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Historisches Seminar (2010)

150 Jahre Historisches Seminar an der Ludwig-Maximilians-Universität

Die Ausstellung versteht sich als Begleitung des neuen, von Katharina Weigand herausgegebenen Sammelbandes über Münchener Historiker zwischen Politik und Wissenschaft. 1857 hat König Maximilian II. (1848–1864), ein besonderer Freund der Geschichte, an der Universität München ein Historisches Seminar etablieren lassen. Dort sollten sowohl künftige Geschichtswissenschaftler (I. Abteilung) als auch Gymnasiallehrer (II. Abteilung) herangezogen werden, jeweils unter Anwendung der historisch-kritischen Methode. Je nach Couleur konnten die Studierenden wählen zwischen Geschichtsunterricht bei einem weltanschaulich neutralen (liberalen) Professor, der als alleiniger Direktor des Seminars eine bevorzugte Stellung genoß, und bei einem weltanschaulich gebundenen (ultramontanen) Professor. Die beiden weltanschaulich verschiedenen Ordinariate bildeten einen jeweils parallelen Stammbaum aus: Die neutrale Lehrstelle versahen Heinrich Sybel, Wilhelm Giesebrecht, Karl Theodor Heigel, Erich Marcks und Hermann Oncken. Der gebundenen Lehrstelle standen vor: Karl Adolph Cornelius, Hermann Grauert, Heinrich Günter und Max Buchner. Ein historisch ausgerichtetes Seminar gab es aber nicht nur an der Philosophischen Fakultät; Ignaz von Döllinger, der wichtigste deutsche Kirchenhistoriker des 19. Jahrhunderts, sollte 1863 ein Parallelunternehmen an der Theologischen Fakultät etablieren. Außerdem hielt er, großdeutsch ausgerichtet, profanhistorische Vorlesungen, in denen er der kleindeutschen Darbietungsform historischer Sachverhalte bei Heinrich von Sybel wortgewaltig und sachkundig entgegentrat.

Gründung des Historischen Seminars, 1857

Am 14. Januar 1857 unterzeichnete Kultusminister Theodor von Zwehl das Dekret zur Errichtung des Historischen Seminars an der Ludwig-Maximilians-Universität München zum Sommersemester 1857; er handelte dabei auf allerhöchsten Befehl König Maximilians II. (1848–1864), eines besonderen Freundes der Geschichte, der 1858 bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften auch die Historische Kommission gründen sollte. Schließlich begann 1859 die Historische Zeitschrift zu erscheinen. Dominierende Gestalt bei allen drei Einrichtungen war Heinrich von Sybel.

(Archiv der Ludwig-Maximilians-Universität, Y-IX-6, Bd. 3)

Gründungsdekret          Dekret Seite 2          Dekret Seite 3

Kenntnisgabe der Gründung bei der Philosophischen Fakultät, 1857

Per Zirkular wurde den Mitgliedern der Philosophischen Fakultät am 27. Januar 1857 die Gründung des Historischen Seminars zur Kenntnis gegeben. Als erster unterzeichnete der Senior dieser Fakultät, Friedrich Wilhelm von Thiersch. Die Leitung des Historischen Seminars lag allein bei dem Nordlicht Heinrich von Sybel, während Fachkollegen wie Karl Adolph von Cornelius (der sich für das Wintersemester 1856/57 zu Studien in niederländischen Archiven beurlauben ließ) oder wie die Eingeborenen Johann Nepomuk Sepp und Johann Michael Söltl hiervon ausgeschlossen blieben.

(Archiv der Ludwig-Maximilians-Universität, O-I-36, Bd. 10)

Liste der Unterzeichner

Statuten des historischen Seminars an der k. Universität München

München: Weiß [1857] (Archiv der Ludwig-Maximilians-Universität, O-I-36, Bd. 10 und Y-IX-6, Bd. 3)

Statuten des Seminars Seite 1          Statuten des Seminars 2          Statuten des Seminars Seite 3

Lage der Seminarräume im I. Stock des Erweiterungstraktes des Universitätshauptgebäudes

Ludwig-Maximilians-Universität München. Verzeichnis der Vorlesungen Winter-Halbjahr 1912/1913, München: Schön 1912 (Archiv der Ludwig-Maximilians-Universität, Amtsbibliothek M-I-52)

Lageplan der Seminarräume

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Mitgliederverzeichnisse des Historischen Seminars, 1875–1904

Das Historische Seminar zerfiel in zwei Abteilungen, nämlich in die kritische Sektion für die künftigen Historiker und in die pädagogische Sektion für die künftigen Gymnasiallehrer. Während Wilhelm von Giesebrecht, der hinsichtlich der Seminarführung mit demselben Monopol wie sein Vorgänger Heinrich von Sybel ausgestattet war, die Mitgliederverzeichnisse nach Sektionen noch selbst führte, trugen sich die Studierenden später eigenhändig ein.

