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März 2014

Jesuitische Heiligenverehrung in Ingolstadt, 1594/95
(Universitätsarchiv München, D-V-4, f. 49 r)

Das Auftreten der ersten Jesuiten in Bayern und Ingolstadt ab 1549 und wieder ab 1556 hatte gravierende Folgen für die Universität im Ganzen und für das Georgianum insbesondere. Das Monopol, das die Societas Jesu im artistischen und, dort verhaltener artikuliert, im theologischen Fakultätsbetrieb für sich beanspruchte, wurde ihr von den Herzögen Albrecht V. bereitwillig und Wilhelm V. vorbehaltlos eingeräumt, selbstverständlich gegen den Willen der Professorenschaft. Hand in Hand mit der Übernahme des Unterrichts artikulierte sich der Wunsch der Jesuiten nach adäquaten Räumlichkeiten. Waren die Patres zunächst noch geneigt, bestehende, praktischerweise ohnehin dem Lehrbetrieb der Artistenfakultät dienende Gebäude wie die Hohe Schule oder das Georgianum zu adaptieren, ging deren Streben bald nach Gründung eines eigenen Kollegs, das den ersten Planungen zufolge vielleicht direkt im östlichen Anschluss an die Hauskapelle des Georgianums hätte errichtet werden sollen, also dort, wo schließlich der Erweiterungsbau von 1580/82 zu stehen kam. Unabhängig von der Frage der Übernahme bestehender oder der Errichtung neuer Bauten bemühten sich die Jesuiten zur Erfüllung ihrer Aufträge der schulischen Bildung und inneren Mission um ausreichende Fonds und bewegliche Güter. Auch diesen Anforderungen wurde von den bayerischen Herzögen bereitwillig entsprochen. Das Georgianum gelangte zwar nur zwischen 1585 und 1587 unter das Kuratorium der jesuitischen Philosophischen Fakultät, schwebte jedoch lange in der Gefahr, wie das Albertinum ein Konvikt der Societas zu werden. Abgesehen davon sind die Eingriffe der Jesuiten in die Besitz- und Rechtsstand des Kollegs sowie in das Seelenleben seiner Bewohner ungezählt.

Mit Rudolf Clenck wurde 1570 in der Reihe der Regenten des Georgianums die Hinwendung zum Lehramt in der Theologischen Fakultät vollzogen, eine Hinwendung, die zunächst nur ad personam gedacht war, sich dann jedoch verstetigte und erst mit Johannes Gregor Harsaeus (Regens 1604–1619) endete, auf den die „Berufsregenten“ folgten. Dieser Befund wird überlagert von der Feststellung, dass drei spätere Regenten ihre Bildung am von Jesuiten geleiteten Collegium Germanicum et Hungaricum in Rom empfingen: Bartholomäus Vischer (in Rom 1573–1576, Regens 1577–1584), Robert Turner (in Rom 1577–1580, Regens 1584–1587) und Johannes Cholinus (in Rom seit 1583, Regens 1591–1595). Die Jesuiten umklammerten das Georgianum also nicht nur von Ingolstadt, sondern auch von Rom aus. Ihm drohte die Gefahr, vermittels gezielter Aufstellung von jesuitisch gebildeten Regenten eine Filiale der Societas zu werden. Die unverbrüchliche Verbundenheit mit dem Collegium Germanicum äußerte sich bei Bartholomäus Vischer so, dass er Johannes Scharb (in Rom 1578–1581), einem Zögling, der zuerst unter Rudolf Clenck an der Universität studiert und im Georgianum gewohnt hatte (1573–1575), einen Band aus seiner Privatbibliothek schenkte, nämlich den als Stichwortsammlung für Prediger gedachten „Dictionarius pauperum“ von Nicolaus de Byarto. Offenbar hatte hier der Regens dem Zögling eine geeignete Ausstattung mit auf den Weg geben wollen. Passend zur unbedingten Gefolgschaft, die im Collegium Germanicum eingeschärft zu werden pflegte, ist die Vermutung, dass es Vischer gewesen ist, der sich später als Regensburger Domdekan für die Aufnahme von Scharb in das Domkapitel verwendet hat. Vischers Verbundenheit mit dem einst von ihm geleiteten Georgianum zeigte sich 1594 in der Stiftung eines Jahrtags und eines hierfür gedachten Messkelchs.

Das Herkommen des Regenten Johannes Cholinus aus dem Collegium Germanicum hatte auch Auswirkungen auf die bildende Kunst, konkret die Gestaltung des Berichts über seine Wahl zum Rektor im Matrikelbuch für das Wintersemester 1594/95. Die Miniatur zeigt die Heiligen Johannes Baptist und Johannes Evangelist als Verweis auf den Vornamen des Rektors, die Heiligen Petrus und Paulus als Verweis auf das Patrozinium der Hauskapelle, den Heiligen Apollinaris als Beschützer des Collegium Germanicum („S. APPOLLINARIS [sic], EPISCOPVS ET MART: COLL: GERM: DE VRBE PATRONVS“) und den Heiligen Georg als Beschützer des Collegium Georgianum („S. GEORGIVS MART: DVC: COLL: GEORGIANI INGOLSTADII PATRONVS“). Diese Schar umrahmt die 1571 von Franz Borgia dem Jesuitenkolleg Ingolstadt übersandte Kopie des Gnadenbildes „Salus populi romani“ aus der Cappella Paolina in Santa Maria Maggiore in Rom.

Nicht minder aussagekräftig waren übrigens die Darstellungen auf den Blättern der drei Altäre in der Hauskapelle: auf dem Hochaltar Peter und Paul von Engeln umgeben (Franz Joseph Geiger, Landshut 1677), auf dem linken Seitenaltar die Heilige Katharina (auf Holz, Christoph Schwartz, München) und auf dem rechten Seitenaltar der Heilige Georg in der Glorie (Marquard Höck, Ingolstadt 1687). Peter und Paul verweisen auf das Patrozinium der Hauskirche und Georg auf den Schutzheiligen von Georg dem Reichen und des von ihm gestifteten Georgianums. Katharina, die Schutzpatronin der Artisten, ist eine bewusste Reverenz des Georgianums an die ihm stiftungsmäßig verbundene Philosophische Fakultät.

CS

Claudius Stein, Die Bibliotheken des Herzoglichen Georgianums Ingolstadt 1494–1776. Ein Beitrag zur bayerischen Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 76 (2013) (im Erscheinen)


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