Universitätsarchiv
print

Links und Funktionen

Navigationspfad


Inhaltsbereich

August 2016

Studentenfahne der Universität München, 1848

Universitätsarchiv München, Kustodie

dscf1335_k dscf1336_k dscf1339_k3

Die Insignien der Ludwig-Maximilians-Universität haben in der Regel während des Zweiten Weltkriegs schwer gelitten, da das Hauptbergungsdepot in Schloss Wässerndorf nicht sicher war. Das Schloss ging noch in den letzten Kriegstagen in Flammen auf und begrub unter sich etwa das „Goldene Schiff“ oder die Szepter der alten Fakultäten; sie mussten in der Nachkriegszeit mühsam aus Einzelteilen wieder zusammengesetzt werden. Einen anderen Weg nahmen die Insignien, die 1943 in der Münchener Residenz eingelagert wurden: Der Lehrstuhl von Johannes Eck wurde von den Ruinen der maximilianeischen Bauten um den Kaiserhof verschüttet und bis heute nicht wieder gefunden. Die beiden Studentenfahnen aus der Revolutionszeit um 1848 und die Hellebarde der Universität Ingolstadt kamen hingegen in die Schatzkammer der Residenz und überstanden dort mit Ausnahme einer der beiden Studentenfahnen den Krieg. Die Bayer. Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen bot 1946 der Universität München die Rückführung dieser Insignien an. Die Universität reagierte erst 1952 und erhielt daraufhin von der Schlösserverwaltung den unrichtigen Bescheid, dass alle 1943 geborgenen Gegenstände vernichtet worden seien. Gerüchteweise erfuhr das Universitätsarchiv, dass das eine oder andere Stück doch überlebt hat und veranlasste 1984 die Hochschulleitung, erneut bei der Schlösserverwaltung nachzufragen. Und in der Tat kehrte die Hellebarde 1986 in das Hauptgebäude zurück und wurde einstweilen in der Talarkammer eingestellt. Dreißig weitere Jahre vergingen allerdings, bis das Universitätsarchiv 2015 mit Hilfe der Hausverwaltung die Hellebarde im Amtstrachtenzimmer entdeckte und sie in seine Kustodie überführte. Eine Anfrage bei der Schlösserverwaltung nach dem Verbleib der erhaltenen Studentenfahne wurde jüngst positiv verbeschieden: Das Stück lagerte im Textildepot in Nymphenburg und gelangte im Juni in die Kustodie des Universitätsarchivs. Somit ist der kuriose Fall eingetreten, dass 70 Jahre nach Kriegsende das letzte Bergungsdepot der LMU München geräumt werden konnte! Allerdings befindet sich die Studentenfahne, Zeichen ihrer bewegten Geschichte, in einem deplorablen Zustand. Das Universitätsarchiv veranstaltet 2017 eine Tagung zu den Insignien der Universität Ingolstadt-Landshut-München, deren Intention es auch sein wird, Spendengelder zur Restaurierung solcher, besonders gefährdeter Insignien einzuwerben.

Universitätsarchivar Götz von Pölnitz führte die hier präsentierte Studentenfahne – unter der signifikanten Bezeichnung „Revolutionsfahne“ – als erster in die universitätsgeschichtliche Literatur ein und gab zu dieser, auch was Herstellerinnen und Stifterinnen betrifft bemerkenswerten Insignie folgende Beschreibung: „An den Münchener Erhebungen der Jahre 1847 und 1848 nahm die Studentenschaft sehr aktiven Anteil. Daraufhin sandte die Wiener Studentenvereinigung der ,Aula‘ als Zeichen ihrer Anerkennung und großdeutschen Verbundenheit eine Sturmfahne nach München, die, nach der Verhandlung des Münchener Studentenausschusses vom 24. Juni 1848 zu schließen, unter derart mysteriösen Umständen übergeben wurde, daß eigentlich nicht einmal die offizielle Ermächtigung der begleitenden Abordnung feststand.“

Bei der hier beschriebenen Fahne handelt es sich um diejenige, die nicht erhalten ist, aber gleichwohl im Dezember 2009 Stück des Monats war.

Universitätsarchivar Pönitz fährt fort: „Dennoch scheint der Eindruck der Ehrengabe ein tiefer gewesen zu sein, so daß zu seiner Abschwächung die Königin, die Herzogin von Leuchtenberg und die Prinzessin Luitpold gemeinsam eine andere mit dem bayerischen Rautenwappen anfertigten und sie dem Münchener Studentenfreikorps, dem ersten Deutschlands im Jahre 1848, übergaben.“

Wenn nicht alles täuscht, ist eben diese Fahne auf einem zeitgenössischen Aquarell zu sehen, welches das „Münchner Freicorps“ darstellt. Diese These wird von der ungewöhnlichen Farbabfolge gestützt, die an der Fahne und im Aquarell festzustellen ist: schwarz-gold-rot statt schwarz-rot-gold, eine wohl singuläre Verwechslung. Somit dürfte die Studentenfahne von 1848 die einzige Insignie sein, von der es eine zeitgleiche bildliche Darstellung gibt. Das Münchener Studentenfreikorps dürfte es übrigens auch gewesen sein, das die Fahne mit der allmählichen Auflösung der studentischen Selbstverwaltung um 1852 an das Rektorat der Universität abgeliefert hat.

sdm_08_0001_k

CS

 

Literatur

Hermann Grauert, Schwarz-rot-goldene und schwarz-weiß-rote Gedanken an deutschen Universitäten, München 1917

Götz Frhr. v. Pölnitz, Die deutsche Einheits- und Freiheitsbewegung in der Münchner Studentenschaft (1826–1850), München 1930

Götz Frhr. v. Pölnitz, Denkmale und Dokumente zur Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität Ingolstadt-Landshut-München, München 1942

Rainer Schmidt, In revolutionärer Unruhe 1830–1848, in: Laetitia Boehm und Johannes Spörl (Hg.), Ludwig-Maximilians-Universität Ingolstadt-Landshut-München 1472–1972, Berlin 1972, 251–270


Servicebereich