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Mai 2015

Inkunabel aus dem Besitz von Johannes Molitoris

(Inkunabelsammlung des Herzoglichen Georgianums Nr. 55)

 

Johannes Molitoris stammte aus Dillingen, studierte 1458/59 in Leipzig, war 1467 in Bologna Prokurator der deutschen Nation und wurde dort zum Lizentiaten der Rechte promoviert. 1469/70 erlangte er Kanonikat und Pfarrei von St. Moritz in Augsburg. Sein Holzschnittsiegel, das er in seiner Eigenschaft als Schriftführer des Mitgliederregisters der noch jungen Kölner Rosenkranzbruderschaft für Süddeutschland führte, hat er in wenigstens 17 Handschriften und 20 Inkunabeln aus seinem Besitz als Exlibris verwendet, so auch der Fall bei der Inkunabel aus dem Georgianum: „† S. IOHANNIS . PLEBANI . AD . S . MARICIVM . IN . AVGVSTA . Ao . Mo. CCCC . 7“.

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Es sind ganz überwiegend Texte zum kirchlichen oder weltlichen Recht, die von der Belesenheit und Bildung ihres Besitzers zeugen; bei der Georgianums-Inkunabel handelt es sich um das Werk „Super quartum librum sententiarum“ des Hl. Thomas von Aquin (Mainz: Schöffer 1469). Im Augsburger Frühdruck scheint Molitoris eine bisher noch nicht näher geklärte Rolle gespielt zu haben. Nachweisbar ist seine Beteiligung am Augsburger Erstdruck der „Vierundzwanzig Goldenen Harfen“ des Johannes Nider, zu der er eine lateinische Vorrede verfasste. Auch am Augsburger Druck der „Erneuerten Rosenkranz-Bruderschaft“ wird Molitoris beteiligt gewesen sein. Schließlich ist er hervorgetreten als wenn auch wenig überzeugender Hymnen- und Sequenzendichter.

1480 begegnen wir Molitoris als Angeklagtem in einem spektakulärem Prozess: Am 13. September dieses Jahres wurde gegen ihn in Augsburg ein Inquisitionsverfahren eröffnet. Es war dies das erste nachweisbare Verfahren des am 13. März 1479 zum Inquisitor für Oberdeutschland ernannten Heinrich Institoris. Molitoris hatte den Prozessakten zufolge seit mehr als zehn Jahren einen Kreis frommer Frauen um sich geschart, denen er täglich – manchmal sogar mehrmals täglich – die Kommunion reichte. Um die Jahreswende 1481/82 erreichte Molitoris ein päpstliches Breve, das ihn wegen seiner von Institoris nach Rom gemeldeten „res inusitata“ dorthin vorlud. Ob Molitoris daraufhin in die Ewige Stadt reiste, ist nicht gesichert; für den 6. Juni des Jahres 1482 verzeichnet das Kalendar der Benediktinerreichsabtei St. Ulrich und Afra in Augsburg bereits seinen Tod.

Interessant ist neben den zahlreichen Randbemerkungen, die Molitoris anscheinend beim Studium gemacht hatte, die Preisangabe auf der Innenseite des Vorderdeckels der Inkunabel aus dem Georgianum: „Item drei gulden“. Offenbar handelt es sich bei dieser wie bei den in anderen Molitoris-Bänden zu findenden Wertangaben um Preisauszeichnungen des Buchhändlers, der nach dem Tod von Molitoris dessen Bibliothek von den Erben oder Testamentsvollstreckern für sein Lager erstanden hatte und sie dann um jene Beträge weiterverkaufte.

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Zwei Bände, eine Handschrift und den hier behandelten Sentenzenkommentar, erwarb die Abtei St. Ulrich und Afra, die im späten 18. Jahrhundert einen Katalog über ihre Frühdrucke herausbrachte, in dem auch die Georgianums-Inkunabel genau beschrieben wird. Nicht klar ist allerdings, auf welchem Weg das Werk in den Besitz der Stiftung kam und warum das Exlibris von St. Ulrich und Afra entfernt wurde. Anzunehmen ist eine Beteiligung des Georgianums an der Versteigerung der Bibliothek nach Aufhebung des Klosters. Jedenfalls wird der Band im Standortkatalog der Bibliothek von 1827/28 unter sich den verschiedenen Umstellungen anpassenden Signaturen verzeichnet (2 Patr. lat. 60; 2 Patr. 165 bzw. 169 bzw. 170). In die Fachwelt eingeführt wurde das zweifellos hochinteressante Stück durch Ernst Freys, der 1911 die Bibliothek des Georgianums besuchte zum Zweck der Erfassung aller Frühdrucke, und durch Paul Ruf, der 1930 in der Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte eine kurze Beschreibung der Inkunabel lieferte.

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CS

Literatur

Marc-Aeilko Aris, Die Bibliothek, in: Reiner Kaczynski (Hrsg.), Kirche, Kunstsammlung und Bibliothek des Herzoglichen Georgianums, Regensburg 1994, 129–174

Placidus Braun, Notitia historico-litteraria de libris […] in bibliotheca […] monasterii ad SS. Udalricum et Afram Augustae, Augsburg 1788, 126 f.

Günter Hägele, Honorius Augustodunensis, Johannes Molitoris und Sigismund Lang, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 57 (2001) 171–177 (mit weiterer Literatur)

Paul Ruf, Der Augsburger Pfarrer Molitoris und sein Holzschnittsiegel, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 3 (1930) 387–406


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