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Januar 2013

Münchener Musikleben der Mozart-Zeit
(Bibliothek des Herzoglichen Georgianums, 8⁰ Hist. prof. 28(19.23)

Mit dem Regierungsantritt von Kurfürst Karl Theodor 1778 kam auch dessen Mannheimer Hofmusik nach München. Das Konzertleben war in München fortan jedoch nicht mehr nur höfisch geprägt, sondern zeigte auch öffentlichen Charakter. Neben den wöchentlichen Akademien in der Residenz veranstaltete die Hofkapelle, auf Initiative und unter Leitung von Hofmusikdirektor Christian Cannabich (1731-1798), seit Frühjahr 1783 sog. Liebhaberkonzerte, die eben öffentlich waren und vor allem ein Podium für Komponisten und Virtuosen der Hofmusik boten. Es gab jährlich zwölf, später zehn Konzerte, für die Eintritt zu bezahlen war und die auch abonniert werden konnten. Konzertraum war der im Besitz des Hofmusikintendanten Joseph Anton Graf Seeau (1713-1799) stehende Redoutensaal an der heutigen Prannerstraße. In der Regel kamen in diesen Konzerten in München ansässige Künstler zum Zuge. So wurde in diesem Rahmen Peter von Winters Kantate „Die Propheten auf dem Calvarienberge“ 1788 aufgeführt. Ein gedruckter Programmzettel von 1792 beispielsweise nennt eine Sinfonie von Joseph Haydn, ein Violinkonzert Winters, eine Arie von Giuseppe Gazzaniga sowie ein Klavierkonzert von Francesco Danzi im ersten Teil, dann nach der Pause ein Konzert für zwei Flöten von Joseph Grätz, eine Arie mit obligater Violine von Wolfgang Amadeus Mozart sowie eine weitere Sinfonie, diesmal von einem ungenannten Komponisten. Neben den Profis durften aber auch Amateure auftreten, „was das steigende Niveau des musikalisch interessierten Bürgertums belegt“ (Angelika Tasler). Größere Veranstaltungen, wie Oratorien, waren offenbar beim Publikum so beliebt, dass es sich lohnte, dafür Texthefte drucken zu lassen. So ist für 1802 eine Aufführung von Joseph Haydns Oratorium „Die Jahreszeiten“ im Redoutensaal bezeugt. Dennoch schlief die Konzertreihe aufgrund des mangelnden Publikumsinteresses ein, die Liebhaberkonzerte mussten nach dem Zyklus 1804/05 eingestellt werden. Schuld waren wohl nicht zuletzt die politischen Verhältnisse während der Napoleonischen Kriege. Überdies waren sicherlich die Hofakademien eine starke Konkurrenz.

Diese Münchener Liebhaberkonzerte haben jedoch nicht nur einen Niederschlag gefunden in gedruckten Programmzetteln oder Textheften, sondern auch in verschiedenen Billets, die heute absolute Seltenheiten darstellen. Diese Billets wurden zeitgenössisch nicht als archiv- oder bibliotheksrelevant eingestuft. Der am Münchener Lyzeum als Professor aufgestellte Beuerberger Augustiner-Chorherr Paul Hupfauer (1747-1808) sah das jedoch anders. Der Bibliophile war kulturgeschichtlich ausgesprochen interessiert und trat darüber hinaus als Verfasser zweier inkunabelkundlicher Werke hervor. In Hupfauers Bibliothek standen zahlreiche Sammelbände mit grauer Literatur, zu der er die Billets der Liebhaberkonzerte ebenso rechnete wie Theaterzettel der deutschen Schaubühne unter Theobald Marchand (1741-1800) oder Werbezettel des durchreisenden Klarinettisten „Herr Tux“, der im Saal des Weinwirts Albert ein Konzert gab, und des Zweibrückener Klavierbauers Christian Haag, der seine Instrumente feilbot. Paul Hupfauer hatte ausweislich der Billets die Liebhaberkonzerte von 1786 bis 1789 besucht, vielleicht auch selbst mitgewirkt, kam er doch aus dem Orden der Augustiner-Chorherren, wo immer Wert auf musikalische Befähigung gelegt wurde. Aus der Hupfauer’schen Sammlung geht weiter hervor, dass es in München seit 1786 im Redoutensaal einen sog. Vaux-Hall gab nach dem Vorbild der Vauxhall Gardens, also des erfolgreichsten und am längsten bestehenden Vergnügungsparks Londons. Sollte Hupfauer an diesen Vaux-Halls und an den Redouten selbst teilgenommen haben, und eine Teilnahme war jeweils nur maskiert möglich, wäre dies ein Beleg für die ihm gelegentlich vorgeworfene säkular-antimonastische Haltung, die 1791 schließlich zu seiner Entlassung am Lyzeum führte. Der Wert der Hupfauer’schen Sammlung wurde im Herzoglichen Georgianum schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts erkannt, denn insbesondere den Band mit den Billets der Liebhaberkonzerte unterzog man einer Restaurierung. Die Frage, warum sich Teile der Bibliothek von Paul Hupfauer jetzt im Herzoglichen Georgianum befinden, ist schnell zu beantworten: Der Bibliophile wirkte, nachdem das Stift Beuerberg, dem er zuletzt als Propst vorgestanden hatte, aufgehoben worden war, seit 1803 als Honorarprofessor und Oberbibliothekar an der Universität Landshut. Hupfauers Bibliothek kam nach seinem Tod an die Universitätsbibliothek, die im Verlauf des ersten Viertels des 19. Jahrhunderts echte oder vermeintliche Dubletten an das Herzogliche Georgianum abgab.

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CS

Literatur

Wolfgang Müller, Theatergeschichtliche Sammlungen der Universitätsbibliothek München, in: Bibliotheksforum Bayern 32 (2004) 23-32

Robert Münster, Zur Mozart-Pflege im Münchener Konzertleben bis 1800, in: Ders., „Ich bin hier sehr beliebt.“ Mozart und das kurfürstliche Bayern, Tutzing 1993, 147-151

Ders., Das Musikleben in der Max-Joseph-Zeit, in: Hubert Glaser (Hg.), Krone und Verfassung. König Max I. Joseph und der neue Staat (Wittelsbach und Bayern III 1), München 1980, 456-471

Michael Schaich, Ein Chorherr im Dienste der Säkularisation. Paul Hupfauer und das Ende der bayerischen Klosterbibliotheken 1802/03, in: Rainer A. Müller (Hg.), Kloster und Bibliothek. Zur Geschichte des Bibliothekswesens der Augustiner-Chorherren in der Frühen Neuzeit (Publikationen der Akademie der Augustiner-Chorherren von Windesheim 2), Paring 2000, 217-292

Claudius Stein, Die Bibliothek des Herzoglichen Georgianums, in: Manfred Weitlauff – Claudius Stein (Hg.), Das Herzogliche Georgianum in München. Strukturelle Untersuchungen zu seiner historischen und gegenwärtigen Gestalt (Münchener Theologische Zeitschrift 61 [2010/4]), St. Ottilien 2010, 362–379

Angelika Tasler, Die Kirchenmusik Peter von Winters (1754-1825). Leben und Wirken des Münchner Hofkapellmeisters (Freiburger Beiträge zur Musikgeschichte 11), Freiburg i. B. 2009

Hermann Uffinger, Die Grundlagen des Münchener Konzertlebens. Die Musikpflege bei Hof und im Bürgertum im 18. Jh. bis zur Gründung der Musikalischen Akademie, Phil. Diss. Masch., München 1941


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