Universitätsarchiv
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Geschichte des Archivs

Ältere eingehende Nachrichten über das Archiv des Herzoglichen Georgianums fehlen. Der erste Hinweis auf ein Archiv stammt von 1534. Als im Jahre 1534 der Vertreter der Theologischen Fakultät nicht erreichbar war, um mit seinem Schlüssel das Aerar der Universität zu öffnen (die Öffnung war nur bei vollzähliger Anwesenheit aller Fakultätsvertreter möglich), mußte der Kämmerer mit einer zu deponierenden Summe Geldes auf das aerarium des Georgianums ausweichen; in einem aerarium – auch archa oder cista – wurden sowohl Geld als auch Dokumente aufbewahrt: „Propter penuriam clavium facultatis theologice reposita est infrascripta pecunia et sigillum magnum universitatis in quodam sacco obsignato per camerarium [...] in cistam erarii novi collegii, sc. 615 fl. an patzen, 310 fl. an halben patzen oder groschlein, 15 fl. an zehenwentzern.“

Eine gutachtliche Äußerung der Philosophischen Fakultät von 1587 enthält die erste Archivordnung des Herzoglichen Georgianums: „Omnia instrumenta, literae et quaecunque scripta, quibus fundationes, reditus, iura, privilegia etc. collegii continentur, diligenter conquirenda et in arca bene munita, quae tribus distinctis clavibus aperiatur, conservanda, quarum unam magistratus proprius regentis, alteram camerarius academicus, tertiam regens hebeat; fiant vero scriptorum alicuius momenti transumpta authentica ut minimum duo, quorum unum sit penes regentem, alterum penes regentis proprium magistratum.“ Diese Archivordnung brachte noch in den 1580er Jahren die Anlage des ersten Archivinventars mit sich. 1680 übergab der Regens dem Universitätsarchivar Dominikus von Bassus 23 Fundations- und Konfirmationsbriefe im Original. Anläßlich der Rückgabe am Ende des genannten Jahres vermerkte der Regens, daß diese Urkunden „in des SubRegenten Stuben in dem eingemauert und mit einem eysernen Thürl versperten Cästl verwahrt“ würden. Dieses „Cästl“ ist wohl identisch mit jenem, das in der Stiftungsurkunde des Kripper’schen Stipendiums von 1570 erwähnt wird. Darin heißt es, daß nach dem Tod von Regens Christian Kripper seine Bibliothek zu inventarisieren und in Zukunft von dem älteren der Stipendiaten in einem in die Stubenmauer eingelassenen Kasten zu verwahren sei. Aus einem Plansatz von 1788 geht hervor, daß sich damals das Archiv in der Nordwestecke des Erdgeschosses des Altbaues befand. 

1755 erhielt das Archiv die dahin gehörigen Akten aus dem Nachlaß des Universitätsarchivars Hermann Anton Maria von Chlingensperg. Bevor Kurfürst Karl Theodor 1785 das Georgianum zum ausschließlich klerikalen Seminar erklärte, hielt sein Geistlicher Rat in Ingolstadt eine Lokalkommission, der mehrere Akten aus dem Archiv übergeben werden mußten. In einem Promemoria stellte der Regens zeitnah die Bitte um Rückgabe „um so mehr, als derlei OriginalProducten bei allenfahls sich ergebenden Anständen anhanden seyn müssen“. Seine Bitte mußte der Regens zweimal wiederholen, ehe die Archivalien 1788 zurückkehrten. Ob das Georgianum 1789 aus dem Nachlaß des Universitätsarchivars Johann Joseph Prugger die Akten, „welche zur Registratur [...] gehörig sind“, erhielt, bleibt unklar. Anläßlich der 300-Jahr-Feier beantragte das Georgianum 1794: „Da einige wichtige, zur Collegiiregistratur gehörige Aktenstücke, dergleichen die Originalakte, welche die Zusammenschlagung der Stipendien betrifft und mehr Anderes, was teils bey einer Hochlöbl. churfürstl. Hofkammer, teils beim Hochlöbl. geistlichen Rath in München ligt und hieher gehört, abgängig ist, so wird auch um solche Akten das unterthänigst gehorsamste Ansuchen gestellt.“ 1795 genehmigte Kurfürst Karl Theodor die vorgetragene Bitte. Eine Abgabenachricht von das Georgianum betreffenden Akten und Rechnungen aus der Registratur des Geistlichen Rates an die Philosophische Fakultät von 1796 steht wohl nicht im geschilderten Zusammenhang. 1826 erhielt das Archiv von der Universitäts-Fonds-Administration Landshut eine Abgabe, meistenteils Akten und Rechnungen der Stipendien und Benefizien. Schließlich übersandte 1840 der Stadtpfarrer von Spalt Abschriften von Stiftungsbriefen in der Meinung, daß „die Original-Urkunden seit der Translation der Universität v[on]. Ingolstadt nach München [sic] unbekannt seyn sollen“.