(Archiv der Ludwig-Maximilians-Universität, Allgemeine Sammlungen 18, Inst.-IX-1 und Inst.-IX-2)

Mitgleiderverzeichnis Nr.1          Mitgleiderverzeichnis Nr. 2          Mitgliederverzeichnis Nr.3

Seminarvorträge von Sigmund Riezler und Remigius Stölzle, um 1866

Das Historische Seminar bestand aus einer kritischen und aus einer pädagogischen Abteilung. Stellvertretend für beide Sektionen werden hier die Ausarbeitungen zweier Seminarvorträge gezeigt. Der nachmalige erste Ordinarius für Bayerische Landesgeschichte an der Universität München Sigmund Riezler referierte über die Markgrafen auf dem Nordgau von 1057–1209, der spätere Würzburger Philosoph Remigius Stölzle über den Geschichtsunterricht am Gymnasium.

(Archiv der Ludwig-Maximilians-Universität, Allgemeine Sammlungen 18)

Vortrag Riezler          Vortrag Stölzle

Berufung der ersten Historikergeneration: Heinrich Sybel und Karl Adolph Cornelius, 1856

Die Planungen von König Maximilian II. gingen bereits früh dahin, der Geschichtswissenschaft an der Universität München qualitätvollere Vertreter zu geben; der neue Ordinarientyp sollte die historisch-kritische Methode in München heimisch machen. Nachdem eine Berufung Rankes mißlang, richtete der Monarch sein Augenmerk auf zwei Schüler des Meisters, nämlich Heinrich von Sybel und Karl Adolph von Cornelius. Sybel kam nach München als Inhaber der begünstigten weltanschaulich neutralen Professur, während sein Kollege Cornelius die weltanschaulich gebundene (katholische) Professur innehatte.

(Archiv der Ludwig-Maximilians-Universität, E-II-359 und E-II-435)

Berufungen          Berufungen

Pasquill auf Giesebrecht’s Geschichtsmonopol, 1865

Das Königreich Bayern war grundsätzlich paritätisch verfaßt. Aus diesem Grund gab es auch zwei weltanschaulich verschiedene Ordinariate, nämlich für Protestanten oder Liberale und für Katholiken oder Ultramontane. Allerdings beobachtete man im katholischen Lager mit Unbehagen die Bevorzugung der weltanschaulich neutralen Lehrstuhlinhaber Sybel und nach ihm Giesebrecht, denen beispielsweise bis 1884 die alleinige Leitung des Historischen Seminars und somit auch die Ausbildung der Gymnasiallehrer oblag. Gegen dieses Geschichtsmonopol wandte sich die vorliegende Flugschrift.

Giesebrecht’s Geschichtsmonopol im paritätischen Bayern, Mainz: Kirchheim 1865 (Bibliothek des Herzoglichen Georgianums, Thalhofer 8° 1165)

Flugschrift Pasquills

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Zuwahl von Cornelius in die Bayerische Akademie der Wissenschaften, 1857 und 1860

Cornelius vertrat zwar die weltanschaulich gebundene Professur, neigte aber bereits früh dem liberalen Katholizismus zu und fand so Anschluß an den Kreis um den Münchener Kirchenhistoriker Ignaz von Döllinger mit der Folge, daß jener von diesem 1857 zur Wahl in die Historische Klasse der Akademie der Wissenschaften vorgeschlagen wurde. Aufgrund der Agitation Heinrich von Sybels scheiterte diese Zuwahl in der Gesamtakademie, nachdem sie die Historische Klasse passiert hatte. 1860 schlug Sybel unter einfacher Bezugnahme auf den Wahlvorschlag Döllingers eine versöhnlichere Saite an, woraufhin die Aufnahme von Cornelius in die Reihen der Akademie glückte.

