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Juni 2017

Schreiben des Architekten Dr. German Bestelmeyer an das K. Universitäts-Bauamt München, 21.7.1911, UAM, B-VI-8a.

Dem Zeitgeist entsprechend setzte der Architekt Dr. German Bestelmeyer vor allem auf eine dekorative Ausstattung und auf schöne kostbare Materialien, als er den Auftrag bekam, für die Münchner Ludwig-Maximilians-Universität einen dringend benötigten Erweiterungsbau zu entwerfen. Dementsprechend preist die „Süddeutsche Bauzeitung“ im Jahre 1910 voller Bewunderung die Architektur dieses Baues, die Außenfassade, die prächtige Kuppel der „Zentralhalle“, also des heute sogenannten Lichthofes, sie schwelgt in der Beschreibung der von Bestelmeyer verwendeten Materialien: „Und wie der Marmor, […], der Pyrenäer und Treuchtlinger, Sieneser, Adneter […] hier eine hervorragende Rolle spielen, so nicht minder das Erz. Wie jener Wände verkleidet, als Wange die Granittreppen mit emporsteigt, Türen umrahmt, so sehen wir dieses als Gitter für Fensterdurchbrüche, als Türbelag […] fungieren. Matt und glänzend poliert tritt es uns je nachdem mit wuchtigem Ernst oder in förmlich zierlich spitzenartigem Durchbruch entgegen.“1 Auch wenn diese geradezu berauscht klingenden Worte nicht vom Architekten selbst stammen, so geben sie doch recht trefflich die Stimmung wieder, die Bestelmeyers Erweiterungsbau bei den Zeitgenossen hervorgerufen haben muß. Hier ging es unübersehbar darum, der Wissenschaft einen einerseits durchaus funktionalen, andererseits aber gleichermaßen kostbaren Tempel zu errichten, einen Tempel, der offensichtlich beredter Ausdruck jener Wertschätzung war, die man an der Wende vom 19. auf das 20. Jahrhundert der Wissenschaft, der Universität als Institution entgegenbrachte.

Ein Denkmal, das womöglich politisch zu interpretieren war, hatte der Architekt dagegen für die neuen Universitätsräume nicht vorgesehen.2 Das schien sich erst mit dem 11. März 1911 zu ändern, als die Universität eine Feier aus Anlaß des 90. Geburtstages des Prinzregenten Luitpold nutzte, um zwei Kolossal-Statuen im Lichthof zu enthüllen, nämlich die aus weißem Carraramarmor gemeißelten, auf Postamenten neben der Verbindungstreppe zum 1. Stock hingelagerten Figuren von König Ludwig I. und dem Prinzregenten Luitpold.3

Es würde nun naheliegen, diese Figuren als Dank der Universität zu lesen, einerseits als Dank an jenen bayerischen König, der die Universität 1826 überhaupt erst von Landshut nach München geholt hatte, andererseits als Dank an den Prinzregenten, der zur Zeit der baulichen Erweiterung der Universität an der Spitze des bayerischen Königreichs stand. Gleichermaßen könnte man die beiden Figuren als Ausdruck einer patriotisch bayerisch-deutschen Gesinnung verstehen, vor allem wenn man die Ansprache von Prof. Dr. Richard von Hertwig, dem damaligen Rektor der Universität, heranzieht. Denn hier heißt es u.a.: „Mögen die Marmorstandbilder stets die Zeugen einer glücklichen Zukunft sein, einer Wissenschaftsentwicklung, welche im Dienste der Wahrheit die Güter der gesamten Menschheit vermehren, einer nationalen Erziehung, welche die Herzen unserer Jugend mit unauslöschlicher Vaterlandsliebe erfüllt; dieser Wunsch wird sich erfüllen, wenn die zu ihren Füßen Wandelnden dem Schirmherrn dieses Hauses in Pflichttreue und nationaler Gesinnung nacheifern“4.