Ohne Zweifel vor dem Hintergrund der 400-Jahr-Feier des Georgianums 1894 und der damit einhergehenden Notwendigkeit der Erstellung einer Chronik leitete Direktor Andreas Schmid eine Repertorisierung des Archivs ein. Ganz ähnlich war übrigens die Ludwig-Maximilians-Universität 1872 anläßlich ihrer 400-Jahr-Feier vorgegangen. Über die „Ordnung des Archivs des Georgianums 1881–1891“ berichtet Direktor Schmid: „Durch die Verlegung des Georgianums 1800 Ingolstadt – Landshut, 1826 Landshut – München Ordinariatsgebäude,  1840 Ordin[ariatsgebäude]. – Ludwigsstraße kam das Archiv in Unordnung, wenn es je geordnet war. H[er]r Subregens [Anton] Scheidl [1856–1864] versuchte schon Ordnung, wie man sieht u[nd]. wie er mir sagte, schaffte blaue Pappdeckel mit Bändern an. 1877 ließ ich neue Aktenumschläge mit Titel drucken u[nd]. wiederum 1881, weil ohne Umschläge in kurzer Zeit Alles wieder zerstreut werden kann. Da ich selbst weder Zeit noch hinreichende Fachkenntnisse habe, beantragte ich 1881 Ordnung durch einen tüchtigen Accessisten des Reichsarchivs – Mayerhofer – u[nd]. erlangte Genehmigung von 400 M[ar]k; allein Mayerhofer war nervös sehr leidend u[nd]. schob die Arbeit 2 Jahre lang hinaus. Auf obigen Gedanken kam ich, weil Exc[ellenz]. der H[ochwürdigste]. H[er]r Erzbischof [Antonius] v[on]. Steichele bei einer Abendunterhaltung dem H[ochwürdigsten]. H[er]r[n] Bischof Pancratius [Dinkel] erzählte, ein Baron in N. habe sein Archiv durch einen Accessisten gut ordnen lassen. Am 21. Mai 1883 sah ich bei H[errn]. Mayerhofer in Wohnung nach u[nd]. hörte, er sei Bibliothekar in Donaueschingen geworden u[nd]. seit April abgereist. Am 29. Mai ersuchte ich dessen Collegen im Archiv Dr. [Hermann] Grauert um Mittheilung eines geeigneten Herrn. [Auf der hier eingeklebten Visitenkarte verweist Hermann Grauert auf den Reichsarchiv-Praktikanten Sebastian Göbl.] Es wäre mir sehr lieb, wenn mir die Ordnung gelingen würde; denn auf 3 Jahre ist 400 M[ar]k genehmigt u[nd]. ein fachmännisch geordnetes Archiv wäre von unbeschreiblichem Werthe. Nach dieser Arbeit wäre nicht mehr schwer, zum 400j[ährigen]. Jubiläum eine Geschichte des Georgianums zu schreiben. Am 3. Juni (Sonntag) 1883 sah Herr Accessist am Reichsarchive Göbl Sebast[ian]. die Arbeit an u[nd]. übernahm sie. Um späteren Schwierigkeiten vorzubeugen, berichtete ich an das k[önigliche]. Minist[erium]. Im Winter 1883/84 arbeitete H[er]r Göbl an der Ordnung, indem ganze Koffer voll Akten in seine Privatwohnung gefahren wurden. Eine Störung trat ein, weil H[er]r Göbl 1884 nach Nürnberg u[nd]. später nach Würzburg versetzt wurde bis Dez[em]ber 1890. Um die Ordnung zu erzielen, bot ich ihm in Ferien Wohnung u[nd]. freie Verpflegung an. Unter diesen Schwierigkeiten schritt die Arbeit allmälig vorwärts. Von Jan[uar]. 1891 – Sept[ember]. 1891 war H[er]r Göbl wieder am Archive in München angestellt. Ende September 1891 vollendete er die Arbeit. Leider gab ich ihm die Registratur nicht zur gleichzeitigen Ordnung mit Archiv; nun mußte ich mich erst in das Archiv einstudieren u[nd]. die Akten in der Registratur einreihen. Das geschah im Jahre 1893 beim Studium der Akten für Geschichte des Georgianums. Durch die Nummern der Fascikel ist es jetzt möglich zu citiren u[nd]. im Archive einzureihen. Deo gratias!“

