Universitätsarchiv
print

Links und Funktionen

Navigationspfad


Inhaltsbereich

Juli 2014

Die Kunst- und Wunderkammer der Universität Ingolstadt

(UAM, W-I-3 1/3; UAM, X-V-1)

Das Ingolstädter Jesuitenkolleg hatte 1732 aus dem Nachlass des Paters Ferdinand Orban (1655-1732) dessen Kunst- und Wunderkammer geerbt. Mit der Aufhebung des Jesuitenordens fiel diese Sammlung 1773 an die Universität Ingolstadt. Die bisherige Forschung ging davon aus, dass es sich bei der Orban’schen Kunst- und Wunderkammer um die erste Sammlung dieser Art in Universitätsbesitz handelte. Im Rahmen der Recherchen für ein größer dimensioniertes Projekt des Universitätsarchivs, nämlich für eine Tagung über die Wissenschaftlichen Sammlungen der Universität Ingolstadt-Landshut-München im Jahr 2016, stellte sich heraus, dass die Universität Ingolstadt bereits 1573 eine fürstlich zu nennende Kunst- und Wunderkammer erhalten hatte, und zwar diejenige des Augsburger Domherrn und nachmaligen Bischofs Johann Egolph von Knoeringen (1537-1575). Die Spuren der Knoeringen-Sammlung waren so schwer nachzuzeichnen, da sie bald nach 1773 mit der Orban-Sammlung vereinigt wurde, ohne dass im damals angelegten Inventar eine Scheidung der Provenienzen vorgenommen worden wäre. Außerdem hat es den Anschein, dass das im Repertorium zum Aktenbestand des Akademischen Senats von 1776 aufgeführte „Inventarium, und Beschreibung der Knöringischen KunstKamer“ nicht erst im Zweiten Weltkrieg verbrannte, sondern bereits 1872, als Karl Prantl seine Geschichte der Universität Ingolstadt-Landshut-München in Druck gab, nicht mehr vorlag.

sdm07_0001kl

Johann Egolph von Knoeringen unternahm als humanistisch gesinnter Kleriker Bildungsreisen durch das alte Europa, insbesondere nach Italien, während der er – dem Brauch der Zeit entsprechend – verschiedenartiges Sammlungsgut zusammentrug, vorzugsweise Antiken. Dem Brauch der Zeit entsprach es ebenfalls, die eigene Sammlung auszubauen durch Übernahme der kompletten Sammlung eines anderen, hier des Humanisten Heinrich Glarean (1488-1563), der einige Zeit in Freiburg/Breisgau Lehrer des bildungshungrigen Klerikers gewesen war. In späteren Lebensjahren wandte sich Knoeringen dem gegenreformatorischen Kreis an der Universität Ingolstadt unter Superintendent Martin Eisengrein (1535-1578) zu, der ihn veranlasste, seine Bibliothek, seine Kunst- und Wunderkammer sowie seine liturgischen Geräte der Landesuniversität zu vermachen. Dem Drängen Eisengreins kam Johann Egolph von Knoeringen bereitwillig nach, blieb auch nicht bei der Überweisung seines beweglichen Besitzes stehen, sondern errichtete auf eigene Kosten in der Stadt an der Donau ein Bibliotheks- und Sammlungsgebäude mit Kapelle und stiftete ein Stipendium für den künftigen Bibliothekar und Kustos. Die der Hohen Schule zugewachsenen Schätze blieben den Augen des kunstinnigen Bayernherzogs Albrecht V. (1528-1579) nicht verborgen: Die schönsten Stücke der Münzsammlung, nämlich die „Schaupfenning“, mussten 1576 gegen eine jährliche Rente von 60 Gulden in die Münchener Kunstkammer wandern.

sdm07_0002kl

Nachdem das originale Inventar wie angedeutet nicht erhalten ist, ist man – möchte man sich ein Bild von der Knoeringen’schen Kunst- und Wunderkammer machen – auf die Schilderungen der Zeitgenossen angewiesen. Stellvertretend sei hier diejenige des Laurentius Albertus von 1573 wiedergegeben: „Ingenti etiam sumptu, ornatus, varietatis, & rerum cognitionis causa, quasi ,parergos‘ his addis & coemis antiqua numismata, pisces, conchas marinas, & earum exuvias, cornua, sculpturas, varias gemmarum species, fossilia, exoticas res natas & fictas, quarum non tantum Moscovitis & Turcis, sed apud extremos Indos etiam usus est, ut sunt cochlearia, cultri, umbraculae, pilei, thoraces, arma, tela, Romanorum etiam antiquae Sicae, pugniones, Sarcophagi & urnae, quibus condebantur cineres, & huius generis multa alia. Item Graecorum & Romanorum vaira pondera & mensurae, quas a Glareano, cum tota illius bibliotheca acceptisti, qui diligentissimus harum rerum mensor erat.“

Es würde an dieser Stelle zu weit führen, das Schicksal der Kunst- und Wunderkammer von Johann Egolph von Knoeringen aufzuzeigen. Stattdessen seien drei Stücke benannt, die sich mit Sicherheit auf diese Sammlung zurückführen lassen: der sog. Universitätsaltar in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, zwei Bernstein-Altarleuchter im Bayerischen Nationalmuseum und eine Armillarspäre im selben Museum, sämtlich Leihgaben der Ludwig-Maximilians-Universität aus ihrem Orban-Bestand. Vielleicht wird es dem Universitätsarchiv gelingen, im Rahmen der Vorbereitungen auf die Sammlungstagung 2016 noch weitere Stücke zu eruieren. Man darf gespannt sein…

CS

Podcast zu Orbans Wunderkammer

http://www.uni-muenchen.de/studium/stud_leben/kulturelles-leben/uni_galerie/filme/dossier/orban/index.html

Podcast zum Universitätsaltar

http://www.uni-muenchen.de/studium/stud_leben/kulturelles-leben/uni_galerie/filme/dossier/11-dossier/index.html


Servicebereich