(Archiv der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Wahlakten 1857 und 1860)

Wahlakt          Wahlakt

Sybels Entlassung aus dem bayerischen Staatsdienst, 1861

König Maximilian II. war zunächst von Heinrich von Sybel sehr eingenommen, obwohl dieser zur Gothaischen Partei zählte, also kleindeutsch ausgerichtet war. Die Entlassung Sybels aus dem bayerischen Staatsdienst 1861 war ein Politikum. Der Monarch hatte bereits seit längerem an der politischen Zuverlässigkeit des ersten Historikers im Lande gezweifelt. Über die Verabschiedung Sybels brachte die Süddeutsche Zeitung einen Artikel, der von der Theologischen Fakultät der Universität München nicht unwidersprochen bleiben durfte; mit der vorliegenden Gegendarstellung wurde der Neutestamentler Franz Xaver Reithmayr beauftragt.

(Konzept Reithmayrs in: Archiv des Herzoglichen Georgianums, 2° 12/2)

(Portrait Reithmayrs in: Archiv der Ludwig-Maximilians-Universität, K-VI-1, Bd. 1)

Konzept Reithmayr          Portrait Reithmayr

Annäherung zwischen Döllinger und Sybel

Ignaz von Döllinger und Heinrich von Sybel waren sich zunächst spinnefeind, man denke nur an die von Sybel hintertriebene Zuwahl des Döllinger-Freundes Karl Adolph von Cornelius in die Akademie der Wissenschaften. Es verwundert also nicht, wenn ausgerechnet Döllinger beauftragt wurde, das Schreiben zur Entlassung Sybels aus dem bayerischen Staatsdienst zu verfassen. Das Verhältnis besserte sich erst nach und nach, etwa als Sybel seine Bedenken, Döllinger in die Historische Kommission aufzunehmen, hintanstellte. Schließlich pflegten die beiden einen ausgesprochen guten Kontakt, wofür die gezeigte Gedächtnisrede Sybels nur ein Beispiel ist.

Heinrich v. Sybel, Giesebrecht und Döllinger. Eröffnungsrede zur Versammlung der Historischen Kommission 1890, in: Ders., Vorträge und Abhandlungen (Historische Bibliothek 3), München/Leipzig: Oldenburg 1897, 321–335 (Archiv der Ludwig-Maximilians-Universität, Amtsbibliothek Bio-Sybe-0103)

Rede Sybels

Berufung der zweiten Historikergeneration: Hermann Grauert und Karl Theodor Heigel, 1884

Die Parallelstellung eines weltanschaulich gebundenen und neutralen Vertreters der Geschichte wurde konsequent fortgeführt, bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. Nachfolger von Cornelius wurde Grauert, während Giesebrecht in Heigel einen Ersatz fand. Karl Theodor Heigel stand die Direktion des Historischen Seminars zu, Hermann Grauert hingegen erhielt die Verpflichtung der Teilnahme an der Leitung des historischen Seminars; es wurde also eine Gleichberechtigung der weltanschaulich verschiedenen Ordinariate angestrebt.

(Archiv der Ludwig-Maximilians-Universität, Y-XVII-14, Bd. 1 und Nachlaß Hermann Grauert, Personalia)

Berufungen          Berufungen          Berufung

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Georg Ratzinger als Nachfolger für Cornelius?

Georg Ratzinger (1844–1899), Großonkel von Papst Benedikt XVI., war promovierter Kirchenhistoriker und kämpferischer Ultramontaner. In einem Schreiben an den Reichsrat Maximilian von Soden-Fraunhofen zeigte er 1884 reges Interesse an der weltanschaulich gebundenen Professur, die er im stiftungsgemäßen Sinne auszufüllen gedachte, ganz im Gegensatz zu Karl Adolph von Cornelius, der sich zuletzt offen zum Altkatholizismus bekannt hatte. Ratzinger war jedoch bei Kultusminister Lutz persona non grata und kam so nicht einmal in die weitere Auswahl.

(Portrait Ratzingers in: Münchner Tagblatt, 5./6. Dezember 1899)

Portrait Ratzinger

Hermann Grauerts Damenvorlesungen, 1910

Mochte die Schöpfung von weltanschaulich gebundenen Geschichtsprofessuren bereits eine kontraproduktive Verengung mit sich bringen, so bedeutete nach der Zulassung von Frauen zum Studium die Scheidung des Vorlesungsangebots in geeignet für Herren und geeignet für Damen eine zusätzliche Einschränkung des geistigen Horizonts. Grauert hielt jedoch an diesem Prinzip fest und bot so im Wintersemester 1910/11 eine Damenvorlesung über Religiöse und soziale Probleme im Verlaufe des 19. Jahrhunderts an.