Am Fach ist das Archiv nach den drei klassischen Gruppen Urkunden (chronologisch), Akten (nach Inhalt) und buchförmige Archivalien (gleichfalls nach Inhalt) aufgestellt. Im Repertorium findet sich keine spiegelbildliche Entsprechung dieser Anordnung. Stattdessen werden die Archivalien nach sachthematischen Gesichtspunkten – also Urkunden, Akten und buchförmige Archivalien vermischt – vorgetragen, was eine entsprechende Recherche zwar erleichtert, jedoch beispielsweise einen Abgleich des am Fach vorhandenen Materials anhand des Findbuchs schier unmöglich macht. Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich die Erfassung des Repertoriums in einer Datenbank, wo je nach Bedarf Umsortierungen vorgenommen werden können. Mit der neuen Systematik seines Archivs scheint auch Andreas Schmid nicht zurechtgekommen zu sein. Jedenfalls beschränkte er sich darauf, archivwürdiges Material aus der Registratur am Fach einzustellen, ohne gleichzeitig einen entsprechenden Eintrag im Findbuch vorzunehmen, d. h. tatsächlich fand sich beim jüngsten Abgleich mehr Archivgut vor als anhand des Repertoriums feststellbar.

Direktor Schmid kümmerte sich im Zuge der oben geschilderten Arbeiten auch um eine angemessene Aufbewahrung des Archivgutes; dazu berichtet er: „Bis 1884 dienten 2 offene Bücherstellagen. Diese Stellagen sind unpraktisch, weil sie den Staub zu wenig von den Akten abhalten. Daher ließ ich 1884 diese Gestelle mit Rückwand u[nd]. Thüren versehen; allein erreichte meinen Zweck noch nicht, weil die Tiefe fehlte. 30 M[ar]k. Nun ließ ich 1888 2 neue Kästen anfertigen, welche nach Aushängen der Thüre in 4 zerlegt werden können“ – „damit bei Brand etwa noch ein Transport möglich ist“ – „u[nd]. mehr Tiefe haben.“ Außerdem ließ Andreas Schmid 1879 einen ehemaligen Sakristeischrank in den Formen der ausklingenden Renaissance in das Archiv verbringen und 1884 restaurieren, um dort Urkunden zu lagern. Das Archiv befand sich damals im 2. Stock des Traktes an der Ludwigstraße, direkt im Anschluß an die Bibliothek. Heute ist es ebenfalls im Ludwigstrakt untergebracht, und zwar in zwei Räumen im 1. Stock hin zur Ludwigstraße.

