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März 2016

König Ludwig II. ernennt Karl Theodor Heigel zum a.o. Prof. an der LMU, 19.7.1879

UAM, E-II-601

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Bayerische Geschichte wurde schon zu Zeiten König Ludwigs I. an der Ludwig-Maximilians-Universität gelehrt, allerdings gab es noch längst keine Professur, die ausschließlich der Landesgeschichte gewidmet war. Hauptsächlich für die nachmaligen Gymnasiallehrer wurde bayerische Geschichte an der Münchner Universität angeboten. Während der Regierungszeit Ludwigs I. und seines Sohnes, Max’ II., nahmen sich – neben ihren anderen Verpflichtungen – Andreas Buchner (1776-1854), anschließend Johannes Michael Söltl (1797-1888) und zu Beginn der 1860er Jahre auch August Kluckhohn (1832-1893) der bayerischen Geschichte an. Der eigentliche Star unter den Münchner Historikern, der 1855 an die LMU berufene Heinrich Sybel (1817-1895), war ganz den methodischen Neuerungen in der Geschichtswissenschaft im Sinne Rankes verpflichtet – weswegen ihn Max II. in die Haupt- und Residenzstadt geholt hatte. Als vehementer Befürworter einer preußisch dominierten kleindeutschen Reichseinigung stand Sybel jedoch allen Bestrebungen, mit Hilfe bayerisch-landesgeschichtlicher Vorlesungen an der Universität das eigenstaatliche Bewußtsein zu stärken, mehr als kritisch gegenüber. Er weigerte sich sogar, dem dezidierten Auftrag des bayerischen Königs nachzukommen, eine an den neuen wissenschaftlichen Standards zu messende Geschichte Bayerns zu verfassen. Sybels Wechsel an die Universität Bonn 1861 war die logische Folge solcher Unverträglichkeiten. Aber noch in den 1870er, 1880er und 1890er Jahren blieb die Landesgeschichte ein Stiefkind an der Münchner Universität, sie wurde gleichsam nur nebenher von Ludwig von Rockinger (1824-1914) und von Franz von Löher (1818-1892), die gleichermaßen Paläographie und Diplomatik vermitteln sollten, angeboten.

Einige Jahre nach der Reichsgründung von 1870/71 wurde zum ersten Mal die Frage, ob eine Professur allein für bayerische Geschichte an der LMU errichtet werden sollte, aufgeworfen und gleichzeitig rasch zum Politikum. Urheber der Angelegenheit war der 1873 in München habilitierte und am Königlichen Reichsarchiv beschäftigte Karl Theodor Heigel (1842-1915), der 1876 einen Antrag an den Senat der Universität gestellt hatte, ihn mit einer besoldeten außerordentlichen Professur zur Verbesserung des Lehrangebots in bayerischer Geschichte zu betrauen. Heigel, der an der Münchner Universität als Privatdozent zu dieser Zeit tatsächlich vor allem bayerische Themen traktierte, wollte auf diese Weise dem von ihm wenig geliebten Dienst am Königlichen Reichsarchiv in München entkommen. Zur Finanzierung einer solchen Professur benötigte die Universität jedoch eine Erhöhung der staatlichen Zuschüsse, die wiederum ohne Zustimmung des Landtags nicht zu erhalten war. Doch gerade weil Heigels Ansinnen von Kultusminister Johann von Lutz, dem erklärten Feind der patriotischen Landtagsmehrheit, vehement unterstützt wurde und weil Heigel selbst als Nationalliberaler galt, scheiterte die ganze Angelegenheit. Daß sich der Senat der Universität hinter Heigel gestellt und dessen Antrag befürwortet hatte, sollte daran nichts mehr ändern.

Am 5. und 21. Februar 1878 verhandelte der bayerische Landtag über die vom Kultusminister neu beantragten staatlichen Zuschüsse für die Ludwig-Maximilians-Universität. Darunter befand sich auch das Gesuch, für die Einrichtung einer landesgeschichtlichen Professur – aber eigentlich für die Ernennung des Privatdozenten Heigel zum besoldeten außerordentlichen Professor – jährlich 3360 Mark zu bewilligen. Doch die Patriotenpartei, die über die Mehrheit der Abgeordneten in der 2. Kammer des bayerischen Landtags verfügte, wies das Ansinnen von Kultusminister Lutz zurück. Und daß die Patrioten vor allem den ins Auge gefaßten Kandidaten, den nationalliberalen Karl Theodor Heigel, verhindern wollten, zeigt sich daran, wie der patriotische Abgeordnete Kaspar Ruppert seine Ablehnung begründete: „Dabei mangelt mir auch das Vertrauen, daß die bayerische Geschichte unter den dermaligen Verhältnissen in einer Weise werde behandelt werden, daß hievon eine Hebung und Förderung des Gefühls, ein Bayer zu sein, zu erwarten ist.“

Noch ein weiteres Jahr sollte es dauern, bis Heigel am 19. Juli 1879 immerhin zum außerordentlichen Professor ernannt wurde. Die zuvor geforderte Besoldung wurde ihm jedoch nicht gewährt. Lediglich ein vom Kultusministerium selbst übernommener „Funktionsbezug“ von 600 Mark wurde ihm zugestanden, der Heigel für seine berufliche Doppelbelastung – er war ja weiterhin am Königlichen Reichsarchiv beschäftigt – ein wenig entschädigen sollte.

Seit 1883 war es dann freilich schon wieder schlecht bestellt um die bayerische Geschichte an der LMU. Denn in diesem Jahr wurde Heigel als ordentlicher Professor für Handels- und Kulturgeschichte an die Technische Hochschule München – an die heutige TU – berufen. Er kehrte zwar bereits 1885 als Direktor des Historischen Seminars an die LMU zurück, doch von nun an bot er keine Lehrveranstaltungen zu bayerischen Themen mehr an.

KW

 

Literatur

Katharina Weigand: Der Lehrstuhl für bayerische Landesgeschichte an der Universität München und sein erster Inhaber Sigmund von Riezler; in: Volkert, Wilhelm / Ziegler, Walter (Hrsg.): Im Dienst der bayerischen Geschichte. 70 Jahre Kommission für bayerische Landesgeschichte, 50 Jahre Institut für Bayerische Geschichte; 2. Aufl. München 1999, S. 307-350

Katharina Weigand: Sigmund von Riezler (1843-1927) und Michael Doeberl (1861-1928); in: Weigand, Katharina (Hrsg.): Münchner Historiker zwischen Politik und Wissenschaft. 150 Jahre Historisches Seminar der Ludwig-Maximilians-Universität; München 2010, S. 159-184.


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