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Geschichte der Stiftung

Götz Frhr. v. Pölnitz, Das Georgianum

Am 14. Dezember 1494, rund 22 Jahre nach Begründung der Ingolstädter Universität, stiftete Herzog Georg der Reiche von Bayern-Landshut „der wirdigen unnser Universitet … zu mererm Aufnemen, darzue den armen und dürftigen Schuelern zu Nuz und Guet“ ein neues Kolleg, das „Herzog Georigen Collegium gehaissen werden sol“. Die neue Stiftung war bestimmt, das Aufblühen der Universität Ingolstadt zu fördern. Ihr Vermögen sollte elf armen Schülern das Studium ermöglichen, das nach der Sitte der Zeit zunächst aus den Freien Künsten und hernach dem Besuch der drei oberen Fakultäten: Jus, Medizin und Theologie bestand. Dem Frömmigkeitsstil des Jahrhunderts gemäß wurden den Insassen des neuen Kollegs eine Reihe von Gebetsverpflichtungen auferlegt und für später das Studium der Heiligen Schrift empfohlen, jedoch es bestand keinerlei Zwang in dieser Richtung. Das Georgianum ist in seiner Stiftung noch durchaus keine ausschließliche Theologenanstalt.

Der Stiftungsbrief unterstellt die Verwaltung der Anstalt der artistischen (philosophischen) Fakultät. Der Herzog verzichtet darauf, von sich aus die Geschicke des Georgianums zu bestimmen, „dieweil auch die Mayster unser wirdigen Universitet zu Ingolstat am besten selbs anainander erkennen, und wol wissen mögen, welicher aus Ir zu gueter Reigirung des dickgedachten unsers Collegium am tauglichsten und schicklichsten sein mag“. Der Regent des Georgianums muß Meister der Artisten sein. Daß er zugleich dem geistlichen Stand angehört, ist insoferne nicht erstaunlich, als die gleiche Vorschrift in etwa für Rektor und Professoren der Universität aufgestellt worden war.

Die enge Verbindung zwischen Georgianum und Universität sicherten weitere Bestimmungen des Stifters, die das neue Kolleg völlig in den Rechtsbereich der Universität einbauten: „unser Mainung ist, daß der Regent und Studenten unsers Collegium dem Rector und Techanten der Universitet nichts minder Gehorsam, und irm Gerichtszwanng und Oberkait unterworfen sein sollen, wie ander Studenten in unser Universitet“. Wenn auch in allem die Sonderstatuten des Georgianums eingehalten werden sollten, behielt die Universität doch seine Führung in der Hand, „nachdem auch der Regent mit sampt ainem Ratte der Artisten Fakultet am besten wißen mögen, durch was Ordnung und Geschicklichkait unser Collegium zu ainer yeden Zeit am loblichsten regiert mag werden“. Die Artistenfakultät darf neue Satzungen für das Kolleg mit herzoglicher Genehmigung schaffen, sie wählt den Regenten.

Die bestimmende Stellung der Artistenfakultät erklärt sich daraus, daß für ihre Mitglieder Bursenzwang bestand, und darum alle Bursen der Ingolstädter Hochschule dem Artisten-Dekan unterstellt waren. Das Georgianum ist keine rein kirchliche, noch rein staatliche Anstalt in den Anfängen gewesen, sondern die einzige staatliche Burse neben unzähligen privaten an der Ingolstädter Universität. Als Burse aber stellt sie einen Teil der Hochschule dar, deren Rektor mit zwei Dekanen daher auch die Rechnungsablage über Einnahmen und Ausgaben des Georgianums jährlich entgegennahm.

Schon die Urkunde von 1494 sah die Möglichkeit der Zustiftung weiterer Freiplätze für arme Studenten im Georgianum vor. Dieser Anregung wurde vielfach entsprochen. Allein auch unter diesen Ergänzungsstiftungen von 20 bis 30 Privatpersonen ist keineswegs die Vorstellung vorhanden, daß das Georgianum eine rein geistliche Anstalt sei. Es finden sich unter den Stiftungen des 16. bis 18. Jahrhunderts viele, die neben der Theologie auch die Philosophie, ja sogar Rechte und Medizin zu studieren ermöglichen. Allerdings bestehen hier gewisse Widersprüche. 1494 wird das Studium noch freigestellt, 1563 wird von den Stipendiaten, die nicht Theologen werden, Ersatz verlangt, und 1675 fordert der Herzog, daß seine Stipendiaten Kleriker seien. Diese aus gegenreformatorischem Geist erwachsene Veränderung wird von den Privatzustiftungen nicht durchweg geteilt, sie sehen in Einzelfällen sogar die Möglichkeit protestantischer Studenten im Georgianum vor. Ähnlich verhält es sich mit den Regenten. Auch unter ihnen waren Nichtpriester, philosophische und juristische Professoren.

Die unmittelbare Unterstellung des Georgianums unter die philosophische Fakultät dauerte zunächst nur bis zum 31. Januar 1593. Von da an übernahm der Senat das Curatorium der Anstalt. Die Veränderung geschah unter dem Eindruck des Widerstrebens weiter Kreise der Hochschule gegen den Jesuitenorden, der 1588 die ganze philosophische Fakultät übernommen hatte. Um das Georgianum seinem Einfluß zu entziehen, geschah diese Veränderung. Der gleichen Absicht diente wohl auch 1675 die Unterstellung unter den Geistlichen Rat, die sich aber für das Kolleg nicht besser bewährte als die Aufsicht durch die philosophische Fakultät. Nach der Aufhebung des Jesuitenordens wurde das Georgianum 1790 wieder der Leitung der philosophischen Fakultät übergeben.