Schwere Zeiten brachen unter Direktor Eduard Weigl über das Georgianum allgemein und dessen Archiv im Speziellen herein. Wie angedeutet ging mit der Aufhebung der Theologischen Fakultät auch die Schließung des Georgianums einher. In Hinblick auf das Archiv wandte sich der Universitätsarchivar Götz von Pölnitz im Frühjahr 1939 sowohl an das Rektorat wie an das Dekanat:

„[...] Aus dieser gegebenen Veranlassung halte ich mich als Wahrer der geschichtlichen Belange unserer Universität für verpflichtet Euere Magnifizenz darauf hinzuweisen, daß sich im Archiv des Georgianums noch eine Reihe von Beständen befinden, m. W. Urkunden wie Akten, die in die früheste Zeit unserer Hochschule zurückreichen. Die enge Verschwisterung beider Anstalten hat es mit sich gebracht, daß besonders in Zeiten, wo die Verbindung zwischen theologischer Fakultät und Georgianum sehr eng war, die Scheidung der Bestände an Akten nicht so streng durchgeführt wurde. Ähnlich besitzt das Universitätsarchiv auch eine Reihe von Akten, Büchern und Rechnungen, die sich auf das Georgianum beziehen. Mein seinerzeitiger Versuch, hier einen Tausch zu veranlassen, ist leider mißlungen. So möchte ich jetzt Euere Magnifizenz im Interesse des Archivs der Universität bitten, daß für den Fall, wo irgendwelche Veränderungen hinsichtlich des Georgianums einträten, Vorkehr getroffen würde, das Archiv des Georgianums, das an sich nicht groß ist, mit dem der Universität zu vereinigen. Es hängt wesensmäßig und sachlich eng mit ihm zusammen, es enthält wertvolle Bestände aus der Frühgeschichte unserer Universität, sodaß es schade wäre, wenn diese Archivalien anderswohin gelangten oder gar verloren gingen. Umgekehrt bedeutet nach der nunmehr fast völlig zuende geführten Repertorisierung des Universitätsarchivs die Unterbringung weiterer Akten darin räumlich keine Schwierigkeit mehr.“ –

„Letzten Samstag war der Vorstand des Georgianums bei mir im Archiv zu einer Rücksprache. Der Gegenstand der Besprechung war die Frage der Übergabe des Archivs. Er erklärte sich bereit, wenn das Georgianum überhaupt ,aufgelöst’ werde, dann die Akten dem Universitätsarchiv zu übergeben. Jedoch es wurde daraus deutlich, daß man von dieser Seite geneigt ist, das Archiv als Bestandteil der Bibliothek zu betrachten. Man habe den kirchlichen Stellen gestattet, die Bibliothek einstweilen ,aufzubewahren’, und nun will man offenbar das Gleiche mit dem Archiv tun, das als ,Bestandteil’ der Bibliothek angesprochen wird. Es mag schon sein, daß es bisher seitens des Georgianums als solcher angesehen wurde, jedoch das ist nur ein Beweis dafür, daß schon bisher keine eigentlich befriedigende Lösung des Archivproblems seitens des Georgianums bestand. Ebenso klang in der Besprechung deutlich die Absicht an, daß im Falle, die Möglichkeit dazu bestände, man auch die Absicht hegt, dann das Georgianum zu ,verlegen’, beispielsweise etwa nach Würzburg. Es besteht dann die Gefahr, daß dadurch wichtige Akten, die engstens mit der Geschichte unserer Universität zusammenhängen, sinnwidrig von dieser getrennt, verschleppt und schließlich verloren werden. Wie sehr es sich dabei nicht bloß um Sachen des Georgianums handelt, dafür wolle Eurer Spektabilität als Beleg dienen, daß auch mit die ältesten Fakultätsbücher der Artisten, also der von Eurer Spektabilität betreuten Fakultät, sich hierunter befinden. Heute hatte ich nun anläßlich einer anderen Besprechung Gelegenheit, die Sache auch mit Herrn Staatsarchivdirektor Dr. Knöpfler, dem Leiter des Generaldirektoriums der Bayer. Archive zu besprechen. Dieser erklärte, daß die Bayer. Staatsarchive ihrerseits auf das Archiv des Georgianums keinen Anspruch erheben, sondern mit der Vereinigung dieser Bestände mit dem Universitätsarchiv sehr einverstanden wären. Herr Staatsarchivdirektor Dr. Knöpfler wies ernsthaft auf die Möglichkeit hin, daß wenn man mit der Sache allgemein zuwarte, die Gefahr bestünde, daß mindestens Teile des Georgianumsarchives in das Ordinariatsarchiv übertragen würden, obwohl beide sachlich gar nichts mit einander zu tun haben. Ich wollte nicht versäumen, darauf auch Euere Spektabilität aufmerksam zu machen, damit ja keine Gefahr verkannt werde. Herr Dr. Knöpfler erklärte sich allenfalls bereit, vorbeugende Maßnahmen zur Wahrung dieses Archives und zum Zwecke seiner Vereinigung mit dem Universitätsarchiv mit dem Herrn Staatssekretär zu erwägen und bei diesem zu befürworten, falls bei der Universität dieser Wunsch geäußert würde.“

