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September 2015

Die dingliche Überlieferung der Disziplin Physik

Auszug aus Johann Nepomuk Mederer, Annales Ingolstadiensis academiae, Bd. II, Ingolstadt 1782, 202

UAM, Amtsbibliothek, M-VII-1(1

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Im Rahmen der Vorbereitungen für die im Frühjahr 2016 stattfindende Tagung über die Wissenschaftlichen Sammlungen der Ludwig-Maximilians-Universität an ihren Standorten Ingolstadt, Landshut und München wurden durch das Universitätsarchiv alle diesbezüglich erreichbaren handschriftlichen und gedruckten Quellen zusammengetragen mit dem Ziel, ein Handbuch über Geschichte und Bestand dieser Sammlungen zu erstellen. Dabei ergab sich, dass die Physik mit den verwandten Disziplinen Mathematik, Astronomie und Technologie das mit weitem Abstand am besten dokumentierte Fach an der LMU ist.

Einen ersten Höhepunkt erlebte die Physik an der Universität Ingolstadt im frühen 17. Jahrhundert mit dem Jesuiten Christoph Scheiner (1573-1650), der hauptsächlich Bekanntheit erlangte für seine unabhängig von, aber gleichzeitig mit Galileo Galilei (1564-1642) geglückte Entdeckung der Sonnenflecken. Scheiners Observatorium befand sich auf dem Turm der Ingolstädter Jesuitenkirche, weitere Instrumente lagerten im Kolleg der Jesuiten. Wie es mit diesen Geräten weiterging, war bisher nicht bekannt. Der gewünschte Aufschluss findet sich in den unter sammlungsgeschichtlichem Aspekt unausgewerteten Universitätsannalen des Exjesuiten Johann Nepomuk Mederer (1734-1808): „Instrumenta, queis Scheinerus in suis observationibus utebatur, hodiedum in Armario nostro mathematico asservantur.“ Demnach wurden die Geräte, die Scheiner bei seinen Beobachtungen gebrauchte, im späten 18. Jahrhundert im Armarium mathematicum der Universität aufbewahrt, wohin sie – wie ergänzt werden darf – nach der Aufhebung des Jesuitenordens 1773 gekommen waren.

Doch was geschah mit diesen Instrumenten im 19. und 20. Jahrhundert? 1904 kam, was wenig bekannt ist, ein Leihvertrag zwischen der Universität München und dem Deutschen Museum zustande, wonach der Altbestand von deren Physikalischem Kabinett unter Eigentumsvorbehalt auf die „Museumsinsel“ gelangte, Damals war das Physikalische Kabinett der seit 1826 in München angesiedelten Universität zweigeteilt: Eine historische Abteilung enthielt die Stücke bis ca. 1850; sie war mehr oder weniger identisch mit der Dauerleihgabe. Daneben existierte die Abteilung mit den für Lehre und Forschung weiterhin benötigten Stücken; aus ihr ging mit Dezimierung im Zweiten Weltkrieg die heutige Historische Sammlung der Fakultät für Physik hervor. Weniger linear ist die Geschichte des Bestandes in jener historischen Abteilung. Er geht in seinen ältesten Stücken bis in die Ingolstädter Epoche (1472-1800) der Universität München zurück. Die vom Jesuitenorden betriebene Physik verfügte über ein Armarium physico-mathematicum, über eine Sternwarte und über die Kunst- und Wunderkammer des Paters Ferdinand Orban, die ebenfalls naturwissenschaftliche Instrumente enthielt. Nach der Aufhebung des Jesuitenordens 1773 gelangten diese drei Bestandsgruppen an die Universität Ingolstadt und wurden im genannten Jahr mit den dort bereits vorhandenen Geräten der von weltlichen Professoren betriebenen Physik zu dem nun einzigen Kabinett vereinigt. Die Landshuter Epoche (1800-1826) brachte für dieses Kabinett reichen Zuwachs, 1801 durch Überweisung des Bestandes des Lyzeums Neuburg an der Donau und 1803 durch Übernahme ausgewählter Stücke aus den aufgehobenen Prälatenklöstern. Für das frühe 19. Jahrhundert sind im Übrigen ebenso Zugänge von den Akademien der Wissenschaften in Mannheim und München nachgewiesen wie Abgänge an die Universität Würzburg oder an das heutige Stadtmuseum Ingolstadt. 1881 kamen einzelne Geräte mit Provenienz Kunst- und Wunderkammer Orban als Dauerleihgabe ans Bayerische Nationalmuseum. 1926 fand ein Austausch zwischen dem Physikalischen Kabinett und dem Lyzeum Freising statt, welches dann aber 1938 von der Universität München übernommen wurde. Bereits 1937 waren der Universität die bisher zur Münchener Akademie der Wissenschaften gehörigen Bestände der Institute für Metronomie und Theoretische Physik eingegliedert worden. Dieser Überblick zur dinglichen Überlieferung der Disziplin Physik an der LMU darf den Schluss zulassen, dass sich einzelne, von Christoph Scheiner gebrauchte Instrumente heute als Leihgabe der Universität München im Deutschen Museum befinden.

 

CS

 

Literatur

Füßl, Wilhelm, „Weil ich sonst für die Sammlung Schlimmes befürchte“. Wilhelm Conrad Röntgen und das Deutsche Museum, in: Kultur & Technik 1996/1, 11-19

Kamp, Michael, Die Geschichte der Physik an der Ludwig-Maximilians-Universität München, München 2002

Oittner-Torkar, Gisela, „Vom unbedeutenden Kabinett zum erfolgreichen Institut. Die Physik an der Ludwig-Maximilians-Universität in München“, in: Physik und Didaktik 4 (1991) 293-310

Schaff, Josef, Geschichte der Physik an der Universität Ingolstadt (1472-1800), Erlangen 1912

Schöner, Christoph, Mathematik und Astronomie an der Universität Ingolstadt im 15. und 16. Jahrhundert, Berlin 1994

Toepell, Michael, Mathematiker und Mathematik an der Universität München. 500 Jahre Lehre und Forschung, München 1996


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