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Januar 2018

Akte des Akademischen Senats der Universität München, betreffend die Universitätstanzlehrer

(UAM, P-IV-15)

Wie an anderen Hochschulen üblich firmierten in früherer Zeit auch an der Münchner Alma Mater unter den Oberbegriffen „Sonstige Universitäts-Angehörige“ oder „Universitätsverwandte“ Vertreter verschiedener Berufsgruppen wie beispielsweise Universitätsbuchbinder, -buchdrucker, -zeichner, -instrumentenmacher und -optiker, zusätzlich sehr speziell auf studentische Bedürfnisse und Traditionen abzielende Lehrende, wie Universitätsfechtmeister und -tanzlehrer. Noch andere Personen und Einrichtungen trachteten danach, eine solche, offenbar als werbewirksames Privileg verstandene Bezeichnung für sich beanspruchen zu dürfen. So versuchten ein Friseurgeschäft in der Amalienstraße und eine Drogerie in der Türkenstraße sich in den 1920er und 1930er Jahren (unberechtigterweise) mit universitären Titeln zu schmücken.

Kommen wir nun zu den Lehrpersonen, welche den Studierenden nicht nur verschiedene Tänze, sondern darüber hinaus Anstand und den feinen, korrekten Umgang in Gesellschaft beibringen sollten.

Bereits 1774 findet sich ein Hinweis auf einen mit der Hochschule explizit verbundenen Tanzlehrer, also noch zur Ingolstädter Periode der späteren LMU. Damals unterzeichnete Johann Heinrich von Michlanzcki einen Brief als kaiserlicher Haupt- und Grenz-Mautner sowie kurfürstlich-bayerischer Hof- und Universitätstanzmeister.

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Briefunterschrift des Johann Heinrich von Michlanzcki mit Siegel (1774).

(zum Vergrößern bitte anklicken)

Mehr als einhundert Jahre später, 1882, bat ein gewisser A. Diringer um die Verleihung des Titels eines Universitätstanzlehrers. Nach eigener Aussage unterrichtete er 250 bis 300 Studierende der Münchner Hochschulen. Seine Bitte wurde allerdings vom Senat der LMU abgewiesen. Drei Jahre später erhielt auch Karl Herman Richter auf ein ähnliches Ansuchen hin eine Absage.

Erst 1905 gelang es Otto Paul Rischowsky, nachdem er fünf Jahre zuvor mit einem gleichlautenden Antrag noch gescheitert war, die Funktion eines Universitätstanzlehrers zu erringen. Der 1868 in Wien geborene Rischowsky war bis 1888 an der kaiserlichen und königlichen Hofoper der Donaumetropole, später dann in Berlin tätig gewesen. Seit 1897 war er in München Inhaber des vormaligen Instituts des oben genannten A. Diringer in der Herrnstraße. Rischowskys Antrag liegt eine Auflistung über Burschenschaften, Landsmannschaften, diverse Corps, akademische Turnvereine und weitere Verbindungen bei, deren Mitglieder bei ihm lernten und gelernt hatten, darunter Studenten der Suevia, Isaria, Franconia, Normannia, Rheno-Palatia, Vandalia, Arminia, des akademischen Görres-Vereins u. v. a. Er weist darauf hin, dass jährlich 450 bis 500 Studierende der bayerischen Hochschulen seine Schüler seien.

Die von ihm beantragte Funktion wurde Rischowsky übertragen, da er wegen des hohen Zulaufs von Studierenden bereits der eigentliche Studententanzlehrer sei und ferner einen hohen Anteil an Damenpublikum aufweisen könne, außerdem, weil während des Unterrichts – im Gegensatz zu anderen Tanzschulen – keine alkoholischen Getränke ausgeschenkt würden. Im selben Jahr reichte der Tanzlehrer Friedrich Spange, dessen Institut am Karlsplatz lag, ein vergleichbares Gesuch ein, das aber abgelehnt wurde. Am 11. Dezember 1912 brach Rischowsky, offenbar während eines abendlichen Kurses, zusammen und verstarb mit nur 44 Jahren.

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Zwei Doppelseiten aus einer Broschüre der Tanzschule Rischowsky,

die sich als „speciell für die kgl. Hochschulen“ verstand (1900/01).

