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Mai 2010

Pokal in Schiffsform
Caspar Hentz, Augsburg, um 1594
Universitätsarchiv München, Kustodie

Schiffpokal
Pokal in Schiffsform, Augsburg, um 1594

Von 1590 bis 1595 studierte Erzherzog Ferdinand von Österreich, der spätere Kaiser Ferdinand II., an der bayerischen Landesuniversität in Ingolstadt. Um seiner Dankbarkeit für diese Zeit bleibenden Ausdruck zu verleihen, bedachte er seine Alma mater mit einem besonderen Abschiedsgeschenk. In den „Annales Ingolstadiensis Academiae“ heißt es 1782 hierzu: „transmissit enim eidem Graecio, in sui memoriam, ingens ex argento poculum auro obductum, & in formam maritimae triremis visendo opere elaboratum.“ Demnach übersandte Ferdinand aus Graz („Graecio“) zum Gedenken an ihn einen großen Trinkpokal aus Silber („ingens ex argento poculum“), mit Gold überzogen („auro obductum“) und ausgearbeitet in Form einer dreiruderigen Seegaleere („maritimae triremis“) als ein bemerkenswertes Werk („visendo opere“).

In der Tat ist das besagte Kunstwerk des Augsburger Goldschmieds Caspar Hentz ein imposantes Stück. Der Zweimaster in Form einer Kogge wird gehalten von einem bärtigen Triton, der auf einem geflügelten Delphin reitet. Der Rumpf des Schiffes ist in Treibtechnik gearbeitet und zeigt auf den Längsseiten Neptun und Amphitrite sowie eine Meeresgöttin auf einem Seeungeheuer. Die vier geblähten Segel tragen die gravierten Embleme des Ordens vom Goldenen Vlies. Auf dem Wimpel an der Spitze des höchsten Mastes prangt das Siegel der Ludwig-Maximilians-Universität sowie ein Verweis auf Stiftung, Beschädigung und Restaurierung des Objektes in den Jahren 1594, 1944 und 1954. Genreartig bevölkern kleine Figuren das Schiff und verlebendigen den Alltag an Deck: Soldaten stehen Wache, Matrosen klettern in der Takelage, einer hält Ausschau im Mastkorb. Am Heck des Schiffes sitzt eine feucht-fröhliche Gesellschaft bei Tisch. Darüber steht auf einem geflügelten Rad eine Statuette der Fortuna mit einem flatternden Wimpel in der Hand.

Im Wissen um den Auftraggeber aus dem österreichischen Herrscherhaus legt diese Figur eine allegorische Deutung des Werkes nahe. Das Schiff stünde demnach sinnbildlich für den Staat, der von Fortuna geleitet seinen sicheren Weg durch alle Unbill finden möge. Nur wenige Jahre nach Ferdinands Weggang aus Ingolstadt sollte die Umsetzung dieser Idealvorstellung für ihn und seinen bayerischen Vetter Maximilian I., mit dem zusammen er in Ingolstadt studiert hatte, in weite Ferne rücken. Über das Habsburgerreich und Bayern brachen die Wirren des Dreißigjährigen Krieges herein. 

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Ludwig Erhard bei einem Festbankett im Alten Rathaus, München 1958

Unser Stück des Monats Mai zählt zur Gattung der Tafelaufsätze. Es war jedoch nicht nur zur reinen Zierde gedacht. Wie das eingangs zitierte lateinische Wort „poculum“ bereits andeutete, hatte das Objekt noch eine weitere Funktion inne, auf die Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard anspielte, als er den Pokal bei einem Münchenbesuch mit verschmitztem Lächeln zum Mund führte. Gefüllt mit Wein war der Schiffspokal ein Trinkgefäß. Da aber beim Münchner Exemplar anders als bei vergleichbaren Stücken kein röhrchenförmiger Ausfluss angebracht ist, dürfte der jeweilige Zecher nicht selten reichlich Wein verschüttet und damit zur Erheiterung seiner Tischgenossen beigetragen haben.

Der kaiserliche Auftraggeber und die Qualität der Ausführung charakterisieren den Münchner Schiffspokal als eines der bedeutendsten Beispiele süddeutscher Tafelaufsätze der Spätrenaissance. Wie es sich für ein fragiles Objekt dieses Ranges gebührt, lagert es normalerweise sicher verpackt in einem Tresor. Diesen verlässt der beschriebene Schiffspokal nur noch anlässlich ausgewählter Ausstellungen. Derzeit können Sie ihn in der Rosenheimer Ausstellung „Gewürze. Sinnlicher Genuss, lebendige Geschichte“ in Augenschein nehmen (bis 10. Oktober 2010). 

Literaturauswahl:

Zweigler, Nadja: Der Schiffspokal ‚Fortuna‘ von Caspar Hentz in der Ludwig-Maximilians-Universität, unveröffentlichte Magisterarbeit München 1999.

Mederer, Johannes Nepomuk: Annales Ingolstadiensis Academiae, Teil 2, Ingolstadt 1782, S. 137-138.

Prantl, Carl von: Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität in Ingolstadt, Landshut, München, Band 1, München 1872, S. 380.

Pölnitz, Götz von: Denkmale und Dokumente zur Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität, München 1942, S. 55-56.

Baumstark, Reinhold (Hrsg.): Rom in Bayern. Kunst und Spiritualität der ersten Jesuiten, München 1997, S. 343-344.


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