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2. Tag der Provenienzforschung (2020)

Die Monstranz des Georgianums aus dem Jahr 1861 (Kunstsammlung des Herzoglichen Georgianums, Inv.-Nr. 107) illustriert einerseits die enge Verbindung zwischen der Ludwig-Maximilians-Universität und dem Herzoglichen Georgianum. Neben Einblicken in die frühere Geschichte der Universität an ihren drei Standorten Ingolstadt (1472-1800), Landshut (1800-1826) und München (seit 1826) beleuchtet die Monstranz andererseits interessante herkunfts- und besitzgeschichtliche Gesichtspunkte.

Kurfürst Max Emanuel von Bayern (reg. 1679–1726) errang Ruhm nicht nur als Feldherr, sondern auch als Kunstsammler. So erwarb er um 350 Pistolen (2.250 Gulden) in Paris einen Rosenkranz, bestehend aus ursprünglich 1.272 Smaragden, Hyazinthen, Nephriten und orientalischen Perlen. Diesen Rosenkranz schenkte er als Andenken seinem Vertrauten, dem Ingolstädter Jesuitenpater Ferdinand Orban (1655–1732). Orban war ebenfalls Sammler, allerdings mit einem wahrhaft enzyklopädischen Anspruch. Seine Kollektion umfasste nicht nur erlesene Kunststücke, naturwissenschaftliche Instrumente oder völkerkundliche Exponate, sondern auch Rara und Curiosa, etwa die Hirnschale von Oliver Cromwell (1599–1658). Vergleichbar mit der Orban-Sammlung ist nur das Museum Kircherianum in Rom. Mit der Aufhebung des Jesuitenordens 1773 fiel die Sammlung Orban an die Universität Ingolstadt und wanderte mit dieser über Landshut nach München. Max Emanuels Rosenkranz fand auf diese Weise ebenfalls seinen Weg nach München.

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Der Orban-Saal in Ingolstadt.

(zum Vergrößern bitte anklicken)

Über den Akt der Schenkung des bayerischen Kurfürsten an den Jesuitenpater wurde 1719/22 eine eigene, leider nur abschriftlich erhaltene Urkunde ausgefertigt: „Rosarium hoc seu coronam precatoriam tamquam memnosynon sui et donum dedit serenissimus elector Bavariae Maximil. Emanuel P. Ferdinando Orban S. J. testante reverendissimo, illustrissimo et excellentissimo domino praeposito et canonico Passaviense de Pienzenau, coemptum 350 pistol. Gallicis seu 2250 floren.”

Die Anfangsjahre der Universität in Landshut waren von permanenter Finanznot geprägt. Die Münchener Zentrale legte daher der Hohen Schule nahe, zur Deckung des eigenen Geldbedarfs profane oder sakrale Goldschmiedearbeiten aus ihrem Besitz zu liquidieren, also einzuschmelzen. Die künstlerische Bedeutung der Objekte spielte dabei nur eine untergeordnete Rolle, entscheidend war der materielle Wert. Im Mittelpunkt des Interesses standen „die bey dem orbanischen Saale vorhandenen gefaßten oder ungefaßten Edelsteine, Rosenkränze u.s.w.“ Der Rosenkranz entging glücklicherweise dieser Aktion, denn ein Passus im Dekret aus München rechtfertigte es, ihn zu verschonen: Es sollte nämlich nichts verkauft werden, „was entweder in Beziehung auf die Kenntniß der Naturprodukte oder auf Kunst von entschiedener Wichtigkeit seyn könnte“.

Im Rahmen der liturgischen Geräte in der Kunstsammlung des Herzoglichen Georgianums nimmt die 1861 von dem Münchener Goldschmied Ferdinand Harrach (1821–1898) um 800 Gulden geschaffene neogotische Monstranz eine Spitzenrolle ein: In sie wurde nämlich der besagte Rosenkranz eingearbeitet. Das Kultusministerium als für Universität und Georgianum zuständige Aufsichtsbehörde beschloss diesbezüglich 1859, dass „der bei der jüngst stattgehabten Inventarisation und Extradition der Kassalokale aufgefundene kostbare, aus der Orban’schen Sammlung herrührende Rosenkranz unter ausdrücklichem Vorbehalte des Eigenthumes der K. Ludwig-Maximilians-Universität dahier, und insbesondere der zu derselben gehörigen Orban’schen Sammlung an der für das Georgianische Clerical-Seminar dahier anzuschaffenden Monstranz als Einfassung um das Sanctissimum befestiget werde“.

Die kultusministerielle Entschließung besagt, dass sich zwei Institutionen das Eigentum an der Monstranz teilen, nämlich die Universität München, was die Edelsteine betrifft, und das Herzogliche Georgianum hinsichtlich der Goldschmiedearbeiten. Freilich wäre zu untersuchen, ob eine Entschließung von 1859 auch im Jahr 2020 noch Gültigkeit beanspruchen kann. Ähnlich wie 1805 in Landshut zeigte man 1859 in München Sinn für historische Zusammenhänge, denn vor der Zerlegung und Einarbeitung wurde der Rosenkranz fotografisch dokumentiert.

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Karl Borromäus Thumann (1820–1874), der Direktor des Herzoglichen Georgianums, nahm also mit Gutheißung der höchsten Stelle den Rosenkranz für die Verschönerung der Monstranz in Empfang; Blechkapsel und Originalbehältnis gab er an die Universität zurück; heute fehlt davon jede Spur. Außerdem händigte er dem Goldschmied Harrach silberne Fragmente eines in mehrere Teile zerlegten Brustbildes eines Heiligen und verschiedenen Altarschmucks aus der Hauskapelle, die er in einer Archivtruhe entdeckt hatte, aus mit der Bestimmung, das Metall für die Monstranz zu verwenden.

Mit Blick auf den historischen, künstlerischen und materiellen Hintergrund kann ohne Übertreibung konstatiert werden: Mit dem eingearbeiteten wertvollen Rosenkranz erhält die Monstranz des Georgianums ein vorzügliches, ja einzigartiges Gepräge, dessen Wert weit über den Stand vergleichbarer zeitgenössischer Gegenstände hinausreicht.

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Claudius Stein

 

Literatur

  • MATTHIAS KLEIN, Münchener Goldschmiedekunst. Vom Wandel eines Gewerbes zwischen Handwerk und Industrie (1800–1868). Katalog zur Ausstellung im Münchener Stadtmuseum vom 23. April – 4. Juli 1993, München 1993
  • WERNER SCHNELL, Die Kunstsammlung. In: REINER KACZYNSKI (Hrsg.), Kirche, Kunstsammlung und Bibliothek des Herzoglichen Georgianums, Regensburg 1994, 39–128
  • STEPHANIE GILLES, Pater Ferdinand Orban (1655–1732). Gelehrter – Sammler – Jesuit. Eine Bestandsaufnahme. In: Sammelblatt des Historischen Vereins Ingolstadt 118 (2009) 289–304
  • CLAUDIUS STEIN, Die Kunstkammern der Universität Ingolstadt. Schenkungen des Domherrn Johann Egolph von Knöringen und des Jesuiten Ferdinand Orban (Beiträge zur Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München 9), München 2018

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