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Januar 2016

UAM, VA 006/5, Bd.1: Verwaltungsausschuß der Universität München, Amtstracht der Professoren

Der Akt VA 006/5, Bd.1, des Verwaltungsausschusses behandelt die Amtstracht der Professoren der LMU: die Talare. Geht es dabei vor allem um die Kosten dafür, so findet sich in dem Konvolut doch auch ein kleiner Umschlag mit einigen Fotos: diese wollen wir heute einfach zum Stück des Monats machen. 

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Festzug der Professoren durch die Münchener Innenstadt, anläßlich der Hundertjahrfeier der Verlegung der LMU nach München, am 27. November 1926

Die Schwarzweiß-Fotografien im Postkartenformat stammen aus dem Jahre 1926 und dokumentieren den Festzug der Professoren der LMU und ihrer Gäste anläßlich des 100. Jahrestages der Verlegung der LMU von Landshut nach München. Darauf ist leicht zu erkennen: Die allermeisten der würdigen Akademiker (unter ihnen keine Geringeren wie z.B. der Nobelpreisträger Wilhelm Wien) tragen einen Talar. Der Talar, ein langes mantelartiges Gewand, war im Mittelalter eine Tracht der Kleriker, kam über diese an die frühen Universitäten und hat daher als akademische Kleidung eine jahrhundertelange Tradition.

Auch an der bayerischen Landesuniversität zu Ingolstadt wurde der Talar zeitweise getragen, bis er dann, noch vor der Verlegung der Universität nach Landshut (1800), als altmodisches „Kostüm“ einer überholten Form von Universität in Verruf kam und letztlich durch die damals übliche Staatsdiener-Uniformen abgelöst wurde. Mit der Verlegung der Universität nach München durch König Ludwig I., der diese quasi auch als Neugründung „seiner“ Universität in der Residenzstadt München ansah, verlieh der Landesherr der Hohen Schule nicht nur wieder einige ihrer verloren gegangenen Privilegien. Neben einer goldenen Amtskette für den Rektor bekamen die Professoren, genauer die Ordinarien der Universität, auch eine neue Amtstracht von ihm verliehen, welche die Universität allerdings selber bezahlen mußte. Der König selbst erwartete, daß diese zum äußeren Zeichen der Würde der gelehrten Institution und ihrer Vertreter bei festlichen Anlässen dann aber auch getragen werden würde. Der Entwurf des Arrangements stammt wohl von Peter Cornelius, seinerzeit Direktor der Münchener Akademie der bildenden Künste. Das aus mehreren Einzelteilen bestehende Kleidungsstück war in verschiedenen Farben gehalten, je nach Fakultätszugehörigkeit des Trägers: Schwarz für die Theologen, ein dunkles Blau für die Philosophen, ein Grün für die Mediziner und ein Rot für Juristen und Staatswirte. Ein wenig attraktives Braun wurde später für die Tiermediziner eingeführt, als 1914 diese als eigenständige Fakultät zur LMU kamen.

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Farblithographie mit dem Entwurf der Talare nach Peter Cornelius, hier für juristische und Staatswirtschaftliche Fakultät

Tatsächlich stieß die Robe ganz verbreitet bei den Professoren auf wenig Gegenliebe: Sie war höchst kompliziert anzulegen, teuer in Anschaffung und Unterhalt, und sehr unbequem, v.a. in den Sommermonaten. Insgesamt sind mehrere Aktenstücke im UAM überliefert, welche leidlich Auskunft geben über das zwiespältige Verhältnis der Münchener Professorenschaft zu ihrer Amtstracht. Kurz zusammen gefaßt läßt sich sagen: Die Mahnungen an die Professorenschaft, sich bei gegebenen Anlässen denn auch ihrer Amtstrachten zu bedienen, fruchteten nur bedingt, insgesamt gewöhnten sie sich aber langsam an die neue Tracht. Nicht unerheblich waren allerdings die laufenden Kosten, welche die Amtstracht der Universitätskasse verursachte, durch Instandhaltungen ebenso wie durch ständige Anpassung an die neuen Träger bzw. Ergänzungen. Um und nach der Jahrhundertwende hatte die universitäre Kleiderkammer ihren Tiefpunkt erreicht, von Zerfall und Mottenfraß war die Rede.

