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April 2011

Die erste Ehrenpromotion an der Ludwig-Maximilians-Universität München 1802, Archiv der Ludwig-Maximilians-Universität, L-I-10

Die bisherige Forschungsmeinung geht dahin, dass seit 1820/1830 aus freiem Beschluss von Fakultäten Auszeichnungen von renommierten Persönlichkeiten für wissenschaftliche oder mäzenatische Verdienste durch Verleihung des Dr. honoris causa erfolgten. Frühe Beispiele juristischer Ehrenpromotionen hätten die 1811/1818  neu begründeten preußischen Universitäten Breslau (18 bis 1860) und Bonn (69 bis 1893) geliefert. Oft standen dahinter Jubiläums-Anlässe: Zum Beispiel kreierte die Universität Rostock 1830 zur 300-Jahr-Feier der Augsburger Konfession neun doctores h. c., die Universität München 1872 zur 400-Jahr-Feier 33. Diese Forschungsmeinung kann nun – zumindest für unsere Hochschule – korrigiert werden. Dort lässt sich die erste Ehrenpromotion bereits 1802 nachweisen. Allerdings haben sich hinsichtlich des Vorgangs kaum archivalische Quellen erhalten. So setzt beispielsweise die Sammlung der Doktordiplome im Universitätsarchiv erst 1826 ein. Umso erfreulicher ist ein Fund in den juristischen Fakultätsakten zu werten, nämlich der Dankbrief eines damals Bedachten.

Doch wir müssen der Reihe nach erzählen:  Die Universität Ingolstadt wurde unter Kurfürst Max IV. Joseph 1800 nach Landshut verlegt. Einerseits hatte sich Ingolstadt in seiner doppelten Eigenschaft als Universitätsstadt und Landesfestung während der Koalitionskriege als denkbar ungünstiger Standort herausgestellt. Zum anderen wollte der neue Landesherr mit seiner Handlung einen Schluss-Strich unter der bisweilen reaktionären Politik seines Vorgängers Karl Theodor ziehen. 1802 dekretierte der Kurfürst die Permanenz (also den dauerhaften Verbleib) der Universität in Landshut. Gleichzeitig erhielt die bisher schlicht „Universität Ingolstadt“ bezeichnete Hohe Schule einen neuen Namen: „Ludwig-Maximilians-Universität“ – nach dem Stifter Herzog Ludwig dem Reichen und nach dem Reorganisator Kurfürst Max IV. Joseph, der übrigens auch der Universität Würzburg seinen Namen lieh. Mit der Installation der Universität an ihrem neuen Standort begann eine glänzende, vom Übergang der Aufklärung zur Romantik geprägte Epoche. Die mit dem Neuanfang verbundenen hochgestimmten Gefühle sollten dem Kurfürsten in einem „Akademischen Dankfest“ ebenso vermittelt werden wie in der programmatischen Predigt des von der alten Regierung als Aufklärer verfolgten Ästhetikers Professor Georg Alois Dietl.

