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März 2018

Vermerk aus dem Strafbuch der Universität, betreffend den Studenten Eduard Graf von Hirschberg, 2./4.6.1847

(UAM, D-XIV-17)

Die Revolution von 1848 verlief in Bayern – zumindest was die Situation in der Haupt- und Residenzstadt München angeht – anders als in anderen deutschen Staaten. Das lag einerseits an der angeblich aus Spanien stammenden Tänzerin Lola Montez, das lag aber auch an der besonderen Rolle der Münchner Studenten in den Jahren 1847/1848. Denn kurze Zeit nach dem Eintreffen von Lola Montez in München und nachdem der regierende Monarch, Ludwig I., sich unübersehbar als ihr größter Verehrer geoutet hatte, sollte sich eine kleine Gruppe der Studentenverbindung Palatia von dieser abspalten, um eine eigene Verbindung zu gründen, das Corps Alemannia. Das herausstechende Merkmal der zuletzt 18 Mann starken Alemannen aber war der Umstand, daß sie sich als Anhänger der vorgeblich spanischen Tänzerin zu erkennen gaben. Es dauerte nicht lange, bis das Corps Alemannia so etwas wie eine Art von Ehrengarde für Lola Montez bildete. Angesichts der bewußten Provokationen, die die Tänzerin der Münchner Bürgerschaft zumutete – Rauchen in der Öffentlichkeit, was damals in Bayern verboten war, Ohrfeigen für Angehörige der Gendarmerie usw. –, hatte eine solche studentische Leibgarde, zumindest in den Augen von Lola Montez, durchaus ihre Berechtigung.

Aber nicht nur gegenüber der Münchner Bürgerschaft handelten sich die Alemannen auf diese Weise rasch einen schlechten Leumund ein. Die neue Verbindung wurde darüber hinaus von den eigenen Kommilitonen geächtet, was Pfeifkonzerte in den Hörsälen der Universität sowie Beschimpfungen und Raufereien auf offener Straße nach sich zog. Die Alemannen wurden zudem mit dem Schimpfnamen „Lolamannen“ bedacht. Die Spannungen zwischen den beiden studentischen Gruppen, gleichermaßen aber auch zwischen der Münchner Bevölkerung und Lola Montez nahmen zu, nachdem der kommissarische Innenminister Franz von Berks bei einem Festkommers der Alemannen die anderen Münchner Studenten geschmäht hatte und nachdem es zu weiteren Provokationen von seiten der Tänzerin anläßlich der Beerdigung von Joseph von Görres gekommen war.

Um der Unruhe Herr zu werden, drohte der bayerische König am 8. Februar 1848 damit, die Universität von einem Tag auf den anderen zu schließen und erst wieder zu öffnen, wenn sich die Lage beruhigt habe. Auf die immer lauter werdenden Forderungen der Münchner Bevölkerung, Lola Montez, die der Monarch zwischenzeitlich zur Gräfin Landsfeld erhoben hatte, des Landes zu verweisen, wollte Ludwig I. dagegen nicht eingehen. Als es dann am 9. Februar 1848 jedoch zu einem weiteren Zwischenfall kam, bei dem zwar niemand verletzt, bei dem aber immerhin ein Dolch gezückt wurde, war für den König das Maß voll. Mit sofortiger Wirkung ließ er noch am selben Tag die Münchner Ludwig-Maximilians-Universität schließen und zwar bis zum Wintersemester 1848/1849.1

Die Sorge der Münchner Bürger, damit eine wichtige und lukrative Einnahmequelle zu verlieren, sorgte dafür, daß sich Bürgerschaft und Studenten kurzfristig solidarisierten. Letzten Endes mußte der bayerische König nachgeben und die Universität wieder öffnen. Nachdem er schließlich auch noch die Märzforderungen seiner Untertanen hatte akzeptieren und umsetzen müssen, war – aus seiner Sicht – der massive Verlust an Ansehen, Autorität und faktischer Macht gar zu groß. Das ließ ihn am 19./20. März 1848 zugunsten seines ältestens Sohnes Maximilian auf den Thron verzichten.

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Der Eduard Graf von Hirschberg betreffende Strafbuch-Eintrag.

(zum Vergrößern bitte anklicken; siehe farbige Markierung)

Jenes Mitglied des Corps Alemannia aber, das am 9. Februar 1848 gegen einige Kommilitonen, von denen es sich auf höchste Weise beleidigt, bedrängt und bedroht fühlte, den Dolch gezogen hatte, hieß Eduard Graf von Hirschberg. Dieser war freilich schon zuvor ungebührlich aufgefallen, so zeigen es uns zumindest die im Münchner Universitätsarchiv verwahrten Akten. Da er am 2. Juni 1847 wegen „Tabakrauchens auf der Straße“ und unpassendem „Benehmen gegen die k. Gendarmerie“ aufgefallen war, wurde eine Untersuchung der Universität und der „Polizey-Direction“ gegen ihn angestrengt. Er erhielt daraufhin am 4. Juni 1847 einen Verweis und mußte die Untersuchungskosten, die aufgrund seines Vergehens entstanden waren, bezahlen. Etwas mehr als ein Jahr später sollte genau dieser Übeltäter den letzten Anlaß für Ludwig I. liefern, die Münchner Universität zu schließen. Gedacht war das als Strafaktion gegenüber den Studenten, letztendlich aber stellte diese drastische Maßnahme den Anfang vom Ende der Herrschaft Ludwigs I. dar.

KW

 1 Vgl. das Stück des Monats September 2016.

Literatur

  • Heinz Gollwitzer: Ludwig I. von Bayern. Königtum im Vormärz. Eine politische Biographie; München 1986.
  • Thomas Weidner: Lola Montez oder eine Revolution in München; München 1998.
  • Rainer Schmidt: In revolutionärer Unruhe 1830-1848; in: Laetitia Boehm / Johannes Spörl (Hrsg.): Ludwig-Maximilians-Universität Ingolstadt • Landshut • München 1472-1972; Berlin 1972, S. 251-270.
  • Max Seitz: Die Februar- und Märzunruhen in München 1848; in: Oberbayerisches Archiv 78 (1953), S. 1-104.

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