Von derartigen Interpretationen wird man jedoch rasch Abstand nehmen müssen, angesichts eines Briefes aus der Feder von German Bestelmeyer vom 21. Juli 1911, mit dem er auf eine Anfrage des Universitäts-Bauamtes reagierte. Mitarbeiter des Bauamtes wollten wissen, was er, Bestelmeyer, davon halte, die beiden Sitzfiguren im Lichthof mit erläuternden Tafeln auszustatten. Die Antwort des Architekten fiel mehr als eindeutig aus: „Da die Figuren nicht im Sinne von Denkmälern[,] sondern als dekorative Abschlüsse von Architekturteilen aufgefasst sind, empfiehlt sich nach Ansicht des Unterzeichneten die Anbringung einer Inschrift an der Architektur, d.h. also an den Postamenten, nicht. Es wurde deshalb auch bei der Architekturgliederung auf eine etwa später beabsichtigte Anbringung von Inschriften keine Rücksicht genommen […].“ Nachdem er noch die eine oder andere Notlösung für eine Beschriftung erwogen hatte, fuhr Bestelmeyer fort und eröffnete damit einen weiteren Argumentationszusammenhang: „Für das Schönste würde ich es unmassgeblichst halten, wenn man von der Anbringung von Inschriften ganz absehen würde, da doch auch für spätere Zeit kaum ein Zweifel entstehen kann, wen die Figuren vorstellen.“5 – Ohne an dieser Stelle näher auf Bestelmeyers zuletzt geäußerte optimistische Überzeugung einzugehen, sei nur noch so viel hinzugefügt, daß das Bauamt und der Senat der Universität die Meinung des Architekten teilten; erläuternde Tafeln wurden damals jedenfalls nicht angebracht.6

Erst nach der teilweisen Zerstörung des Lichthofes 1944 und seiner Wiedereinweihung 1958 glaubte man, nun doch Erläuterungstafeln, die zumindest den Namen der Dargestellten nannten, am Sockel der beiden Figuren hinzufügen zu müssen. Offensichtlich traute man den Studenten, Dozenten und Besuchern nicht mehr zu, König Ludwig I. sowie den Prinzregenten auch ohne schriftliche Hinweise zu erkennen. Erst während der 2013 abgeschlossenen Renovierung des Lichthofes besann man sich wieder der Auffassung Bestelmeyers, denn man nahm die Namenstäfelchen nun erneut als ästhetisch störend wahr. Bezweifelt werden darf in diesem Zusammenhang freilich, ob heutige Studenten, Dozenten und Besucher, beser als jene nach 1958, in der Lage sind, diese beiden Figuren zu identifizieren. Oder ist das möglicherweise gar nicht mehr gewollt?

 

KW

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[1] Süddeutsche Bauzeitung, 16.7.1910, S. 227.

[2] Eine Abbildung des Lichthofs noch ohne die beiden Statuen, die König Ludwig I. und den Prinzregenten Luitpold darstellen, in: ebd.

[3] Vgl. „Vormerkung“, UAM, Akt „Denkmäler, Gedenktafeln, Büsten“, B-VI-17, Bd. 1. Die Figur des Prinzregenten stammt vom Bildhauer Bernhard Bleeker; die Figur Ludwigs I. wiederum stammt vom Bildhauer Knut Åkerberg.

[4] Augsburger Abend-Zeitung, 12.3.1911. Mit „dem Schirmherrn dieses Hauses“ ist Prinzregent Luitpold gemeint.

[5] German Bestelmeyer an das Universitäts-Bauamt, 21.7.1911, UAM, B-VI-8a.

[6] Senats-Beschluß vom 27.5.1911, UAM, Akt „Denkmäler, Gedenktafeln, Büsten“, B-VI-17, Bd. 1.

Literatur:

Claudius Stein (Hrsg.): Domus Universitatis. Das Hauptgebäude der Ludwig-Maximilians-Universität München 1835 – 1911 – 2011; München 2015.

Katharina Weigand: „Kunst am Bau“ oder politisches Programm? Denkmäler im Hauptgebäude der Universität; in: Claudius Stein (Hrsg.): Domus Universitatis. Das Hauptgebäude der Ludwig-Maximilians-Universität München 1835 – 1911 – 2011; München 2015, S. 161-194.


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