(Archiv der Ludwig-Maximilians-Universität, Nachlaß Hermann Grauert, Vorlesungen)

Vorlesung Grauert

Kirchenhistorisches Seminar vs. Historisches Seminar?

Ignaz von Döllinger gründete 1863 in bewußter Parallelität und gewollter Komplementarität zum Historisches Seminar an der Philosophischen Fakultät ein Kirchenhistorisches Seminar, genannt Konversatorium, an der Theologischen Fakultät. Bei dem gezeigten Buch handelt es sich um die von fremder Hand ergänzte und somit nicht ganz treue Fassung eines Vortrages, den Döllinger in seinem Konversatorium gehalten hatte und der neben anderen Texten den Übergang vom ultramontanen zum liberalen Döllinger markiert.

Die Römische Indexcongregation und ihr Wirken. Historisch-kritische Betrachtungen zur Aufklärung des gebildeten Publikums, München: Lentner 1863 (Bibliothek des Herzoglichen Georgianums, Thalhofer 8° 335)

(Portrait Döllingers in: Archiv der Ludwig-Maximilians-Universität, K-VI-1, Bd. 1)

Vortrag Döllinger          Portrait Döllinger

Zögling des Kirchenhistorischen Seminars: Andreas Schmid

Im Nachlaß des Pastoraltheologen und Georgianumsdirektors Andreas Schmid liegt dieses Duodezheft mit Notizen aus den Conversatorien bei Döllinger. Ignaz von Döllinger zeigte übrigens ab den frühen 1860er Jahren verstärkt Präsenz in der Philosophischen Fakultät, wo er Vorlesungen über Neueste Geschichte und Litteratur vor der [Französischen] Revolution anbot, die auch von Andreas Schmid mitgeschrieben wurden und die ebenfalls im Nachlaß erhalten sind.

(Archiv des Herzoglichen Georgianums, 8° 18/6)

(Portrait Schmids in: Archiv des Herzoglichen Georgianums, Photosammlung Mappe XI)

Notizen Schmid          Portrait Schmid

Zögling des Kirchenhistorischen Seminars: Gideon Spicker

Unter dem Titel Vom Kloster ins akademische Lehramt. Schicksale eines ehemaligen Kapuziners veröffentlichte Gideon Spicker seine Memoiren, die eine anschauliche Schilderung des Kirchenhistorischen Seminars enthalten: Am Samstag von 8–9 war sogenannte Konversationsstunde; was der einzelne nicht verstanden oder überhört hatte, durfte dem Meister zur deutlichern Erklärung vorgetragen werden. Da kam dann erst das erstaunliche Wissen und das fabelhafte Gedächtnis des Mannes zum Vorschein. Die Explikationen gingen manchmal über die gestellten Fragen hinaus. Aber wir haben nie gehört, daß er bezüglich eines Ortes, einer Begebenheit, einer Jahreszahl, einer Handschrift, wovon z. B. nur noch ein Exemplar etwa in Konstantinopel oder Oxford oder Madrid vorhanden war, jemals in Verlegenheit gekommen wäre. Wenn aber einer über den Rahmen hinausging oder in Allgemeinheiten sich verlor oder gar vom Standpunkte engherziger Orthodoxie verfängliche Fragen stellte, durch die der große Gelehrte gleichsam gezwungen werden sollte, deutlicher Farbe zu bekennen, dann wurde er mit Spott und Hohn derart überschüttet, daß er gewiß nicht mehr den Mut fand, ein zweites Mal zu fragen oder auch nur von ferne zu widersprechen. Spicker promovierte 1868 über ein philosophiegeschichtliches Thema und unterließ es nicht, im hierfür nötigen Curriculum Vitae auf die von ihm gehörten vielgerühmten Vorlesungen Doellinger’s hinzuweisen; das Epitheton vielgerühmt wurde jedoch bei der Verlesung durch den Dekan als unpassend empfunden und deshalb eingeklammert.

(Archiv der Ludwig-Maximilians-Universität, O-I-48p)

(Portrait Spickers)

Lebenslauf Spicker          Portrait Spicker


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