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April 2018

Materieller Bedarf bei Anschaffung einer EDV-Anlage: Beilage zur Einladung für die Senatssitzung am 6. März 1969

(UAM, Sen-III-24ab)

In diesen Tagen wird für das Universitätsarchiv ein modernes „Archivinformationssystem“ eingerichtet: Ein komplexes EDV-System, das zur Speicherung von hunderttausenden Datensätzen aus der Verzeichnung von Archivalien genauso befähigt ist wie zur Langzeit-Speicherung umfangreicher Digitalisate oder bereits digital angefallener Überlieferungen unterschiedlichster Art.

Die Speicherkapazitäten bewegen sich im Terabyte-Bereich, die Kosten im fünfstelligen Euro-Bereich. Das Projekt selbst wird von einer IT-Fachkraft der LMU durchgeführt, die den Betrieb auch später betreut. Das System wird nach einer Schulung von einigen wenigen Archivaren des UAM „bedient“ werden.

Da kommt doch gerade eine kleine Notiz recht, aus der ich zitiere (und dessen korrekte Wiedergabe Sie hier im Dokument vergleichen können):

„Eine EDV-Anlage mit 131 KB mit allem Zubehör (Zentraleinheit, externer Speicher (Platten- und Magnetbandspeicher), verschiedene Ein- und Ausgabegeräte, Belegungspulte) kostet ca. 3 Millionen DM. […] Raumbedarf: 370-500 qm, wobei der Anlagenraum alleine 100 qm umfaßt. […] Personalbedarf: ca. 15-20 ausgebildete Datenverarbeitungsspezialisten. Bei Vollauslastung der Anlage doppeltes Personal.“

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(zum Vergrößern bitte anklicken)

Soviel zum Aufwand für Beschaffung und Betrieb einer Datenverarbeitungs-Anlage im Jahr 1969. Die Notiz stammt aus einer Antrags-Beilage zur Einladung für die Sitzung des akademischen Senats der LMU am 6. März 1969. Wissenswert zu diesem Vorgang wäre noch, daß dieser Antrag auf Beschaffung einer Datenverarbeitungsanlage von den Studierenden-Vertretern im Senat (!) eingebracht worden war, und daß zwei Jahre später eine solche Anlage an der LMU dann auch tatsächlich in Betrieb war.

Es wird in den uns vorliegenden Akten kein bestimmtes System oder Modell genannt, aber aus den wenigen Spezifikationen und Hinweisen kann man wohl darauf schließen, daß es sich bei der EDV-Anlage um ein gerade von Siemens mit großem Erfolg vertriebenes System 4004-45 gehandelt haben dürfte. Das Ministerium für Staatssicherheit der DDR hat ein Jahr zuvor übrigens ähnliche Datenverarbeitungsanlagen für einen zweistelligen Millionenbetrag (West) angeschafft. Und auch die Stadtwerke München erfreuten sich seit kurzem eines erfolgreichen Einsatzes einer Siemens 4004-DV-Anlage.

Drei Millionen DM und 20 „IT-Fachkräfte“ für eine Anlage mit dem sagenhaften Arbeitsspeicher von 131 KB – allein das hat als Vergleich zu den heutigen Verhältnissen schon einen besonderen Reiz. Auch eingedenk der Tatsache, daß auf Basis solcher Technologie auch just in jenem Jahr 1969 der erste Mensch unseren Erdenmond betreten konnte. Im engeren Sinne einer Universitätsgeschichte bieten sich aber noch ganz andere Denkanstöße – einfach 'mal ganz spontan und ins „Unreine“ gedacht:

Allerorten wird ja in unseren Tagen gerade den Ereignissen der sog. „68er-Zeit“ gedacht, in unserem Umfeld der LMU sinnhaft v. a. der Studentenbewegung. Die Studierendenvertreter mit ihrem konstruktiven Datenverarbeitungs-Antrag vom Frühjahr 1969 und der darauf folgenden (und wie es scheint ebenso konstruktiven) Zusammenarbeit von Rektorat und Universitätsverwaltung mit eben diesen lassen also auch ganz andere Aspekte im Verhältnis zwischen etablierter Universität und bewegtem Studentenengagement aufscheinen. Überhaupt erscheinen viele der studentischen Anträge auf den ersten Blick höchst hilfreich für die Modernisierung der rasch wachsenden LMU – auch hier wäre ein lohnenswerter Forschungsansatz.

Die Behandlung des Antrages der Studentenvertretung, genauer die Einsetzung der geforderten Kommission, bringt einmal mehr erstaunliche Kommunikationslücken innerhalb der LMU zutage: Denn es gibt schon allerlei DV-Anwendungen innerhalb der LMU, z.B. bei den Mathematikern, oder in Verbindung mit dem Leibnitz-Rechenzentrum, das bereits seit 1961 besteht. Nur wissen immer nur wenige Menschen in der LMU von all diesen Dingen gleichzeitig und erst der zu behandelnde Antrag im Senat führt solch Wissen zusammen (zum Erstaunen auch des Rektors).

Parallel zu den Bemühungen für eine eigene DV-Anlage gibt es – überregional – ja auch noch das von der Volkswagen-Stiftung geförderte Projekt „Hochschul-Informations-System“, heute noch als HIS bekannt. – etc etc

Eine konzise Verwaltungs- und Organisationsgeschichte der LMU ist trotz der Arbeit von Clara Wallenreiter (Die Vermögensverwaltung der Universität Landshut-München, Berlin 1971) immer noch ein Desiderat und wäre – angesichts solcher Probebohrungen – auch sicher keine ganz so trockene Angelegenheit, wie die Themenstellung an sich vermuten lassen würde. Und lohnenswert und eine Herausforderung wäre sie allemal. Letzteres übrigens auch für das Universitätsarchiv, das in diesem Falle dann die zahlreich vorhandenen, aber kaum erschlossenen Überlieferungsblöcke zur Universitätsverwaltung einer detaillierteren Erschließung unterziehen müßte, wozu das neue Archivinformationssystem (aus dem Jahre 2018) sicher einen wertvollen Beitrag leisten dürfte.

WS


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