Simon Rottmanner (1740–1813), der 1802 im Rahmen des Akademischen Dankfests die juristische Ehrendoktorwürde verliehen bekam, gilt heute als der bedeutendste Agrarreformer der Aufklärungszeit in Bayern. Rottmanner hatte an der alten Universität Ingolstadt Rechtskunde studiert, die Lizentiatenwürde erhalten und wirkte dann als Hofgerichtsadvokat in München. Die entscheidende Wende in seinem Leben brachte die Begegnung mit Graf Johann Maximilian V. von Preysing, der Simon Rottmanner als Rechtskonsulent in seine Dienste nahm. Treue Dienste pflegte Graf Preysing auch treu zu honorieren, weshalb Rottmanner den Edelssitz Ast bei Landshut zum Vorzugspreis überlassen bekam. Der neue Besitzer war ausgesprochen landwirtschaftlich interessiert und baute Ast zu einer Musterökonomie aus. In engem Zusammenhang damit standen Simon Rottmanners Anstrengungen zur Verbesserung der Verhältnisse, in denen weite Teile der ländlichen Bevölkerung lebten. Diese Anstrengungen brachten ihm beim konservativ-grundbesitzenden Adel den Titel eines „unberufenen Bauern-Advokaten“ ein. Er ließ sich davon jedoch nicht beirren, legte stattdessen eine in inhaltlicher ebenso wie in mengenmäßiger Hinsicht beeindruckende Reihe von sämtlich anonym veröffentlichten Traktaten und Flugschriften vor. Bis heute unerforscht ist seine Stellung innerhalb der Gruppe der sog. Bayerischen Jakobiner, die 1800 das Kurfürstentum von unten revolutionieren und eine Süddeutsche Republik errichten wollten. Als Rottmanner von der Entscheidung der Juristischen Fakultät der Universität Landshut erfuhr, schrieb er einen enthusiastischen Dankbrief und malte sich den Tag der Verleihung der Ehrendoktorwürde (5. Juni 1802) wie folgt aus: „Ich war nie ehrsüchtig; allein ich gestehe, daß dieser feyerliche Tag der schönste und angenehmste meines Lebens seyn werde. Zugleich versichere ich, daß ich an dem Flor und der Aufnahme der hohen Universität mit allen Gutgesinnten warmen Antheil nehme.“ Wohl aus Bescheidenheit machte er von seinem Titel keinen Gebrauch. Simon Rottmanner gehört zu den Männern, die – je auf ihre Art – den Übergang vom alten Kurfürstentum zum neuen Königreich Bayern personifizieren. Das Andenken an ihm wird noch heute wachgehalten, etwa in Ast, wo an der Kirchenaußenwand eine moderne Tafel prangt mit dem überlieferten Wortlaut des verlorenen Grabsteins.

CS

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Zum Promotionswesen:

RAINER A. MÜLLER (Hg.), Promotionen und Promotionswesen an deutschen Hochschulen der Frühmoderne (Abhandlungen zum Studenten- und Hochschulwesen 10), Köln 2001

DERS. (Hg.), Bilder – Daten – Promotionen. Studien zum Promotionswesen an deutschen Universitäten der frühen Neuzeit (Pallas Athene. Beiträge zur Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte 24), Stuttgart 2007

RAINER CHRISTOPH SCHWINGES (Hg.), Examen, Titel, Promotionen. Akademisches und staatliches Qualifikationswesen vom 13. bis zum 21. Jahrhundert (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte 7), Basel 2007

Zum Akademischen Dankfest:

Akademisches Dankfest auf der baierischen Ludwigs-Maximilians-Universität zu Landshut gefeiert den 4, 5, 6, 7, Sommermonats 1802, Landshut 1802

LAETITIA BOEHM (Hg.), Die älteste Landshuter Universitätsbeschreibung von Franz Dionys Reithofer (1811). Gelehrter Fleiß – oder „Geistesplumpheit“? Dokumentation (Ludovico Maximilianea Quellen 3), Berlin 2003

DIES., Ein Generalstudium des Alten Reiches auf dem Weg in den neubayerischen Staat. Zeitgenössische und forscherliche Wahrnehmung der Ludwig-Maximilians-Universität in Landshut, in: DIES. – GERHARD TAUSCHE (Hg.), Von der Donau an die Isar. Vorlesungen zur Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität 1800–1826 in Landshut (Ludovico Maximilianea Forschungen 20), Berlin 2003, S. 251–390

Zu Rottmanner:

HEINZ HAUSHOFER, Dr. Rottmanner und seine Bibliothek. Ein Beitrag zur Kenntnis der Bildungsquellen der süddeutschen Aufklärung, in: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 1 (1953), S. 119–126

DIETMAR SCHMITZ, Simon Rottmanner (1740–1813), in: 1200 Jahre Wörth, Wartenberg 1996, S. 228–240

JOSEPH SOCHER, Hauptzüge aus dem Leben des Dr. Simon Rottmanner, Gutsbesitzers von Ast. Aechten Vaterlandsfreunden zum Andenken und zur Erinnerung, Landshut 1815


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