Dennoch konnte sich die Münchner Universität nicht von diesem symbolischen Kleidungsstück trennen, vielmehr mußte sie in jenem Jahr, aus dem unsere oben gezeigten Fotografien stammen, einen besonderen Kraftakt vollbringen: Zur großen Feier des 100. Translokations-Jubiläums galt es, eine enorm gewachsene Professorenschaft mit diesen Gewändern zu versorgen, die vorzeigbar waren – ein schwieriges Unterfangen für die Universitätskasse nach den Verlusten der großen Inflation zuvor. Und nicht nur das: Im Zuge der Emanzipation der Nichtordinarien nach dem Ersten Weltkrieg sollten auch diese in Talar den Festzug begleiten. In ihrem gegenwärtigen Zustand konnte das die universitäre Kleiderkammer unmöglich leisten. Die schlichte, aber auch ungerechte Lösung war, daß gerade die Nichtordinarien sich nun ihre „Amtsbekleidung“ selbst zu kaufen hatten, da die Universitätskasse dazu nicht mehr in der Lage war! Wenig später wurde die Problematik der Amtskleidung wieder vergemeinschaftet, indem für eine gemeinsam Kleiderkammer auch eine gemeinsam Kleiderkasse eingeführt wurde, in die alle Hochschullehrer, also auch die Ordinarien, einzuzahlen hatten.

Beide – Kleiderkammer wie Kleiderkasse – überdauerten die Stürme der folgenden Jahrzehnte und wurden wieder aktiviert, als auch die Universität nach 1945 wieder ihren Betrieb aufnahm. Wir sehen also: Seit 1826 hatte sich die Universität doch recht gut mit ihrer Amtstracht angefreundet, und gerade nach dem Krieg war sie beliebter Ausdruck für das wiedererstarkende akademische Selbstbewußtsein ihrer Träger. Zwanzig Jahre später hielt dieses allerdings nicht mehr den Sprechchören einer völlig neuen Studentengeneration stand: wie anderswo auch verschwanden ab 1968 in München die Talare klammheimlich aus der universitären Wahrnehmung und dem Selbstverständnis einer sich rasant ändernden Hochschullandschaft, die probte, sich vom angeblichen „Muff von tausend Jahren“ zu befreien. Wiederum zwei Jahrzehnte dauerte es, bis sich vereinzelt Professoren wieder in die Kleiderkammer der Universität verirrten – denn diese gab es immer noch. Es waren wohl die Veterinärmediziner, welche anläßlich der großen Münchener Fronleichnamsprozession in den 1980er Jahren wieder im Talar daran teilnahmen, also die Amtstracht wieder in der Öffentlichkeit trugen. Auch heute sind immer wieder einmal etwa Dekane bei den Promotionsfeiern ihrer Fakultät im Talar zu sichten. Das alles aber muß man als – vereinzelte – Eigeninitiativen, ganz und gar nicht als offizielle Äußerung der Gesamtuniversität verstehen. Die Kleiderkasse gibt es übrigens nicht mehr: sie wurde 1999 aufgelöst.

2022 wird die Ludwig-Maximilians-Universität 550 Jahre alt werden – kein unerhebliches Jubiläum. Und 2026 jährt sich dann die Verlegung der LMU nach München zum 200. Male. Ob man dann auch wieder einen Zug der Professoren in ihren „Amtstrachten“ auf der nach ihrem Stifter benannten Straße, der Ludwigstraße bewundern kann? – Wir dürfen gespannt sein!

WS

 

Quellen im UAM:
Bestand Verwaltungsausschuß: VA 006/5; VA CI 15,1
Bestand Senat und Rektorat: E-VII-13; Sen.440

Literaturhinweis:
Stephanie Harrecker: Ausdruck von Würde oder „veraltetes Kostüm“? Vom Symbolgehalt des Talars im Wandel der Zeit, in: Bayernspiegel 5/2001, S. 8-10 


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