Nach dem Ableben von Rischowsky bewarben sich die Münchner Tanzlehrer Richard Richter, Eduard Spange Senior und Max Hölzlmaier, genannt Wellenberg, um die vakante Position. Im Mai 1913 wurde allen dreien von der LMU mitgeteilt, dass vorerst von der Verleihung des Titels „Universitätstanzlehrer“ Abstand genommen würde. Bis 1920 reichten die drei Genannten sowie ein gewisser Josef Valenci weitere Gesuche ein, welche jedoch allesamt keine Berücksichtigung fanden.

1924 bat Josef Valenci erneut um die Titelverleihung. Der 1892 ebenfalls in Wien geborene Valenci hatte an der Ballettschule des Nationaltheaters in München, u. a. bei Rischowsky, gelernt. Valenci wurde Assistent, später Geschäftsführer und artistischer Leiter der Tanzschule Rischowsky. Sein Tanzinstitut, welches er mit seinem Bruder Alfons führte, befand sich zunächst in der renommierten Tonhalle in der Türkenstraße 5, vormals bekannt unter dem Namen „Kaim-Saal“, damals noch Stammhaus der Münchner Philharmoniker und Bühne für internationale Spitzenkünstler. Im Januar 1925 wurde Valenci gestattet, sich als Universitätstanzlehrer zu bezeichnen, mit den Auflagen, dass während des Unterrichts kein Alkohol verabreicht würde, dass die Unterrichtsgebühren für Studierende um 25 Prozent gegenüber dem regulären Preis gesenkt würden und dass Gleiches auch für die Studierenden der Technischen Hochschule sowie der Akademien der bildenden Künste und der Tonkunst gelten müsse. Ein feines Detail bei der Verleihung bestand darin, dass der universitäre Titel sich eigentlich nur auf Valencis Person bezog. Eine Ausdehnung des Titels auf die Schule, also die Verwendung des Begriffs „Universitäts-Tanzinstitut“, wurde von Amts wegen nicht ausdrücklich erlaubt, aber, nachdem dieser Begriff tatsächlich von Valenci etabliert worden war, geduldet.

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Josef Valenci (1892-1977), Foto aus

einer Broschüre seiner Tanzschule (1920).

Wie Valenci beantragte auch Richard Richter, geboren 1876 in München, 1924 erneut eine Titelverleihung, was aber u. a. aufgrund der laut Auskunft des AStA angeblich nur geringen Zahl der Studenten bei der Tanzschule Richter nicht gelang. Im Jahr darauf ersuchte er, seinen jüngeren Bruder Wilhelm Richter einschließend, wieder um die Titelverleihung, und argumentierte, dass „eine abschlägige Verbescheidung unserer Bitte für unser Institut einen nicht zu verwindenden Schlag bedeuten würde.“1 Der akademische Senat der LMU blieb jedoch auch diesmal seiner Linie treu und gab dem Gesuch nicht statt. Richter, gleichfalls hartnäckig, fragte 1926 wiederum an, nun mit Erfolg. In seinem Antrag erwähnte er, dass die Ernennung Valencis negative Auswirkungen auf Richters Institut (Neuhauser Straße) nach sich gezogen habe, da zahlreiche Studenten und studentische Korporationen ausblieben, um nun bei der Konkurrenz Unterricht zu nehmen. Im März 1927 wurde Richard und Wilhelm Richter schließlich die Führung des Titels eines Universitätstanzlehrers genehmigt. Richard Richter verstarb am 6. Juni 1930, sein Bruder Wilhelm am 16. November 1935, und zwar, wie schon Rischowsky zuvor, abends „inmitten seiner Berufsausübung“2. Nach dem Tod der Gebrüder Richter warb noch Wilhelm Richters Sohn Rudolf mit den universitären Titeln für den von ihm weitergeführten Familienbetrieb, was ihm aber schließlich seitens der LMU untersagt wurde.

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Ein Plakat, das in der LMU aufgehängt war, aber wegen

unberechtigter Titelführung wieder abgenommen werden musste (1936).