Inzwischen war am 31. August 1785 eine entscheidende Veränderung im Charakter des Georgianums eingetreten. Kurfürst Carl Theodor hatte unter gewaltsamer Beseitigung des bisherigen gemischten Charakters des Georgianums dieses ausschließlich zu einer klerikalen Anstalt gemacht. Seine Maßnahme stand im Widerspruch mit dem Herkommen und tatsächlichen Bestand, der etwa ein Drittel Nichttheologen im Georgianum verzeichnete. Er entsprach nicht einmal eindeutig dem Charakter der nachmals mit dem Georgianum vereinigten St. Hieronymus- und Albertinum-Seminare. Die kurfürstliche Maßnahme ist zu verstehen aus dem Bestreben, durch eine Wiederbestärkung des geistlichen Elementes die aufklärerischen Ideen an der Universität zu schwächen. Wesentlich ist, daß aber auch die einseitige Veränderung von 1785 keineswegs die enge Verschwisterung von Universität und Georgianum gelöst hat.

Bei der Verlegung der Universität von Ingolstadt nach Landshut blieb der Zusammenhalt von Hochschule und Georgianum gewahrt. Letzteres zog mit der Universität um und blieb auch weiterhin zunächst der Oberaufsicht der philosophischen Fakultät unterstellt, die diese Befugnisse erst 1815 an ein Ephorat, bestehend aus drei theologischen Professoren, abgeben mußte. Trotzdem behielt die Universität die Geschäftsführung in der Hand. 1804 war dem Seminar-Regens die Verwaltung abgenommen und dem Universitätskastenamt übergeben worden. Der in Bildung begriffene Verwaltungsausschuß der Universität erhielt in seinem neuen Amtstitel ausdrücklich die Mitbestimmung für das „Georgianische Priesterhaus“. Der Direktor des Georgianums wurde aus diesem Grunde dauerndes Mitglied des Universitätsverwaltungsausschusses.

Die Folgezeit ließ seitens des Kurfürsten die Neigung erkennen, entgegen dem verbrieften über dreihundertjährigen Rechte der Universität und philosophischen Fakultät seinerseits die Geschicke des Georgianums zu bestimmen. Die weltlichen Studenten blieben auch in Landshut ausgeschlossen, außerdem nahm seit 1804 die Regierung das bisher von den Philosophen ausgeübte Ernennungsrecht des Georgianums-Direktors in Anspruch. Trotzdem blieben die Verwaltungsbefugnisse, welche die Universität durch ihren Verwaltungsausschuß wahrnahm, im Wesentlichen unangetastet. Auch König Ludwig I. wollte sich zwar leitenden Einfluß auf die Personalpolitik des Georgianums sichern, dieses aber zugleich in engster Verbindung mit der Universität erhalten. Bei der zweiten Übersiedelung, von Landshut nach München, ließ er die Beziehungen zwischen beiden nicht abreißen, und in der baulichen Planung der Ludwigstrasse wurde – wie es seinerzeit in Ingolstadt vom Stifter angeordnet worden war – abermals das Gebäude des Georgianums gegenüber dem der Universität errichtet. Dadurch sollte die organische Zusammengehörigkeit beider Stiftungen symbolisch zum Ausdruck gebracht werden.

Zusammenfassend ist zu sagen: Ursprünglich ist das Georgianum eine Art Burse mit Besuchern aller Fakultäten. Im Laufe der Zeit setzt sich das theologische Element stärker durch, erhält allerdings erst nach rund 300 Jahren durch eine gewaltsame kurfürstliche Bestimmung die ausschließliche Nutznießung der Stiftung von 1494 zugestanden. Die enge, vom Stifter gewollte und von der Tradition gewahrte Zusammengehörigkeit von Universität und Georgianum bleibt aber weiterhin bestehen; insbesondere zeigt die Eingliederung in den Verwaltungsausschuß an, daß das Georgianum trotz gewisser Sonderbestimmungen als ein etwas loseres Glied der Universität angesehen wurde. Weder der Stiftungsbrief noch spätere Erlasse ordnen die Bestimmung des Georgianums für den Fall, dass keine Theologie-Studierenden an dieser Universität mehr vorhanden seien. Da aber ursprünglich auch für diese nicht allein die Stiftung errichtet war, dürften damit insbesondere die Ansprüche und Rechte der Artisten bez. ihrer Rechtsnachfolger der Philosophen wieder aufleben. Das Georgianum bleibt damit ein Glied der Universität mindestens, insoweit seine Bestimmungen schon durch die Stifter eindeutig nicht auf Theologen beschränkt wurden. Nirgends hat sich der Herzog das Recht vorbehalten, die zum Aufblühen der Universität gestiftete Anstalt des Georgianums der Hochschule zu nehmen. Er hat vielmehr der philosophischen Fakultät ausdrücklich das Bestimmungsrecht über das Georgianum übertragen.

Universität und Georgianum, „Altes Kolleg“ und „Neues Kolleg“, sind trotz wandelnder innerer Bestimmungen des Georgianums vom Stifter als Ganzes gedacht und dies auch zeit ihrer Entwickelung gewesen. Die Stiftung selbst würde daher auch für das Georgianum, das mit dieser – und keiner anderen – Universität stets eindeutig verbunden war, erst erlöschen, wenn die Ludwig-Maximilians-Universität zu bestehen aufhören würde.


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