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Februar 2016

Hellebarde der Universität Ingolstadt

Universitätsarchiv München, Kustodie

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Die Insignien der Ludwig-Maximilians-Universität haben in der Regel während des Zweiten Weltkriegs schwer gelitten, da das Hauptbergungsdepot in Schloss Wässerndorf nicht sicher war. Das Schloss ging noch in den letzten Kriegstagen in Flammen auf und begrub unter sich etwa das „Goldene Schiff“ oder die Szepter der alten Fakultäten; sie mussten in der Nachkriegszeit mühsam aus Einzelteilen wieder zusammengesetzt werden. Einen anderen Weg nahmen die Insignien, die 1943 in der Münchener Residenz eingelagert wurden: Der Lehrstuhl von Johannes Eck wurde von den Ruinen der maximilianeischen Bauten um den Kaiserhof verschüttet und bis heute nicht wieder gefunden. Die beiden Studentenfahnen aus der Revolutionszeit um 1848 und die Hellebarde der Universität Ingolstadt kamen hingegen in die Schatzkammer der Residenz und überstanden dort den Krieg. Die Bayer. Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen bot 1946 der Universität München die Rückführung dieser Insignien an. Die Universität reagierte erst 1952 und erhielt daraufhin von der Schlösserverwaltung den unrichtigen Bescheid, dass alle 1943 geborgenen Gegenstände vernichtet worden seien. Gerüchteweise erfuhr das Universitätsarchiv, dass das eine oder andere Stück doch überlebt hat und veranlasste 1984 die Hochschulleitung, erneut bei der Schlösserverwaltung nachzufragen. Und in der Tat kehrte die Hellebarde 1986 in das Hauptgebäude zurück und wurde einstweilen in der Talarkammer eingestellt. Dreißig weitere Jahre vergingen allerdings, bis das Universitätsarchiv 2015 mit Hilfe der Hausverwaltung die Hellebarde im Amtstrachtenzimmer entdeckte und sie in seine Kustodie überführte. Eine Anfrage bei der Schlösserverwaltung nach dem Verbleib der Studentenfahnen läuft. Im Optimalfall kann also 70 Jahre nach Kriegsende das letzte Bergungsdepot LMU München geräumt werden!

Universitätsarchivar Götz von Pölnitz führte die Hellebarde als erster in die universitätsgeschichtliche Literatur ein und gab zu dieser Insignie folgende Beschreibung: „Der Stiftungsbrief vom Jahre 1472 räumte dem Rektor der Hohen Schule gewisse Polizeibefugnisse über alle unmittelbaren und entfernten Angehörigen der Universität, die in ihrer Matrikel verzeichnet standen, ein. In späteren Zeiten waren gerade diese häufig Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen zwischen der Universität, die auf ihren Privilegien beharrte, den staatlichen und städtischen Behörden. Wahrscheinlich um ihre Gewalt möglichst augenfällig anzuzeigen, ließen die Rektoren des Barock eine Polizeihellebarde in Gestalt antiker Fasces anfertigen, während aus früherer Zeit hiervon nichts bekannt ist. Eine solche Waffe, die insgesamt 240 cm lang ist, vermutlich aus der Zeit um 1750, hat sich im Besitze der Universität München erhalten. An einer einfachen Holzstange, deren 52 cm lange, leider etwas beschädigte Eisenspitze seitlich einem Beile ähnlich verbreitert ist, sind am oberen Schaftteile zehn Holzstäbe wie ein Rutenbündel befestigt, von dem noch dreierlei verschiedene Geißeln herabhängen. Das seltene Rechtssymbol, das vermutlich bei feierlichen Aufzügen Verwendung fand, wird nach unten durch eine Spitze, die zum Aufpflanzen der Hellebarde dienen mochte, abgeschlossen.“

Eine jüngere Deutung dieser Insignie versuchte Walter Paatz, der für die Zeit ab 1600 nach humanistischer Mode antikisierende Gleichsetzungen universitärer Amtsträger und -zeichen feststellen konnte, etwa der Universitätspedelle mit den antiken Liktoren oder der universitären Szepter mit den alten fasces (also mit den Amtszeichen der Liktoren) oder der Rektoren mit den Konsuln. In Ingolstadt verstieg man sich sogar dazu, den alten Szeptern neue fasces beizugesellen, als man das kuriose Unikum einer Hellebarde mit fasces kreierte.

 

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Archivalien

UAM, D-XVII-92; UAM, Sen.0476, Bd. 4; UAM, Sen.0779

 

 

Literatur

Götz Frhr. v. Pölnitz, Denkmale und Dokumente zur Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität Ingolstadt-Landshut-München, München 1942, 58

Walter Paatz, Sceptrum universitatis. Die europäischen Universitätsszepter (Heidelberger Kunstgeschichtliche Abhandlungen. Neue Folge 2), Heidelberg 1953, 36 f.

Günter W. Vorbrodt – Ingeborg Vorbrodt, Die akademischen Szepter und Stäbe in Europa (Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Corpus sceptrorum I,1), Heidelberg 1971, 108


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