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Juli 2016

Electio – Resignatio:

Zwei Miniaturen im Matrikelbuch der Universität Ingolstadt, wohl von Caspar Freisinger, Deckfarben auf Pergament, Ingolstadt 1589/90.
UAM, D-V-4, fol. 4v und fol. 5r.

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Anders als bei der Mitgliedschaft in der Europäischen Union ist das Kommen und Gehen gerade das Normalste an einer Universität. Das gilt für Studierende besonders, aber auch für die Lehrenden, und in den vergangenen Jahrhunderten der alten europäischen Universität ganz besonders für die Rektoren der Hohen Schulen. Denn diese traten ihr Amt zunächst nur für ein Semester, später meist für ein Studienjahr an, was einen turnusmäßigen Wechsel der Amtsgeschäfte und damit einen festen Programmpunkt im akademischen Jahreskalender bedeutete. Erst seit Beginn der 1970er-Jahre und dann mit dem Wechsel zur Präsidialverfassung (erstmals 1976) erstrecken sich die Amtszeiten der Rektoren und Präsidenten der LMU nun meist über mehrere Jahre.

Mit den hier gezeigten beiden illustrierten Berichten von der Wahl und Amtsübernahme (electio) und der Amtsrückgabe (resignatio) des bayerischen Herzogsohnes Philipp Wilhelm als Rektor tauchen wir wieder einmal tiefer ein in die Vergangenheit unserer Universität und gehen zurück in deren Ingolstädter Epoche, genauer ins Studienjahr 1589/90. Die Buchmalerei eröffnet nicht nur den 3. Band (1589-1613) der alten Matrikeln der Universität Ingolstadt, sondern öffnet auch uns Nachgeborenen die Augen für einen Vorgang, von dem meist nur mit Worten berichtet wird. Denn im Unterschied zu den sonstigen nur allegorisch illuminierten Wahlberichten dieser Handschrift übermitteln uns diese Miniaturen sehr realistisch und detailliert zwei Szenen aus dem jährlichen Festzyklus der ältesten bayerischen Landesuniversität:

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In der Aula des damaligen Universitätsgebäudes – heute noch als „Hohe Schul“ in Ingolstadt stehend – legt der scheidende Rektor Johannes von Hasenberg seinem neu gewählten, erst 13-jährigen Nachfolger Herzog Philipp Wilhelm das caputium rectoris über die Schulter, das – ähnlich der heutigen Amtskette – die Insignie für das Rektoramt darstellt. Zu diesem Zeitpunkt war der junge Herzog bereits designierter, aber noch nicht geweihter Bischof von Regensburg. Gegenwärtig sind auch die Pedelle, welche wiederum als Universitätsinsignien die beiden Universitätsszepter tragen und damit den hochoffiziellen Charakter der Zeremonie kenntlich machen. Die Aula wird von geistlichen und weltlichen Professoren, weiteren Amtsträgern der Universität und von Studenten gefüllt; unter ihnen befinden sich (links exponiert) auch der spätere bayerische Kurfürst Maximilian und der spätere Kölner Kurfürst Ferdinand. Der dazugehörige Wahlbericht ist in einem auf die „sieben freien Künste“ (septem artes) bezogenen allegorischen Rahmen niedergeschrieben und datiert diesen Festakt auf den 18. Oktober 1589.

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Die Rückgabe des Rektoramtes am Ende des Wintersemesters 1589/90 durch Philipp wird im rechten Bild dargestellt. Die Amtshandlung findet am gleichen Ort statt, zeigt aber eine etwas andere Szene: Nun steht der scheidende Rektor, mit dem caputium über der linken Schulter, auf der Kanzel, um seinen Rechenschaftsbericht abzugeben. Hinter ihm ist sein Bischofswappen erkennbar; er wird nun bald als solcher sein neues Amt in Regensburg antreten. Unter den ihn umgebenden Professoren, Amtsträgern und Studenten sind auch mehrere Studenten aus dem Hochadel vertreten, so auch der Sohn Erzherzog Karls von Österreich, der spätere Kaiser Ferdinand II. Ein unter der Miniatur wiederum im allegorischen Rahmen ausgeführter Bericht vermerkt diese Personen. Ferdinand übrigens vermachte wenige Jahre später der Universität als scheidender Student ein prachtvolles Ehrengeschenk: einen vergoldeten Schiffspokal, welcher hier bereits als Stück des Monats Mai 2010 zu sehen war.