Vom letztangeführten Schreiben wurde der zuständige Ministerialrat vom Syndikus der Universität in Kenntnis gesetzt. Der Ministerialrat rief im Beisein des Syndikus sofort Direktor Weigl an und erhielt dabei von ihm die Auskunft, daß es weder beabsichtigt noch geplant wäre, irgendwelche Veränderungen im Bestand der Bibliothek und des Archivs bis zur endgültigen Entscheidung über die weitere Zukunft des Georgianums vorzunehmen. Der Ministerialrat gab sodann den Auftrag, keine Veränderungen irgendwelcher Art vorzunehmen.

Über die Auslagerung des Archivs im Zweiten Weltkrieg, das vor Kriegsschäden zur Gänze bewahrt geblieben ist, liegen leider im Gegensatz zur Bibliothek keine Nachrichten vor. Im Herbst 1942 kam eine Verordnung, die Bibliotheksräume freizumachen, da sie für die Einrichtung eines Forschungsinstitutes benötigt wurden. Also räumte Weigl mit Hilfe von zehn KZ-Häftlingen aus Dachau die Bibliothek und brachte sie im Pfarrhof von Allershausen bei Freising unter. Das Forschungsinstitut kam zwar nie ins Georgianum, aber die Bibliothek war gerettet. In Allershausen, näherhin in der Stallung des Pfarrhofes, überstand die Bibliothek den Krieg. Der kleinere Teil (etwa 350 Kisten) wurde gegen Ende des Jahres 1946 in drei bis vier Fahrten, ausgeführt von der Speditionsfirma Kammerloher in Pasing, wieder ins Georgianum (damals Schloß Fürstenried) zurückgebracht. Der größere Teil befand sich Jahresmitte 1947 noch im Pfarrhof von Allershausen. Über das Schicksal der Handschriftensammlung, heute Teil des Archivs, ehemals Teil der Bibliothek, schrieb Direktor Eduard Weigl nach dem Krieg an den Möhler-Forscher Stephan Lösch mit bemerkenswerter Offenheit: „1942 mußte ich in aller Eile mit zehn SS-Häftlingen aus Dachau die ganze Bibliothek räumen. Sie wurde, in Kisten verpackt, auf einen Pfarrhof in der Nähe Freisings verbracht. Ein Teil ist wieder zurückgeholt worden, einstweilen nach Fürstenried bei München, der größere Teil ist noch auswärts. Ich kann vorderhand noch nicht feststellen: 1. ob die Manuskripte von Möhler alle verwahrt worden sind. [!] 2. in welcher Kiste sie sich allenfalls befinden. Es mußte damals alles sehr rasch gehen. Außerdem bestand Platz- und Kistenmangel und wurde infolgedessen manches, was nicht mehr so gewichtig erschien, ausgeschieden.“ [!] Im Unterschied zum Archiv ist die Registratur für die Jahre 1909 bis 1939 im Zweiten Weltkrieg mit einer Ausnahme vollständig zugrundegegangen, verbrannt. Eduard Weigl hat die zur Erledigung der laufenden Geschäfte immer wieder benötigten Akten bei sich behalten. „Ob sie nach Weigls Zwangsevakuierung aus dem Georgianum verlorengegangen oder ob sie den Bombenangriffen zum Opfer gefallen ist, muß dahingestellt bleiben.“ Einen gewissen Ersatz (teilweise Kurzschrift!) bei Forschungen zu den 1920er und 1930er Jahren stellt der Nachlaß von Direktor Eduard Weigl dar. Unersetzt sind die von Direktor Andreas Schmid angelegten Hilfsmittel, die offensichtlich bei der Registratur eingereiht waren: Toten- bzw. Personalbuch (ca. 3500 Namen) sowie Alumnenkartei für die Münchener Epoche (ca. 2600 Karteikarten), Haus- und Geschäftsordnung  „in Form eines Terminkalenders und eines sachlichen Repertoriums“ (ca. 5000 Karteikarten), Gottesdienstordnung (ca. 300 Karteikarten).