1927 und 1928 ersuchten nochmals Max Wellenberg und Eduard Spange Senior sowie erstmals der Tanzlehrer und Festballmeister Pepi Burger um die Titelverleihung, jeweils mit Hinweis auf die prekäre wirtschaftliche Situation nach Zuerkennung eines solchen Titels an andere Tanzlehrer. Dem Antrag Burgers liegt „Tanzlehrer Burger’s Tanz- und Anstandsbüchlein“ bei, ein Heftchen, welches neben Schritterklärungen einiger weniger Tänze auch Anstandsregeln für verschiedene Alltagssituationen beinhaltet (beim Besuch, beim Essen und Trinken, beim Schenken und Beschenktwerden, auf der Straße usw.).

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Übertrieben kleiden sich nur „hohlköpfige Zierbengel“ und „bezahlte Modedamen“ (1927/28).

Infolge von Burgers Ansuchen beschloss der Senat der LMU am 9. Mai 1928, dass bis auf Weiteres von der Verleihung solcher Universitätstitel Abstand genommen würde, was auch den aktuellen Antrag betraf. Dies schloss jedoch die Verleihung in Einzelfällen, wie später noch bei Max Wellenberg, laut Ansicht des Senats nicht aus. Basierend auf diesem Beschluss kam es in den folgenden Jahren zur Ablehnung von Gesuchen von Eduard Spange Junior und Georg Emmerich Junior, welche nach eigener Aussage ebenfalls bei Nicht-Ernennung um ihre berufliche Existenz fürchten müssten. Das Gesuch von Peter Herbig, geboren 1894 in München, vom Februar 1928 war dagegen noch befürwortet worden, ab April desselben Jahres durfte er den begehrten Titel führen, nachdem ihm die gleichen Auflagen wie Valenci und den Gebrüdern Richter gemacht worden waren.

1932 versuchte zuletzt Max Wellenberg, geboren 1885 in München, abermals sein Glück. Seines Zeichens Hofballett-Solotänzer, laut Antrag bis zum Ende der Monarchie u. a. Lehrer der Prinzen und Prinzessinnen am bayerischen Königshof sowie am Hofe Thurn und Taxis, hatte er 1919 das Institut des Otto Paul Rischowsky von dessen Witwe übernommen und inzwischen in „Privat-Tanz-Akademie Wellenberg-Rischowsky“ umbenannt. Im September 1932 erhielt Wellenberg die Genehmigung zur Titelführung.

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Plakat aus Pappe, das in der LMU

zum Aushang genehmigt wurde (1936).

Die Verleihung des Titels an Max Wellenberg dürfte damals wohl die letzte gewesen sein. Laut Senatsprotokoll vom 19. März 1941 wurden derartige akademische Titel seit 1932 nicht mehr vergeben, passend zur Einschätzung früherer Rektoren und des Senats: Seitens der LMU bestehe „an weiteren Universitätstiteln (wie z. B. Universitäts-Drogerie, Universitäts-Tanzlehrer usw.) kein Interesse.“3

 

DS

 

  • 1 Schreiben von Richard Richter an den Akademischen Senat der LMU vom 22.04.1925, UAM, P-IV-15, Bd. 7.
  • 2 Todesanzeigen für Wilhelm Richter vom 21.11.1935, Münchner Neueste Nachrichten/Völkischer Beobachter, UAM, P-IV-15, Bd. 8.
  • 3 Niederschrift über die Sitzung des Akademischen Senats vom 19.03.1941, UAM, P-IV-15, Bd. 1.

Quellen

  • UAM, D-III-69b, Bd. 3 (Protocolla Universitatis, 1770-1779)
  • UAM, G-III-2 (Personen- und Vorlesungsverzeichnisse)
  • UAM, P-IV-15 (Akte des Akademischen Senats der Universität München, Betreffend: Universitäts-Tanzlehrer)
  • UAM, P-IV-17 (Akte des Akademischen Senats der Universität München, Gegenstand: Universitäts-„Friseur“)
  • UAM, P-IV-18 (Akte des Akademischen Senats der Universität München, Betreffend: Universitäts-Titel, Verleihung von Universitätstiteln – Allgem.)

Literatur

  • Igl, Peter: Ein Leben für den Tanz. Erinnerungen an Peps Valenci; in: Zwiefach. Musik, Kultur, Lebensart 56/3 (2013), S. 30f.

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