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Oktober 2018

Kreuzigungsszene, Handzeichnung im Stil Nicolas Poussins, um 1650

(Graphiksammlung des Herzoglichen Georgianums, ohne Inventarnummer)

Testamentarisch hatte der Münchener Philosoph und Ästhetiker Martin Deutinger (1815–1864) seine Graphiksammlung dem Herzoglichen Georgianum vermacht, eine außerordentlich umfangreiche Kollektion von über 20.000 Blättern. Bei dieser Schenkung handelte es sich um die Studiensammlung eines Privatgelehrten. Etliche von Deutingers Werken beruhten darauf, etwa seine Reisebücher mit ihren Beschreibungen von Gemälden in den europäischen Galerien. Martin Deutinger sah für seine Graphiksammlung zwar eine Nutzung durch andere Forscher oder zumindest durch die Zöglinge des Georgianums vor, tatsächlich wurde der Korpus, obwohl unter verschiedenen Gesichtspunkten erschlossen, unter Verschluss gehalten (was mit den zahlreichen Aktdarstellungen zusammenhängen dürfte). In diesem Rahmen haben wir bereits öfter Objekte aus dem Deutinger-Bestand vorgestellt, zuletzt im Mai 2018.

Die von Martin Deutinger angelegte Graphiksammlung wurde nach seinem Tod nicht weiter ausgebaut, und wenn seitdem Blätter dazukamen, handelte es sich um zufällige Schenkungen (die leider ohne Zugangsdaten aufgenommen wurden). Dass solche Schenkungen nicht gering zu schätzen sind, zeigt die hier als Stück des Monats Oktober präsentierte qualitätsvolle Zeichnung mit einer Kreuzigungsszene. Das Werk, auf das sie sich bezieht, stammt von Nicolas Poussin (1594–1665), ein Gemälde von 1650, das heute im Wadsworth Atheneum von Hartford hängt; hier ist es in einer druckgraphischen Reproduktion zu sehen.

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(zum Vergrößern bitte anklicken)

Die Zeichnung des Georgianums ist auf einen dicken Karton aufgezogen und mit unterschiedlich breiten schwarzen, weißen und goldenen Linien umrandet – Indizien dafür, dass man das Blatt in früherer Zeit als wichtig einschätzte. Dies geht Hand in Hand mit der rückseitigen Beschriftung in Bleistift: „Dessein de N. Poussin“, wonach die Graphik für ein eigenhändiges Werk Poussins, also des wichtigsten Malers des klassizistischen Barock, gehalten wurde (und vielleicht als Vorzeichnung galt für die Kreuzigungsszene im Wadsworth Atheneum).

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Ein besonderes Augenmerk verdient der auf der Vorderseite unten links aufgedrückte Sammlerstempel mit den kunstvoll ineinander verschlungenen Initialen G und V. Dieser Stempel zeigt an, dass das Objekt aus der Kollektion von Giuseppe Vallardi (1784–1863) stammt. Vallardi handelte in Mailand mit Drucken und Zeichnungen. Die Kuratoren der wichtigsten Kabinette Europas kauften bei ihm ein, Blätter von Leonardo da Vinci konnte man dort ebenso erwerben wie solche von Michelangelo oder Raffael.

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Sollte die rückseitige Beschriftung von Giuseppe Vallardi und somit von einem Kenner der Kunst auf Papier stammen, müsste die Zuschreibung an Nicolas Poussin ernsthaft in Erwägung gezogen werden. Dass Vallardi die nachmals in den Bestand des Georgianums geratene Zeichnung in seine Sammlung aufnahm, spricht für deren außerordentliche Qualität. Eine Überprüfung des Sachverhalts ist freilich im Rahmen eines Stücks des Monats nicht möglich. Hier soll nur auf den Fund und seinen Kontext aufmerksam gemacht werden.

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CS

 

Dank:

Die Identifizierung des Sammlerstempels hat freundlicherweise Herr Dr. Peter Fuhring in Paris, Fondation Custodia, vorgenommen. Wertvolle Hilfe leistete auch Herr Dr. Achim Riether von der Staatlichen Graphischen Sammlung in München. Dafür sei ihnen herzlich gedankt!

Der Sammlerstempel in der Datenbank Frits Lugt, Les Marques de Collections de Dessins & d’Estampes:
http://www.marquesdecollections.fr/detail.cfm/marque/7357


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