Aufgrund des Verlustes der Schmid’schen Alumnenkartei fällt personenbezogene Forschung im Archiv des Herzoglichen Georgianums relativ schwer und gestaltet sich sehr zeitaufwendig, da die einschlägigen (personenbezogenen) Sachakten etwa zu Freiplatzvergabe, Tischtitelverleihung, Ordination, Krankenpflege, Militärwesen einzelblattweise durchgegangen werden müssen. Daß sich der Aufwand lohnt, zeigt das Beispiel von Georg Ratzinger, Großonkel von Papst Benedikt XVI., Alumne im Georgianum 1864 bis 1867. Gemeinsam mit Claudius Stein konnte Tobias Appl ergebnisreich und exemplarisch diese Jahre rekonstruieren. Einen schnellen, wenn auch nur spärliche Daten liefernden Überblick für die Münchener Epoche 1826 bis zum Einsetzen der Alumnenakten 1945 bieten die studienjahrweise abgelegten Konkurslisten im Archiv der Ludwig-Maximilians-Universität, die gedruckten Personal- und Studentenverzeichnisse der genannten Universität, welche inzwischen auch online eingesehen werden können, die für 1930 und 1931 erschienenen, schlicht „Collegium Georgianum“ betitelten Verzeichnisse der damals lebenden Georgianer und die jeweiligen Diözesanschematismen.

Wie angedeutet handelt es sich beim Herzoglichen Georgianum um eine mit der Universität „in einem organischen Zusammenhang“ stehende Stiftung des öffentlichen Rechtes. Deshalb ist es nur folgerichtig, daß analog zur Universitätsbibliothek, die zur Pflege der Bibliothek einen Bibliothekar abordnet, das Universitätsarchiv zur Pflege des Archivs und der Sammlungen einen Archivar, erstmals seit 2008 Dr. Claudius Stein, abordnet. An über die Archivarbeit bzw. das Tagesgeschäft hinausgehenden Unternehmungen wurden bis Mai 2009 durchgeführt: Gestaltung eines Internetauftrittes mit Findmitteln und Materialien, Digitalisierung des Photobestandes und des Repertoriums, Digitalisierung bzw. Langzeitarchivierung des Urkundenbestandes im Rahmen von Monasterium, „des virtuellen Urkundenarchivs Europas“, Veröffentlichung der Urkundenregesten, Anbringung von Sonnenschutzfolien, Erweiterung der Magazinräume, um das gesamte, im Herzoglichen Georgianum vorhandene Archiv- und Sammlungsgut zentral aufstellen zu können (Nachlaß Direktor Joseph Pascher, Nachlaß Direktor Walter Dürig, Vorlaß Direktor Reiner Kaczynski, ggf. Musikhandschriften) und Abhaltung von Lehrveranstaltungen am Archiv der Ludwig-Maximilians-Universität. Der Titel der Lehrveranstaltung im Wintersemester 2008/09 lautete Paläographisch-archivwissenschaftliches Praktikum. In erster Linie sollten Lesekenntnisse der deutschen Schrift vermittelt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, legte der Seminarleiter Claudius Stein einem Teil der Sitzungen die Regesten zu den Urkunden zugrunde, die bis 1891 durch Sebastian Göbl (bzw. zu einem kleinen Teil durch den Akzessisten Mayerhofer) angefertigt worden waren und im Prinzip auch noch heutigen Anforderungen entsprechen. Nachdem anhand dieser Urkundenregesten eine ausreichende Lesefertigkeit erworben worden war, erklärten sich zwei Seminarteilnehmer, Sebastian Göttert und Gerald Stutz, bereit, in Verbindung mit dem Seminarleiter je ein Drittel der 132 Regesten zu transkribieren und einer abschließenden Kollationierung zu unterziehen.

 

 


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