbst geistliche Dignitäre und Regenten des Georgianums Stiftungen mit gemischtem Charakter ins Georgianum machten, geht hervor, daß seit Mitte des 16. Jahrh. eine freiere Auffassung über Aufnahme ins Georgianum herrschte. So kam es, daß im Georgianum zwei Jahrhunderte lang neben Theologen auch Juristen und Mediziner unter einem Dache wohnten. Anfänglich selbst noch bis ins 18. Jahrh. herein, mochte die Zahl der im Georgianum befindlichen Nichttheologen keine übergroße sein, später und zu gewissen Zeiten waren es mehr, weil 1734 berichtet wird, daß ins Georgianum aufgenommen wurden: 15 Theologen, 13 Juristen, 8 Philosophen. Hierbei ist wohl zu beachten, daß unter angeführten 36 Studierenden 9 Konviktoren (= zahlende Studenten) waren, also nur 27 Freistellen verliehen wurden. Zudem waren noch 3 Präsentationen ausständig (Landshut, Burghausen, Öttingen), sodaß das Zahlenverhältnis der Stipendiaten folgendes ist: 12 (15) Theologen, 9 Juristen, 6 Philosophen.

Der gemischte Charakter der Stiftungen wurde hauptsächlich durch das Aufkommen der Familienstipendien begünstigt. Studierende aus der Verwandtschaft sollten gefördert werden und das Stipendium keineswegs verlieren, wenn sie nicht gesonnen wären Theologie zu studieren. Es läßt sich aber denken, daß auch unter den Familienstipendiaten immer eine Anzahl war, welche sich für den geistlichen Stand entschieden. Desgleichen finden wir auch bei den Familienstipendien, wenn Nichtverwandte präsentiert wurden, die Bestimmung vor, daß solche Kandidaten zum geistlichen Stande bezw. zur Restitutionsleistung verpflichtet wurden. So stiftete Fator, Direktor des Ballhauses zu München, 1586 ein Stipendium mit freier Berufswahl für den Studierenden aus der Familie. War kein solcher vorhanden, sollte einer gewählt werden, der geistlich zu werden versprach. Ähnlich waren die 2 Eisengrain Stipendien gestiftet.

Übrigens wurden später einzelne solcher Familienstipendien aus dem Vermögen des Georgianums ausgeschieden und von der Universität selbständig und getrennt verwaltet, wie die zwei Eisengrain Stipendien, vgl. die Verleihungen der neueren Zeit.

Trotz alledem behielt auch in jener Zeit des gemischten Charakters einzelner Stiftungen das Collegium Georgianum als Ganzes vorwiegend den theologischen Charakter und waren die Herzöge immer darauf bedacht. Dies erhellt aus folgenden Umständen:

Für die ursprünglichen Herzog Georg’schen Stiftungen, sowie eine erkleckliche Zahl späterer Zustiftungen wird ausdrücklich die Wahl des geistlichen Standes verlangt. Bereits Herzog Albrecht V. 1563 erließ für die Inhaber solch geistlicher Stipendien die Bestimmung: Jeder Stipendiat, der nicht in den geistlichen Stand eintritt, soll das genossene Stipendium ersetzen, wenn er zu Vermögen komme. Die von Ferdinand Maria 1675 erlassenen Statuten stellten als Hauptbedingung für Verleihung eines derartigen Freiplatzes die Forderung auf, daß der Stipendiat Kleriker werde. Diese Verpflichtung wurde den Praesentierenden und dem Praesentiertem mitgeteilt. Auf eigenen gedruckten Handzetteln waren die diesbezüglichen Fragen zusammengestellt.  Wiederum erneuerte Karl Albert 1727 diese Bestimmungen und verordnete, ein solcher Stipendiat soll vor seiner Aufnahme bereits die 4 niederen Weihen empfangen haben.

Wie schon angedeutet, war die ganze Organisation des Kollegiums (Statuten, Gebetsverpflichtungen, Kleidung etc.) für sämtliche Studierende einheitlich und theologisch ausgerichtet.

Somit wird auch verständlich, wie der Kurfürst Karl Theodor 1785 erklären konnte: „Nachdem das Collegium Georgianum in Ingolstadt von jeher den bischöflichen Seminarien dergestalt gleich gehalten worden, daß selbem die Befreiung von einem Bischöflichem Seminar anklebte…“

Übrigens spielt die vor 1785 liegende Entwicklung des Georgianums nach der vermögensrechtlichen und wirtschaftlichen Seite keine ausschlaggebende Rolle mehr, da alle Stiftungen mit Einschluß der Herzoglichen im Laufe der Jahrhunderte stark entwertet wurden. Der vermögensrechtliche und wirtschaftliche Aufschwung des Instituts datiert erst wieder seit Ende des 18. und im Laufe des 19. bezw. 20. Jahrhunderts.

Das Georgianum als „Geistliches Erziehungshaus“ nur für Theologen seit 1785

Schon 1783 sprach sich Kurfürst Karl Theodor in einem Schreiben an den kurfürstlich geistlichen Rat dahin aus, daß für die Bildung der jungen Geistlichkeit künftig besondere Sorge getragen werden soll. Er forderte ihn zu einem ausführlichen Vorschlag auf, wie und aus welchen Mitteln ein allgemeines kurfürstliches geistliches Seminarium angelegt und hergestellt werden soll.

Durch Erlaß vom 31. Aug. 1785 verordnete der Kurfürst, daß das Collegium Georgianum baldmöglichst nach den bestdisziplinierten Seminarien eingerichtet und hergestellt werde.

Vor allem wurde bestimmt, daß alle pfalzbairischen Studierenden, welche sich dem geistlichen Stande widmen, nicht zu den höheren Weihen und besonders zum Priestertum zugelassen werden, als bis sie entweder im Collegium Georgianum oder in einem Bischöflichen Seminar wenigstens zwei Jahre hindurch teils in allen geistlichen Übungen, teils in den theologischen und anderen ihrem Beruf notwendigen Wissenschaften vollkommenen Unterricht erlangt haben, daß alle Studierenden, welche in Ingolstadt Benefizien oder Stipendien, denen die Obliegenheit des geistlichen Standes vermöge Stiftungsbrief anklebt, genießen, im Collegium Georgianum auf eine gleichförmige und ihrem zukünftigen Stande abgemessene Art erzogen werden.

Die jeweils erlassenen Statuten des Georgianums weisen diesen rein theologischen Charakter auf: 1795, 1805, 1823, 1833, 1893.


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