Die Wahl adeliger Studenten in das Rektorenamt war eine im 16. und 17. Jahrhundert auch an anderen Universitäten praktizierte Form, die Universität repräsentativ auszugestalten. Im Statut der Ingolstädter Universität war diese Praxis ebenfalls vorgesehen worden. Dabei hatte der meist junge und unerfahrene Adelsrektor aber keineswegs die tatsächlichen Amtsgeschäfte zu führen, sondern ihm stand ein aus dem Kreis der Professoren bestimmter Vizerektor zur Seite, der diese verantwortungsvolle Aufgabe wahrnahm. Bemerkenswert für die Ingolstädter Situation ist allerdings, daß – im Vergleich mit anderen süddeutschen Universitäten – die bayerische Hohe Schule im 16./17.Jahrhundert einen ungleich höheren Anteil an Adelsrektoren eingesetzt hatte, überhaupt die Frequenz des Adelsbesuchs in Ingolstadt für eine als mittelgroß einzuschätzende Universität zu dieser Zeit beachtlich war.

Das Rektorat des jungen Philipp fiel in die Zeit einer erneuten, konfessionell gestraffen Ausrichtung der Universität auf den „alten“, den katholischen Glauben. Bereits 1549 hatte Herzog Wilhelm IV., nach dem Tode des profilierten Luthergegners Johannes Eck, die Jesuiten an die Universität geholt, um deren katholische Prägung sicherzustellen. In den nachfolgenden Jahrzehnten hatten diese immer mehr Professuren unter ihre Observanz gebracht, wobei sich innerhalb der Universität letztlich dadurch ein heftiger Konflikt aufbaute. Eben diesen Streit beendete nun 1588 Philipps Vater, Herzog Wilhelm V. unmißverständlich zugunsten der stramm katholischen Richtung, indem er die noch verbliebenen Professuren der artistischen (philosophischen) Fakultät nun komplett den Jesuiten zusprach. Im Vorfeld des Dreissigjährigen Krieges wurde die Universität Ingolstadt so für lange Zeit zu einer Bastion des alten Glaubens.

Übrigens:

Mit dieser Darstellung, auf der die Insignien der alten Hohen Schule so ganz nebenbei sichtbar werden, erlauben wir uns, schon jetzt auf eine Tagung des Universitätsarchivs hinzuweisen, welche im Februar 2017 stattfinden und sich intensiv mit den Insignien der LMU beschäftigen wird.

WS

Literaturhinweis:

Siegfried Hofmann, Zwei Miniaturen der Matrikel der Universität Ingolstadt, in: Rom in Bayern. Kunst und Spiritualität der ersten Jesuiten. Katalog zur Ausstellung des Bayerischen Nationalmuseums, München 1997, S. 338-340;

Rainer A. Müller, Universität und Adel. Berlin 1974;

Arno Seifert, Im Zeitalter der katholischen Reformation, in: Ludwig-Maximilians-Universität Ingolstadt – Landshut – München 1472-1972, hgg. von Laetitia Boehm und Johannes Spörl, Berlin 1972, S. 135-156.

Wolfgang J. Smolka, Electio – Resignatio, Katalogbeitrag in: Als Frieden möglich war. Begleitband zur Ausstellung im Maximilianmuseum in Augsburg 2005, Regensburg 2005, S. 478 f.


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